Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und zogen eben so mit Gesang in die Hallen ein, die mit wilden Schweinsköpfen, Rehgeweihen und Bärentatzen geziert waren, und die von dem wilden Lärm einer zechenden Jagdbrüderschaft einst widerhallten. Nach wieder hergestellter Ruhe wurde in dem darauf folgenden Jahre eine Deputation nach Petersburg gesendet, und diese kehrte heim, mit Geschenken und Ehrenbezeigungen beladen. Der Ankauf von drei gutversehenen Höfen nebst einigen Bezirken Waldes war die Folge der steigenden Reichthümer des Klosters. Die Nonnen gaben jetzt das Bildermalen auf und lebten wie reiche Frauen im Schooße des Nichtsthuns und der Ueppigkeit fast ein halbes Jahrhundert hindurch. Dann traf in jenen unruhigen Zeiten, die der Thronbesteigung Peter's des Ersten vorangingen, das Kloster aufs Neue Mißgeschick und Verfolgung. Es verlor seine Schätze, und die Nonnen kehrten zu ihrer ausgespannten Leinewand und ihren Holztafeln zurück, indem sie sich von Neuem anschickten, Glorienscheine von Goldblech und Blumen aus Silberzindel zu verfertigen. Es kostete Mühe, wieder die alte Kundschaft zu erlangen und den Ruf des Klosters zu erneuen, den es in den Jahren des Müßiggangs und der Schwelgerei eingebüßt hatte, allein das glückte dennoch, und die Bestellungen liefen von Jahr zu Jahr zahlreicher ein.

Bis zu den neuesten Zeiten, in denen unsre Geschichte spielt, war das Glück und die Wohlhabenheit des Klosters im Steigen; gleichwohl war der Grad der

und zogen eben so mit Gesang in die Hallen ein, die mit wilden Schweinsköpfen, Rehgeweihen und Bärentatzen geziert waren, und die von dem wilden Lärm einer zechenden Jagdbrüderschaft einst widerhallten. Nach wieder hergestellter Ruhe wurde in dem darauf folgenden Jahre eine Deputation nach Petersburg gesendet, und diese kehrte heim, mit Geschenken und Ehrenbezeigungen beladen. Der Ankauf von drei gutversehenen Höfen nebst einigen Bezirken Waldes war die Folge der steigenden Reichthümer des Klosters. Die Nonnen gaben jetzt das Bildermalen auf und lebten wie reiche Frauen im Schooße des Nichtsthuns und der Ueppigkeit fast ein halbes Jahrhundert hindurch. Dann traf in jenen unruhigen Zeiten, die der Thronbesteigung Peter's des Ersten vorangingen, das Kloster aufs Neue Mißgeschick und Verfolgung. Es verlor seine Schätze, und die Nonnen kehrten zu ihrer ausgespannten Leinewand und ihren Holztafeln zurück, indem sie sich von Neuem anschickten, Glorienscheine von Goldblech und Blumen aus Silberzindel zu verfertigen. Es kostete Mühe, wieder die alte Kundschaft zu erlangen und den Ruf des Klosters zu erneuen, den es in den Jahren des Müßiggangs und der Schwelgerei eingebüßt hatte, allein das glückte dennoch, und die Bestellungen liefen von Jahr zu Jahr zahlreicher ein.

Bis zu den neuesten Zeiten, in denen unsre Geschichte spielt, war das Glück und die Wohlhabenheit des Klosters im Steigen; gleichwohl war der Grad der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013"/>
und zogen eben so mit Gesang in die Hallen ein, die mit wilden                Schweinsköpfen, Rehgeweihen und Bärentatzen geziert waren, und die von dem wilden                Lärm einer zechenden Jagdbrüderschaft einst widerhallten. Nach wieder hergestellter                Ruhe wurde in dem darauf folgenden Jahre eine Deputation nach Petersburg gesendet,                und diese kehrte heim, mit Geschenken und Ehrenbezeigungen beladen. Der Ankauf von                drei gutversehenen Höfen nebst einigen Bezirken Waldes war die Folge der steigenden                Reichthümer des Klosters. Die Nonnen gaben jetzt das Bildermalen auf und lebten wie                reiche Frauen im Schooße des Nichtsthuns und der Ueppigkeit fast ein halbes                Jahrhundert hindurch. Dann traf in jenen unruhigen Zeiten, die der Thronbesteigung                Peter's des Ersten vorangingen, das Kloster aufs Neue Mißgeschick und Verfolgung. Es                verlor seine Schätze, und die Nonnen kehrten zu ihrer ausgespannten Leinewand und                ihren Holztafeln zurück, indem sie sich von Neuem anschickten, Glorienscheine von                Goldblech und Blumen aus Silberzindel zu verfertigen. Es kostete Mühe, wieder die                alte Kundschaft zu erlangen und den Ruf des Klosters zu erneuen, den es in den Jahren                des Müßiggangs und der Schwelgerei eingebüßt hatte, allein das glückte dennoch, und                die Bestellungen liefen von Jahr zu Jahr zahlreicher ein.</p><lb/>
        <p>Bis zu den neuesten Zeiten, in denen unsre Geschichte spielt, war das Glück und die                Wohlhabenheit des Klosters im Steigen; gleichwohl war der Grad der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] und zogen eben so mit Gesang in die Hallen ein, die mit wilden Schweinsköpfen, Rehgeweihen und Bärentatzen geziert waren, und die von dem wilden Lärm einer zechenden Jagdbrüderschaft einst widerhallten. Nach wieder hergestellter Ruhe wurde in dem darauf folgenden Jahre eine Deputation nach Petersburg gesendet, und diese kehrte heim, mit Geschenken und Ehrenbezeigungen beladen. Der Ankauf von drei gutversehenen Höfen nebst einigen Bezirken Waldes war die Folge der steigenden Reichthümer des Klosters. Die Nonnen gaben jetzt das Bildermalen auf und lebten wie reiche Frauen im Schooße des Nichtsthuns und der Ueppigkeit fast ein halbes Jahrhundert hindurch. Dann traf in jenen unruhigen Zeiten, die der Thronbesteigung Peter's des Ersten vorangingen, das Kloster aufs Neue Mißgeschick und Verfolgung. Es verlor seine Schätze, und die Nonnen kehrten zu ihrer ausgespannten Leinewand und ihren Holztafeln zurück, indem sie sich von Neuem anschickten, Glorienscheine von Goldblech und Blumen aus Silberzindel zu verfertigen. Es kostete Mühe, wieder die alte Kundschaft zu erlangen und den Ruf des Klosters zu erneuen, den es in den Jahren des Müßiggangs und der Schwelgerei eingebüßt hatte, allein das glückte dennoch, und die Bestellungen liefen von Jahr zu Jahr zahlreicher ein. Bis zu den neuesten Zeiten, in denen unsre Geschichte spielt, war das Glück und die Wohlhabenheit des Klosters im Steigen; gleichwohl war der Grad der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/13
Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/13>, abgerufen am 26.04.2024.