Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Hoff-Ceremoniel.
eine andere der Europäischen Sprachen, sondern
nur die Frantzösische allein in publiquen Nego-
tiis
und Conferentien zu gebrauchen pfleget.

1. Weil das Latein bey einem halben Seculo
her und darüber, nicht nur aus den meisten
Höfen der Souverainen exterminiret, und
an dessen Stelle das Frantzösische, Jtaliäni-
sche oder auch Spanische introduciret: das
von den Hoff-Leuten in der Jugend erler-
nete Latein dadurch vergessen, und man-
chen schwer worden, sich hernach in die-
ser Sprache deutlich gnug zu explici-
ren. Ja man hat selbiges so gar auf eini-
gen hohen Schulen andern Sprachen
nachgesetzt, und die Erudition und doctri-
nam
der Jugend lieber, (wiewohl auch mit
gutem Succeß) in derjenigen Sprache bey-
gebracht, welche in dem Lande üblich; wie
man denn weiß, daß in Franckreich nicht nur
die Lectiones, sondern auch meistens die
Disputationes im Frantzösischen: in En-
gelland in Englischer, in Jtalien in Jtaliä-
nischer, und auf einigen Deutschen Univer-
sit
äten theils in Deutscher, theis in Fran-
tzösischer Sprache gehalten werden; und
haben es auswertige Nationen uns Deut-
schen ehemahlen für einen grossen Jrrthum
und Unverstand ausgedeutet, daß man sich
so gar an das Latein binden, und die studi-
rende
Z

Hoff-Ceremoniel.
eine andere der Europaͤiſchen Sprachen, ſondern
nur die Frantzoͤſiſche allein in publiquen Nego-
tiis
und Conferentien zu gebrauchen pfleget.

