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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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aus purem liebem Muthwillen in einen tiefen
Brunnen fiel und elendiglich ersaufen mußte.
Ich kann nicht schwimmen, Thomas, ich bin
zu alt, um jemand wieder aus dem Wasser ans
Tageslicht zu ziehn. Was Herr William denkt,
kann ich nicht wissen, aber Gott mag ihm bei-
stehn, wenn er ganz verlassen ist.

Du wirst aus meinen Jammerliedern nicht
recht klug werden können, lieber Bruder! --
Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine
Wallisische Mundart spricht, und der nicht sitzet,
wo die Spötter sitzen, noch wandelt den Weg
der Gottlosen, den ich jetzt alle Tage mit mei-
nem Herrn gehn muß. Er ist nicht mehr derselbe,
er ist völlig ausgetauscht, er bringt sein Geld
durch, als wenn er die Schatzkammer hätte; --
aber das Geld ist doch am Ende immer nur ein
irdisches Gut, an dem Gott keinen Wohlgefal-
len hat, aber seine Seele, Tom, seine Seele,
die er von Gott geliehen bekommen hat, und
die er ihm dereinst wieder bezahlen sollte, ver-
schwendet er auch, als wenn Seelen nur so auf
allen Jahrmärkten zum Kaufe ständen. -- Wenn
er sich nicht bald wieder ändert, wird es mit
seiner Rechnung an dem großen Wechseltage

aus purem liebem Muthwillen in einen tiefen
Brunnen fiel und elendiglich erſaufen mußte.
Ich kann nicht ſchwimmen, Thomas, ich bin
zu alt, um jemand wieder aus dem Waſſer ans
Tageslicht zu ziehn. Was Herr William denkt,
kann ich nicht wiſſen, aber Gott mag ihm bei-
ſtehn, wenn er ganz verlaſſen iſt.

Du wirſt aus meinen Jammerliedern nicht
recht klug werden koͤnnen, lieber Bruder! —
Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine
Walliſiſche Mundart ſpricht, und der nicht ſitzet,
wo die Spoͤtter ſitzen, noch wandelt den Weg
der Gottloſen, den ich jetzt alle Tage mit mei-
nem Herrn gehn muß. Er iſt nicht mehr derſelbe,
er iſt voͤllig ausgetauſcht, er bringt ſein Geld
durch, als wenn er die Schatzkammer haͤtte; —
aber das Geld iſt doch am Ende immer nur ein
irdiſches Gut, an dem Gott keinen Wohlgefal-
len hat, aber ſeine Seele, Tom, ſeine Seele,
die er von Gott geliehen bekommen hat, und
die er ihm dereinſt wieder bezahlen ſollte, ver-
ſchwendet er auch, als wenn Seelen nur ſo auf
allen Jahrmaͤrkten zum Kaufe ſtaͤnden. — Wenn
er ſich nicht bald wieder aͤndert, wird es mit
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[7/0013] aus purem liebem Muthwillen in einen tiefen Brunnen fiel und elendiglich erſaufen mußte. Ich kann nicht ſchwimmen, Thomas, ich bin zu alt, um jemand wieder aus dem Waſſer ans Tageslicht zu ziehn. Was Herr William denkt, kann ich nicht wiſſen, aber Gott mag ihm bei- ſtehn, wenn er ganz verlaſſen iſt. Du wirſt aus meinen Jammerliedern nicht recht klug werden koͤnnen, lieber Bruder! — Ach, wohl dem Manne, dem das Elend eine Walliſiſche Mundart ſpricht, und der nicht ſitzet, wo die Spoͤtter ſitzen, noch wandelt den Weg der Gottloſen, den ich jetzt alle Tage mit mei- nem Herrn gehn muß. Er iſt nicht mehr derſelbe, er iſt voͤllig ausgetauſcht, er bringt ſein Geld durch, als wenn er die Schatzkammer haͤtte; — aber das Geld iſt doch am Ende immer nur ein irdiſches Gut, an dem Gott keinen Wohlgefal- len hat, aber ſeine Seele, Tom, ſeine Seele, die er von Gott geliehen bekommen hat, und die er ihm dereinſt wieder bezahlen ſollte, ver- ſchwendet er auch, als wenn Seelen nur ſo auf allen Jahrmaͤrkten zum Kaufe ſtaͤnden. — Wenn er ſich nicht bald wieder aͤndert, wird es mit ſeiner Rechnung an dem großen Wechſeltage

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/13>, abgerufen am 21.11.2024.