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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ach! rief Feodora staunend. Wie schön du bist! Der Geist kommt über dich, Schola!

Hast du nie die großen Unsterblichen erschaut, rief Scholastika, deren irdisches Abbild du auf deine Leinwand bringst? Sahst du ihre leuchtenden Mienen niemals? Kamen sie nie, um sich dir in ihrer Herrlichkeit zu zeigen?

Nie! rief Feodora. Aber wie sollten sie auch. Leben sie nicht im Himmel, und sind wir nicht auf die Erde gebannt. Können sie und wir wohl mit einander verkehren?

Es ist sträflich, dies zu glauben, erwiderte Scholastika; aber dennoch, das arme Herz hat Augenblicke, wo es so stolz und herrisch in seiner Liebe ist, daß es durch sein unruhiges Pochen den Himmel selbst herabzubeschwören sich unternimmt. Es ist in uns ein Gebet, das so glühend und so stark ist, daß es unmittelbar an die goldne Pforte rührt, die den Himmelssaal verschließt.

Was hat dies aber mit den Bildern zu thun, die wir malen? fragte Feodora.

Höre mich. Ich zählte eilf Jahre, als meine Verwandten, denen mein Dasein störend und lästig war, in diese Klostermauern mich begruben. Ich war von der Stunde an für sie todt. Sie konnten ihre habsüchtigen Plane nach allen Richtungen hin ins Werk richten; niemals trat ihnen mehr das blasse kleine Mädchen in den Weg, das flehend um Brod und Kleid die magern Arme ihnen entgegenhielt. Ich war todt. Hier im Kloster

Ach! rief Feodora staunend. Wie schön du bist! Der Geist kommt über dich, Schola!

Hast du nie die großen Unsterblichen erschaut, rief Scholastika, deren irdisches Abbild du auf deine Leinwand bringst? Sahst du ihre leuchtenden Mienen niemals? Kamen sie nie, um sich dir in ihrer Herrlichkeit zu zeigen?

Nie! rief Feodora. Aber wie sollten sie auch. Leben sie nicht im Himmel, und sind wir nicht auf die Erde gebannt. Können sie und wir wohl mit einander verkehren?

Es ist sträflich, dies zu glauben, erwiderte Scholastika; aber dennoch, das arme Herz hat Augenblicke, wo es so stolz und herrisch in seiner Liebe ist, daß es durch sein unruhiges Pochen den Himmel selbst herabzubeschwören sich unternimmt. Es ist in uns ein Gebet, das so glühend und so stark ist, daß es unmittelbar an die goldne Pforte rührt, die den Himmelssaal verschließt.

Was hat dies aber mit den Bildern zu thun, die wir malen? fragte Feodora.

Höre mich. Ich zählte eilf Jahre, als meine Verwandten, denen mein Dasein störend und lästig war, in diese Klostermauern mich begruben. Ich war von der Stunde an für sie todt. Sie konnten ihre habsüchtigen Plane nach allen Richtungen hin ins Werk richten; niemals trat ihnen mehr das blasse kleine Mädchen in den Weg, das flehend um Brod und Kleid die magern Arme ihnen entgegenhielt. Ich war todt. Hier im Kloster

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[0021] Ach! rief Feodora staunend. Wie schön du bist! Der Geist kommt über dich, Schola! Hast du nie die großen Unsterblichen erschaut, rief Scholastika, deren irdisches Abbild du auf deine Leinwand bringst? Sahst du ihre leuchtenden Mienen niemals? Kamen sie nie, um sich dir in ihrer Herrlichkeit zu zeigen? Nie! rief Feodora. Aber wie sollten sie auch. Leben sie nicht im Himmel, und sind wir nicht auf die Erde gebannt. Können sie und wir wohl mit einander verkehren? Es ist sträflich, dies zu glauben, erwiderte Scholastika; aber dennoch, das arme Herz hat Augenblicke, wo es so stolz und herrisch in seiner Liebe ist, daß es durch sein unruhiges Pochen den Himmel selbst herabzubeschwören sich unternimmt. Es ist in uns ein Gebet, das so glühend und so stark ist, daß es unmittelbar an die goldne Pforte rührt, die den Himmelssaal verschließt. Was hat dies aber mit den Bildern zu thun, die wir malen? fragte Feodora. Höre mich. Ich zählte eilf Jahre, als meine Verwandten, denen mein Dasein störend und lästig war, in diese Klostermauern mich begruben. Ich war von der Stunde an für sie todt. Sie konnten ihre habsüchtigen Plane nach allen Richtungen hin ins Werk richten; niemals trat ihnen mehr das blasse kleine Mädchen in den Weg, das flehend um Brod und Kleid die magern Arme ihnen entgegenhielt. Ich war todt. Hier im Kloster

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/21>, abgerufen am 24.11.2024.