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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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gegenseitige Komplimente, einer sprach von den
ungeheuern Talenten des andern, ließ aber da-
bei doch seinen Neid ziemlich deutlich hervor-
blicken. Der eine sprach von seinen Idyllen,
die einer seiner Feinde in einer gelehrten Schrift
heruntergesetzt habe, weil er ihm seinen großen
Ruhm beneide, er bat die andern Dichter eine
Satyre auf diese Zurücksetzung zu schreiben, und
man sprach mit einem Eifer und Feuer von der
ganzen Kinderei, als wenn das Wohl der Welt
darauf beruhe. Der Dichter sprach immer lang-
sam und accentuirte jedes Wort hart und feier-
lich; der andere bildete sich wieder ein lebhafter
zu seyn, und schrie und sprach schneller, jeder
hielt es für nothwendig, irgend etwas Charak-
teristisches an sich zu haben, damit nicht die
großen Seelen so leicht miteinander verwechselt
würden. Ach das Brausen von Mühlrädern ist
verständiger und angenehmer als das Klappern
der menschlichen Kinnbacken, der Mensch steht
unter den Affen, eben deswegen, weil er die
Sprache hat, denn sie ist die kläglichste und un-
sinnigste Spielerei; -- mir gingen hundert wil-
de Gedanken mit harten Tritten durch den
Kopf, alle diese Menschen wurden plötzlich so

Lovell. 2. Bd. C

gegenſeitige Komplimente, einer ſprach von den
ungeheuern Talenten des andern, ließ aber da-
bei doch ſeinen Neid ziemlich deutlich hervor-
blicken. Der eine ſprach von ſeinen Idyllen,
die einer ſeiner Feinde in einer gelehrten Schrift
heruntergeſetzt habe, weil er ihm ſeinen großen
Ruhm beneide, er bat die andern Dichter eine
Satyre auf dieſe Zuruͤckſetzung zu ſchreiben, und
man ſprach mit einem Eifer und Feuer von der
ganzen Kinderei, als wenn das Wohl der Welt
darauf beruhe. Der Dichter ſprach immer lang-
ſam und accentuirte jedes Wort hart und feier-
lich; der andere bildete ſich wieder ein lebhafter
zu ſeyn, und ſchrie und ſprach ſchneller, jeder
hielt es fuͤr nothwendig, irgend etwas Charak-
teriſtiſches an ſich zu haben, damit nicht die
großen Seelen ſo leicht miteinander verwechſelt
wuͤrden. Ach das Brauſen von Muͤhlraͤdern iſt
verſtaͤndiger und angenehmer als das Klappern
der menſchlichen Kinnbacken, der Menſch ſteht
unter den Affen, eben deswegen, weil er die
Sprache hat, denn ſie iſt die klaͤglichſte und un-
ſinnigſte Spielerei; — mir gingen hundert wil-
de Gedanken mit harten Tritten durch den
Kopf, alle dieſe Menſchen wurden ploͤtzlich ſo

Lovell. 2. Bd. C
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[33/0039] gegenſeitige Komplimente, einer ſprach von den ungeheuern Talenten des andern, ließ aber da- bei doch ſeinen Neid ziemlich deutlich hervor- blicken. Der eine ſprach von ſeinen Idyllen, die einer ſeiner Feinde in einer gelehrten Schrift heruntergeſetzt habe, weil er ihm ſeinen großen Ruhm beneide, er bat die andern Dichter eine Satyre auf dieſe Zuruͤckſetzung zu ſchreiben, und man ſprach mit einem Eifer und Feuer von der ganzen Kinderei, als wenn das Wohl der Welt darauf beruhe. Der Dichter ſprach immer lang- ſam und accentuirte jedes Wort hart und feier- lich; der andere bildete ſich wieder ein lebhafter zu ſeyn, und ſchrie und ſprach ſchneller, jeder hielt es fuͤr nothwendig, irgend etwas Charak- teriſtiſches an ſich zu haben, damit nicht die großen Seelen ſo leicht miteinander verwechſelt wuͤrden. Ach das Brauſen von Muͤhlraͤdern iſt verſtaͤndiger und angenehmer als das Klappern der menſchlichen Kinnbacken, der Menſch ſteht unter den Affen, eben deswegen, weil er die Sprache hat, denn ſie iſt die klaͤglichſte und un- ſinnigſte Spielerei; — mir gingen hundert wil- de Gedanken mit harten Tritten durch den Kopf, alle dieſe Menſchen wurden ploͤtzlich ſo Lovell. 2. Bd. C

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/39>, abgerufen am 26.04.2024.