lächerlich, possenhaft und weinerlich alles, alles, selbst Sterben und Verwesen ist? --
Manche von den Menschen, die mich besu- chen, geben sich viele Mühe sich zu meinem kran- ken Verstande herabzulassen, wenn sie von ihren wichtigen Armseligkeiten sprechen. Sie glau- ben, ich verstehe sie nicht, wenn ich über dem düstern Abgrunde meiner Seele brüte, und setzen mir dann auf eine ekelhafte Art ihre Zwergge- danken auseinander. Ich höre sie in meiner Spannung zuweilen wie aus einer tiefen Ferne in meine Seele hineinreden, wie ein unartiku- lirter Wasserfall, der gegen die Ufer schlägt, ich antworte ihnen mit Worten, ohne sie zu überle- gen, und sie verlassen mich mit tiefem Bedauern und halten mich für höchst unglückselig, weil ich ihre tiefen Ideen nicht verstehe, wie sie meinen.
Neulich war ich in einer Gesellschaft von ei- nigen Menschen, die sich untereinander Freunde nannten. Es waren Künstler, und zwei darun- ter hielten sich für Dichter. Man hatte mich aus Mitleid gebeten, um mich zu zerstreuen und meinen trüben Geist aufzuheitern. Ich saß wie eine Statüe unter ihnen, und hörte dabei jedes Wort, das sie sprachen. Man machte sich
gegen-
laͤcherlich, poſſenhaft und weinerlich alles, alles, ſelbſt Sterben und Verweſen iſt? —
Manche von den Menſchen, die mich beſu- chen, geben ſich viele Muͤhe ſich zu meinem kran- ken Verſtande herabzulaſſen, wenn ſie von ihren wichtigen Armſeligkeiten ſprechen. Sie glau- ben, ich verſtehe ſie nicht, wenn ich uͤber dem duͤſtern Abgrunde meiner Seele bruͤte, und ſetzen mir dann auf eine ekelhafte Art ihre Zwergge- danken auseinander. Ich hoͤre ſie in meiner Spannung zuweilen wie aus einer tiefen Ferne in meine Seele hineinreden, wie ein unartiku- lirter Waſſerfall, der gegen die Ufer ſchlaͤgt, ich antworte ihnen mit Worten, ohne ſie zu uͤberle- gen, und ſie verlaſſen mich mit tiefem Bedauern und halten mich fuͤr hoͤchſt ungluͤckſelig, weil ich ihre tiefen Ideen nicht verſtehe, wie ſie meinen.
Neulich war ich in einer Geſellſchaft von ei- nigen Menſchen, die ſich untereinander Freunde nannten. Es waren Kuͤnſtler, und zwei darun- ter hielten ſich fuͤr Dichter. Man hatte mich aus Mitleid gebeten, um mich zu zerſtreuen und meinen truͤben Geiſt aufzuheitern. Ich ſaß wie eine Statuͤe unter ihnen, und hoͤrte dabei jedes Wort, das ſie ſprachen. Man machte ſich
gegen-
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laͤcherlich, poſſenhaft und weinerlich alles, alles,
ſelbſt Sterben und Verweſen iſt? —
Manche von den Menſchen, die mich beſu-
chen, geben ſich viele Muͤhe ſich zu meinem kran-
ken Verſtande herabzulaſſen, wenn ſie von ihren
wichtigen Armſeligkeiten ſprechen. Sie glau-
ben, ich verſtehe ſie nicht, wenn ich uͤber dem
duͤſtern Abgrunde meiner Seele bruͤte, und ſetzen
mir dann auf eine ekelhafte Art ihre Zwergge-
danken auseinander. Ich hoͤre ſie in meiner
Spannung zuweilen wie aus einer tiefen Ferne
in meine Seele hineinreden, wie ein unartiku-
lirter Waſſerfall, der gegen die Ufer ſchlaͤgt, ich
antworte ihnen mit Worten, ohne ſie zu uͤberle-
gen, und ſie verlaſſen mich mit tiefem Bedauern
und halten mich fuͤr hoͤchſt ungluͤckſelig, weil
ich ihre tiefen Ideen nicht verſtehe, wie ſie meinen.
Neulich war ich in einer Geſellſchaft von ei-
nigen Menſchen, die ſich untereinander Freunde
nannten. Es waren Kuͤnſtler, und zwei darun-
ter hielten ſich fuͤr Dichter. Man hatte mich
aus Mitleid gebeten, um mich zu zerſtreuen
und meinen truͤben Geiſt aufzuheitern. Ich ſaß
wie eine Statuͤe unter ihnen, und hoͤrte dabei
jedes Wort, das ſie ſprachen. Man machte ſich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/38>, abgerufen am 18.12.2024.
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