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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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anhob. Die neue Braut Christi empfing den Schleier, wie man an heißen Tagen ein Tuch entgegennimmt, um sich die Stirne und die Wangen zu trocknen, sie setzte den Kelch mit einer erschreckenden Sicherheit an die Lippen, und eine Stunde nach der heiligen Cermonie sah man sie schon ihre Stiefeln anziehen und hörte sie stampfend durch den Corridor dahinschreiten, einen Gassenhauer singend. Erst nach und nach gewöhnte sich die widerspenstige Nonne an den Zwang und die Sitten eines Klosters, völlig und durchaus drang sie jedoch nie in die weiblichen und sanften Gewohnheiten ein. Ihre ehrliche und derbe Natur machte sie geschickt, diejenigen Arbeiten fürs Kloster zu übernehmen, die wegen der Mühen und Beschwerlichkeiten, die sie erforderten, früher einem Klosterdiener übertragen waren. Aber Annuschka, wie sie jetzt hieß, wog einen, wohl zwei Männer auf. Sie ermüdete nicht und tummelte sich Tage und Nächte lang auf ihrem Klepper umher. Sie zog in das nächste Dorf, in die Stadt, ja über Kiew hinaus sogar an die Grenze des Gouvernements, handelte und unterhandelte, machte Einkäufe, schloß Contracte und kam immer bepackt und nach wohlverrichteter Arbeit fröhlich nach Hause. Zum Malen ebenso wie zum Chorsingen konnte sie nicht gebraucht werden. Ihren großen, rothen und behaarten Händen entglitt der Pinsel, wie der Tatze eines Bären ein Fingerhut und eine Nähnadel entgleiten würden, und was den Gesang betrifft, so nannte die fünfzigährige Nonne die Noten kleine jämmerliche Bestien, die ihren eignen Kopf

anhob. Die neue Braut Christi empfing den Schleier, wie man an heißen Tagen ein Tuch entgegennimmt, um sich die Stirne und die Wangen zu trocknen, sie setzte den Kelch mit einer erschreckenden Sicherheit an die Lippen, und eine Stunde nach der heiligen Cermonie sah man sie schon ihre Stiefeln anziehen und hörte sie stampfend durch den Corridor dahinschreiten, einen Gassenhauer singend. Erst nach und nach gewöhnte sich die widerspenstige Nonne an den Zwang und die Sitten eines Klosters, völlig und durchaus drang sie jedoch nie in die weiblichen und sanften Gewohnheiten ein. Ihre ehrliche und derbe Natur machte sie geschickt, diejenigen Arbeiten fürs Kloster zu übernehmen, die wegen der Mühen und Beschwerlichkeiten, die sie erforderten, früher einem Klosterdiener übertragen waren. Aber Annuschka, wie sie jetzt hieß, wog einen, wohl zwei Männer auf. Sie ermüdete nicht und tummelte sich Tage und Nächte lang auf ihrem Klepper umher. Sie zog in das nächste Dorf, in die Stadt, ja über Kiew hinaus sogar an die Grenze des Gouvernements, handelte und unterhandelte, machte Einkäufe, schloß Contracte und kam immer bepackt und nach wohlverrichteter Arbeit fröhlich nach Hause. Zum Malen ebenso wie zum Chorsingen konnte sie nicht gebraucht werden. Ihren großen, rothen und behaarten Händen entglitt der Pinsel, wie der Tatze eines Bären ein Fingerhut und eine Nähnadel entgleiten würden, und was den Gesang betrifft, so nannte die fünfzigährige Nonne die Noten kleine jämmerliche Bestien, die ihren eignen Kopf

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/30>, abgerufen am 22.11.2024.