Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und lieblichem Fluge die Kirche zu verlassen. Die Nonnen, die hinter ihrem Gitter dem Wunder zuschauten, erklärten die Taube für den Geist der heiligen Anna, die da gekommen war, dem herrlichen Wunderthäter Georg, diesem christlichen Helden und Ritter ohne Furcht und Tadel, ihre Begrüßung in den ihr geheiligten Mauern darzubringen. Als es bekannt wurde, daß das Bild des heiligen Georg's in dem Besitze der Nonnen war, gingen aus weiter Ferne Bestellungen ein, die eine Copie dieses Bildes forderten. Es war dies eine schwierige Aufgabe. Etwas zu malen, was gar nicht existirte, eine Copie von einem Gegenstand zu geben, der im Original gleichsam gar nicht vorhanden war, -- man mußte die guten Nonnen entschuldigen, wenn sie in diesem Falle auf seltsame Auswege geriethen. Das heilige Bild durfte nicht herabgenommen und noch weniger ganz in der Nähe mit einer profanen Aufmerksamkeit betrachtet, wohl gar durch ein Glas untersucht werden; was man jedoch aus erlaubter Ferne gewahrte, war, wie gesagt, nichts als ein schwarzer Klex von einiger Ausdehnung. Wenn das Auge, das sich an das Dämmerlicht der Kapelle gewöhnt hatte, mit einer leidenschaftlichen und nicht ermüdenden Anstrengung hinstarrte, so wurde aus dem Dunkel ein einzelner dürftiger heller Farbenfleck bemerkbar; dies mußte nun das Gesicht des Heiligen sein. Allein wenn hier sein Kopf war, so wurde damit das Pferd zu einer Größe herabgedrückt, die es wie einen mäßigen Ziegen- und lieblichem Fluge die Kirche zu verlassen. Die Nonnen, die hinter ihrem Gitter dem Wunder zuschauten, erklärten die Taube für den Geist der heiligen Anna, die da gekommen war, dem herrlichen Wunderthäter Georg, diesem christlichen Helden und Ritter ohne Furcht und Tadel, ihre Begrüßung in den ihr geheiligten Mauern darzubringen. Als es bekannt wurde, daß das Bild des heiligen Georg's in dem Besitze der Nonnen war, gingen aus weiter Ferne Bestellungen ein, die eine Copie dieses Bildes forderten. Es war dies eine schwierige Aufgabe. Etwas zu malen, was gar nicht existirte, eine Copie von einem Gegenstand zu geben, der im Original gleichsam gar nicht vorhanden war, — man mußte die guten Nonnen entschuldigen, wenn sie in diesem Falle auf seltsame Auswege geriethen. Das heilige Bild durfte nicht herabgenommen und noch weniger ganz in der Nähe mit einer profanen Aufmerksamkeit betrachtet, wohl gar durch ein Glas untersucht werden; was man jedoch aus erlaubter Ferne gewahrte, war, wie gesagt, nichts als ein schwarzer Klex von einiger Ausdehnung. Wenn das Auge, das sich an das Dämmerlicht der Kapelle gewöhnt hatte, mit einer leidenschaftlichen und nicht ermüdenden Anstrengung hinstarrte, so wurde aus dem Dunkel ein einzelner dürftiger heller Farbenfleck bemerkbar; dies mußte nun das Gesicht des Heiligen sein. Allein wenn hier sein Kopf war, so wurde damit das Pferd zu einer Größe herabgedrückt, die es wie einen mäßigen Ziegen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011"/> und lieblichem Fluge die Kirche zu verlassen. Die Nonnen, die hinter ihrem Gitter dem Wunder zuschauten, erklärten die Taube für den Geist der heiligen Anna, die da gekommen war, dem herrlichen Wunderthäter Georg, diesem christlichen Helden und Ritter ohne Furcht und Tadel, ihre Begrüßung in den ihr geheiligten Mauern darzubringen.</p><lb/> <p>Als es bekannt wurde, daß das Bild des heiligen Georg's in dem Besitze der Nonnen war, gingen aus weiter Ferne Bestellungen ein, die eine Copie dieses Bildes forderten. Es war dies eine schwierige Aufgabe. Etwas zu malen, was gar nicht existirte, eine Copie von einem Gegenstand zu geben, der im Original gleichsam gar nicht vorhanden war, — man mußte die guten Nonnen entschuldigen, wenn sie in diesem Falle auf seltsame Auswege geriethen. Das heilige Bild durfte nicht herabgenommen und noch weniger ganz in der Nähe mit einer profanen Aufmerksamkeit betrachtet, wohl gar durch ein Glas untersucht werden; was man jedoch aus erlaubter Ferne gewahrte, war, wie gesagt, nichts als ein schwarzer Klex von einiger Ausdehnung. Wenn das Auge, das sich an das Dämmerlicht der Kapelle gewöhnt hatte, mit einer leidenschaftlichen und nicht ermüdenden Anstrengung hinstarrte, so wurde aus dem Dunkel ein einzelner dürftiger heller Farbenfleck bemerkbar; dies mußte nun das Gesicht des Heiligen sein. Allein wenn hier sein Kopf war, so wurde damit das Pferd zu einer Größe herabgedrückt, die es wie einen mäßigen Ziegen-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
und lieblichem Fluge die Kirche zu verlassen. Die Nonnen, die hinter ihrem Gitter dem Wunder zuschauten, erklärten die Taube für den Geist der heiligen Anna, die da gekommen war, dem herrlichen Wunderthäter Georg, diesem christlichen Helden und Ritter ohne Furcht und Tadel, ihre Begrüßung in den ihr geheiligten Mauern darzubringen.
Als es bekannt wurde, daß das Bild des heiligen Georg's in dem Besitze der Nonnen war, gingen aus weiter Ferne Bestellungen ein, die eine Copie dieses Bildes forderten. Es war dies eine schwierige Aufgabe. Etwas zu malen, was gar nicht existirte, eine Copie von einem Gegenstand zu geben, der im Original gleichsam gar nicht vorhanden war, — man mußte die guten Nonnen entschuldigen, wenn sie in diesem Falle auf seltsame Auswege geriethen. Das heilige Bild durfte nicht herabgenommen und noch weniger ganz in der Nähe mit einer profanen Aufmerksamkeit betrachtet, wohl gar durch ein Glas untersucht werden; was man jedoch aus erlaubter Ferne gewahrte, war, wie gesagt, nichts als ein schwarzer Klex von einiger Ausdehnung. Wenn das Auge, das sich an das Dämmerlicht der Kapelle gewöhnt hatte, mit einer leidenschaftlichen und nicht ermüdenden Anstrengung hinstarrte, so wurde aus dem Dunkel ein einzelner dürftiger heller Farbenfleck bemerkbar; dies mußte nun das Gesicht des Heiligen sein. Allein wenn hier sein Kopf war, so wurde damit das Pferd zu einer Größe herabgedrückt, die es wie einen mäßigen Ziegen-
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Zitationshilfe: | Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/11>, abgerufen am 23.07.2024. |