Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ging so recht aufmerksam und liebreich; Du
kennst wohl die närrische Art an den Pudeln,
Thomas, wenn sie so zutraulich und gesetzt hin-
ter einem hergehen. Oben stand Herr William
und sah so recht dreist in den tiefen fürchterli-
chen Abgrund hinein, als wenn er da in den
Steinklippen zu Hause gehörte: ich kann es
nicht leiden, Thomas, wenn ein Mensch so recht
oben auf einer Felsenklippe nicht etwas schwind-
licht wird, denn es liegt in der Natur und es
ist eine Art von Frechheit, sich nicht da oben
ein bischen zu fürchten. Nein, wie gesagt,
Herr William that das gar nicht, sondern gra-
de umgekehrt, er bückte sich noch so recht muth-
willig über. Der Hund, der mein Gemüth
haben mußte, faßte ihn beim Rockschooß, um
ihn fest zu halten; Herr William sah sich so mit
seinen großen Augen um, und gab dem redlichen
Pudel, einen tüchtigen Stoß mit dem Fuße, daß
der Hund sich zusammenkrümmte, umkehrte und
mit einem recht kläglichen Gewinsel den Berg
hinunter trabte, so langsam, als wenn er zur
Leiche ginge. In der Mitte sah sich der Hund
noch einmal um, und so, wie ich es voraus ge-
dacht hatte, fiel der Herr William jetzt plötzlich
in das Felsenthal hinunter. --


ging ſo recht aufmerkſam und liebreich; Du
kennſt wohl die naͤrriſche Art an den Pudeln,
Thomas, wenn ſie ſo zutraulich und geſetzt hin-
ter einem hergehen. Oben ſtand Herr William
und ſah ſo recht dreiſt in den tiefen fuͤrchterli-
chen Abgrund hinein, als wenn er da in den
Steinklippen zu Hauſe gehoͤrte: ich kann es
nicht leiden, Thomas, wenn ein Menſch ſo recht
oben auf einer Felſenklippe nicht etwas ſchwind-
licht wird, denn es liegt in der Natur und es
iſt eine Art von Frechheit, ſich nicht da oben
ein bischen zu fuͤrchten. Nein, wie geſagt,
Herr William that das gar nicht, ſondern gra-
de umgekehrt, er buͤckte ſich noch ſo recht muth-
willig uͤber. Der Hund, der mein Gemuͤth
haben mußte, faßte ihn beim Rockſchooß, um
ihn feſt zu halten; Herr William ſah ſich ſo mit
ſeinen großen Augen um, und gab dem redlichen
Pudel, einen tuͤchtigen Stoß mit dem Fuße, daß
der Hund ſich zuſammenkruͤmmte, umkehrte und
mit einem recht klaͤglichen Gewinſel den Berg
hinunter trabte, ſo langſam, als wenn er zur
Leiche ginge. In der Mitte ſah ſich der Hund
noch einmal um, und ſo, wie ich es voraus ge-
dacht hatte, fiel der Herr William jetzt ploͤtzlich
in das Felſenthal hinunter. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="12"/>
ging &#x017F;o recht aufmerk&#x017F;am und liebreich; Du<lb/>
kenn&#x017F;t wohl die na&#x0364;rri&#x017F;che Art an den Pudeln,<lb/>
Thomas, wenn &#x017F;ie &#x017F;o zutraulich und ge&#x017F;etzt hin-<lb/>
ter einem hergehen. Oben &#x017F;tand Herr William<lb/>
und &#x017F;ah &#x017F;o recht drei&#x017F;t in den tiefen fu&#x0364;rchterli-<lb/>
chen Abgrund hinein, als wenn er da in den<lb/>
Steinklippen zu Hau&#x017F;e geho&#x0364;rte: ich kann es<lb/>
nicht leiden, Thomas, wenn ein Men&#x017F;ch &#x017F;o recht<lb/>
oben auf einer Fel&#x017F;enklippe nicht etwas &#x017F;chwind-<lb/>
licht wird, denn es liegt in der Natur und es<lb/>
i&#x017F;t eine Art von Frechheit, &#x017F;ich nicht da oben<lb/>
ein bischen zu fu&#x0364;rchten. Nein, wie ge&#x017F;agt,<lb/>
Herr William that das gar nicht, &#x017F;ondern gra-<lb/>
de umgekehrt, er bu&#x0364;ckte &#x017F;ich noch &#x017F;o recht muth-<lb/>
willig u&#x0364;ber. Der Hund, der mein Gemu&#x0364;th<lb/>
haben mußte, faßte ihn beim Rock&#x017F;chooß, um<lb/>
ihn fe&#x017F;t zu halten; Herr William &#x017F;ah &#x017F;ich &#x017F;o mit<lb/>
&#x017F;einen großen Augen um, und gab dem redlichen<lb/>
Pudel, einen tu&#x0364;chtigen Stoß mit dem Fuße, daß<lb/>
der Hund &#x017F;ich zu&#x017F;ammenkru&#x0364;mmte, umkehrte und<lb/>
mit einem recht kla&#x0364;glichen Gewin&#x017F;el den Berg<lb/>
hinunter trabte, &#x017F;o lang&#x017F;am, als wenn er zur<lb/>
Leiche ginge. In der Mitte &#x017F;ah &#x017F;ich der Hund<lb/>
noch einmal um, und &#x017F;o, wie ich es voraus ge-<lb/>
dacht hatte, fiel der Herr William jetzt plo&#x0364;tzlich<lb/>
in das Fel&#x017F;enthal hinunter. &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] ging ſo recht aufmerkſam und liebreich; Du kennſt wohl die naͤrriſche Art an den Pudeln, Thomas, wenn ſie ſo zutraulich und geſetzt hin- ter einem hergehen. Oben ſtand Herr William und ſah ſo recht dreiſt in den tiefen fuͤrchterli- chen Abgrund hinein, als wenn er da in den Steinklippen zu Hauſe gehoͤrte: ich kann es nicht leiden, Thomas, wenn ein Menſch ſo recht oben auf einer Felſenklippe nicht etwas ſchwind- licht wird, denn es liegt in der Natur und es iſt eine Art von Frechheit, ſich nicht da oben ein bischen zu fuͤrchten. Nein, wie geſagt, Herr William that das gar nicht, ſondern gra- de umgekehrt, er buͤckte ſich noch ſo recht muth- willig uͤber. Der Hund, der mein Gemuͤth haben mußte, faßte ihn beim Rockſchooß, um ihn feſt zu halten; Herr William ſah ſich ſo mit ſeinen großen Augen um, und gab dem redlichen Pudel, einen tuͤchtigen Stoß mit dem Fuße, daß der Hund ſich zuſammenkruͤmmte, umkehrte und mit einem recht klaͤglichen Gewinſel den Berg hinunter trabte, ſo langſam, als wenn er zur Leiche ginge. In der Mitte ſah ſich der Hund noch einmal um, und ſo, wie ich es voraus ge- dacht hatte, fiel der Herr William jetzt ploͤtzlich in das Felſenthal hinunter. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/18
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/18>, abgerufen am 21.11.2024.