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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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sprach von meinem gestorbenen Vater und schil-
derte ihn genau nach seiner Gesichtsbildung und
Sprache. Ich war gerührt und er fuhr fort,
ja er sprach endlich ganz mit seinem Tone und
sagte einige Worte, die sich mein Vater ange-
wöhnt hatte, und die ich unendlich oft von
ihm gehört habe. Ich fuhr auf, weil ich dach-
te, mein Vater sey wirklich zugegen, ich frag-
te ihn, ob er ihn gekannt habe und er betheu-
erte das Gegentheil; ich war in die Jahre mei-
ner Kindheit entrückt und sah starr auf die
Wand, um nicht in meiner Täuschung gestört
zu werden. Plötzlich fuhr wie ein Blitz ein
Schatten über die Wand hinweg, der ganz die
Bildung meines Vaters hatte, ich erkannte ihn
und er war verschwunden, seltsame Töne, wie
ich sie nie gehört habe, klangen ihm nach, das
ganze Gemach ward finster und der alte Andrea
saß gleichgültig neben mir, als wenn er nichts
bemerkt hätte.

Ein gewaltiger Schauder zog meine Seele
heftig zusammen, alle meine Nerven zuckten
mächtig, und mein ganzes Wesen krümmte sich
erschrocken, als wenn ich unvorsichtig an die

ſprach von meinem geſtorbenen Vater und ſchil-
derte ihn genau nach ſeiner Geſichtsbildung und
Sprache. Ich war geruͤhrt und er fuhr fort,
ja er ſprach endlich ganz mit ſeinem Tone und
ſagte einige Worte, die ſich mein Vater ange-
woͤhnt hatte, und die ich unendlich oft von
ihm gehoͤrt habe. Ich fuhr auf, weil ich dach-
te, mein Vater ſey wirklich zugegen, ich frag-
te ihn, ob er ihn gekannt habe und er betheu-
erte das Gegentheil; ich war in die Jahre mei-
ner Kindheit entruͤckt und ſah ſtarr auf die
Wand, um nicht in meiner Taͤuſchung geſtoͤrt
zu werden. Ploͤtzlich fuhr wie ein Blitz ein
Schatten uͤber die Wand hinweg, der ganz die
Bildung meines Vaters hatte, ich erkannte ihn
und er war verſchwunden, ſeltſame Toͤne, wie
ich ſie nie gehoͤrt habe, klangen ihm nach, das
ganze Gemach ward finſter und der alte Andrea
ſaß gleichguͤltig neben mir, als wenn er nichts
bemerkt haͤtte.

Ein gewaltiger Schauder zog meine Seele
heftig zuſammen, alle meine Nerven zuckten
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[312/0318] ſprach von meinem geſtorbenen Vater und ſchil- derte ihn genau nach ſeiner Geſichtsbildung und Sprache. Ich war geruͤhrt und er fuhr fort, ja er ſprach endlich ganz mit ſeinem Tone und ſagte einige Worte, die ſich mein Vater ange- woͤhnt hatte, und die ich unendlich oft von ihm gehoͤrt habe. Ich fuhr auf, weil ich dach- te, mein Vater ſey wirklich zugegen, ich frag- te ihn, ob er ihn gekannt habe und er betheu- erte das Gegentheil; ich war in die Jahre mei- ner Kindheit entruͤckt und ſah ſtarr auf die Wand, um nicht in meiner Taͤuſchung geſtoͤrt zu werden. Ploͤtzlich fuhr wie ein Blitz ein Schatten uͤber die Wand hinweg, der ganz die Bildung meines Vaters hatte, ich erkannte ihn und er war verſchwunden, ſeltſame Toͤne, wie ich ſie nie gehoͤrt habe, klangen ihm nach, das ganze Gemach ward finſter und der alte Andrea ſaß gleichguͤltig neben mir, als wenn er nichts bemerkt haͤtte. Ein gewaltiger Schauder zog meine Seele heftig zuſammen, alle meine Nerven zuckten maͤchtig, und mein ganzes Weſen kruͤmmte ſich erſchrocken, als wenn ich unvorſichtig an die

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/318>, abgerufen am 27.11.2024.