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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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bock erscheinen ließ, abgesehen davon, daß der unter dem Pferde befindliche Drache dann wie ein Hündchen in einer vollgepfropften Postkutsche unter den Füßen der Reisenden zusammengedrückt zu liegen kam. Diese Annahme wurde daher verworfen und der helle Punkt im Gemälde für den feuerspeienden Rachen der Unthiers erklärt. Aber diese Interpretation fand auch ihre Schwierigkeiten; man wußte nicht wohin jetzt mit dem Kopfe des Ritters und mit der Figur des Pferdes; endlich, da alles Grübeln nichts half, überzog man eine Leinewand mit schwarzer Farbe und legte dann das Goldblech darauf, das man auf minutiöseste Weise in allen Ausschnitten, Ausbeugungen und Beulen wiedergab. Die Käufer waren vollkommen zufrieden. Wir haben diesen Umstand so ausführlich behandelt, weil sich hieraus der Standpunkt angeben läßt, auf dem die Kunst der Bilderfabrication damals in unserm Kloster stand. Sie ist seitdem nicht viel höher gerückt.

Einige Jahrzehnte nach den obigen Ereignissen erlitt das Kloster einen Brand und eine Plünderung. Durch den Muth und die Aufopferung des weltlichen Schutzherrn wurden dem heiligen Hause seine Schätze und Kleinodien erhalten, allein die Mauern hatten so arge Beschädigungen hinnehmen müssen, daß die Bewohnerschaft auf ein Jahr auswandern und sich in einem ehemaligen Jagdschlosse einquartiren mußte. Die Nonnen mit ihren Farbentöpfen, ihren Paletten und Staffeleien pilgerten mit Gesang aus den Ruinen ihres Klosters

bock erscheinen ließ, abgesehen davon, daß der unter dem Pferde befindliche Drache dann wie ein Hündchen in einer vollgepfropften Postkutsche unter den Füßen der Reisenden zusammengedrückt zu liegen kam. Diese Annahme wurde daher verworfen und der helle Punkt im Gemälde für den feuerspeienden Rachen der Unthiers erklärt. Aber diese Interpretation fand auch ihre Schwierigkeiten; man wußte nicht wohin jetzt mit dem Kopfe des Ritters und mit der Figur des Pferdes; endlich, da alles Grübeln nichts half, überzog man eine Leinewand mit schwarzer Farbe und legte dann das Goldblech darauf, das man auf minutiöseste Weise in allen Ausschnitten, Ausbeugungen und Beulen wiedergab. Die Käufer waren vollkommen zufrieden. Wir haben diesen Umstand so ausführlich behandelt, weil sich hieraus der Standpunkt angeben läßt, auf dem die Kunst der Bilderfabrication damals in unserm Kloster stand. Sie ist seitdem nicht viel höher gerückt.

Einige Jahrzehnte nach den obigen Ereignissen erlitt das Kloster einen Brand und eine Plünderung. Durch den Muth und die Aufopferung des weltlichen Schutzherrn wurden dem heiligen Hause seine Schätze und Kleinodien erhalten, allein die Mauern hatten so arge Beschädigungen hinnehmen müssen, daß die Bewohnerschaft auf ein Jahr auswandern und sich in einem ehemaligen Jagdschlosse einquartiren mußte. Die Nonnen mit ihren Farbentöpfen, ihren Paletten und Staffeleien pilgerten mit Gesang aus den Ruinen ihres Klosters

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/12>, abgerufen am 29.03.2024.