1. Weil das Latein bey einem halben Seculo
her und daruͤber, nicht nur aus den meiſten
Hoͤfen der Souverainen exterminiret, und
an deſſen Stelle das Frantzoͤſiſche, Jtaliaͤni-
ſche oder auch Spaniſche introduciret: das
von den Hoff-Leuten in der Jugend erler-
nete Latein dadurch vergeſſen, und man-
chen ſchwer worden, ſich hernach in die-
ſer Sprache deutlich gnug zu explici-
ren. Ja man hat ſelbiges ſo gar auf eini-
gen hohen Schulen andern Sprachen
nachgeſetzt, und die Erudition und doctri-
nam
der Jugend lieber, (wiewohl auch mit
gutem Succeß) in derjenigen Sprache bey-
gebracht, welche in dem Lande uͤblich; wie
man denn weiß, daß in Franckreich nicht nur
die Lectiones, ſondern auch meiſtens die
Diſputationes im Frantzoͤſiſchen: in En-
gelland in Engliſcher, in Jtalien in Jtaliaͤ-
niſcher, und auf einigen Deutſchen Univer-
ſit
aͤten theils in Deutſcher, theis in Fran-
tzoͤſiſcher Sprache gehalten werden; und
haben es auswertige Nationen uns Deut-
ſchen ehemahlen fuͤr einen groſſen Jrrthum
und Unverſtand ausgedeutet, daß man ſich
ſo gar an das Latein binden, und die ſtudi-
rende
Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0381" n="353"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Hoff-</hi><hi rendition="#aq">Ceremoniel.</hi></fw><lb/>
eine andere der Europa&#x0364;i&#x017F;chen Sprachen, &#x017F;ondern<lb/>
nur die Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che allein in <hi rendition="#aq">publiqu</hi>en <hi rendition="#aq">Nego-<lb/>
tiis</hi> und <hi rendition="#aq">Conferenti</hi>en zu gebrauchen pfleget.</p><lb/>
            <list>
              <item>1. Weil das Latein bey einem halben <hi rendition="#aq">Seculo</hi><lb/>
her und daru&#x0364;ber, nicht nur aus den mei&#x017F;ten<lb/>
Ho&#x0364;fen der <hi rendition="#aq">Souverain</hi>en <hi rendition="#aq">extermini</hi>ret, und<lb/>
an de&#x017F;&#x017F;en Stelle das Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che, Jtalia&#x0364;ni-<lb/>
&#x017F;che oder auch Spani&#x017F;che <hi rendition="#aq">introduci</hi>ret: das<lb/>
von den Hoff-Leuten in der Jugend erler-<lb/>
nete <hi rendition="#aq">Latein</hi> dadurch verge&#x017F;&#x017F;en, und man-<lb/>
chen &#x017F;chwer worden, &#x017F;ich hernach in die-<lb/>
&#x017F;er Sprache deutlich gnug zu <hi rendition="#aq">explici-</hi><lb/>
ren. Ja man hat &#x017F;elbiges &#x017F;o gar auf eini-<lb/>
gen hohen Schulen andern Sprachen<lb/>
nachge&#x017F;etzt, und die <hi rendition="#aq">Eruditi</hi>on und <hi rendition="#aq">doctri-<lb/>
nam</hi> der Jugend lieber, (wiewohl auch mit<lb/>
gutem <hi rendition="#aq">Succeß</hi>) in derjenigen Sprache bey-<lb/>
gebracht, welche in dem Lande u&#x0364;blich; wie<lb/>
man denn weiß, daß in Franckreich nicht nur<lb/>
die <hi rendition="#aq">Lectiones,</hi> &#x017F;ondern auch mei&#x017F;tens die<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;putationes</hi> im Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen: in En-<lb/>
gelland in Engli&#x017F;cher, in Jtalien in Jtalia&#x0364;-<lb/>
ni&#x017F;cher, und auf einigen Deut&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Univer-<lb/>
&#x017F;it</hi>a&#x0364;ten theils in Deut&#x017F;cher, theis in Fran-<lb/>
tzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Sprache gehalten werden; und<lb/>
haben es auswertige Nationen uns Deut-<lb/>
&#x017F;chen ehemahlen fu&#x0364;r einen gro&#x017F;&#x017F;en Jrrthum<lb/>
und Unver&#x017F;tand ausgedeutet, daß man &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o gar an das Latein binden, und die <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">ren</hi>de</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0381] Hoff-Ceremoniel. eine andere der Europaͤiſchen Sprachen, ſondern nur die Frantzoͤſiſche allein in publiquen Nego- tiis und Conferentien zu gebrauchen pfleget. 1. Weil das Latein bey einem halben Seculo her und daruͤber, nicht nur aus den meiſten Hoͤfen der Souverainen exterminiret, und an deſſen Stelle das Frantzoͤſiſche, Jtaliaͤni- ſche oder auch Spaniſche introduciret: das von den Hoff-Leuten in der Jugend erler- nete Latein dadurch vergeſſen, und man- chen ſchwer worden, ſich hernach in die- ſer Sprache deutlich gnug zu explici- ren. Ja man hat ſelbiges ſo gar auf eini- gen hohen Schulen andern Sprachen nachgeſetzt, und die Erudition und doctri- nam der Jugend lieber, (wiewohl auch mit gutem Succeß) in derjenigen Sprache bey- gebracht, welche in dem Lande uͤblich; wie man denn weiß, daß in Franckreich nicht nur die Lectiones, ſondern auch meiſtens die Diſputationes im Frantzoͤſiſchen: in En- gelland in Engliſcher, in Jtalien in Jtaliaͤ- niſcher, und auf einigen Deutſchen Univer- ſitaͤten theils in Deutſcher, theis in Fran- tzoͤſiſcher Sprache gehalten werden; und haben es auswertige Nationen uns Deut- ſchen ehemahlen fuͤr einen groſſen Jrrthum und Unverſtand ausgedeutet, daß man ſich ſo gar an das Latein binden, und die ſtudi- rende Z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/381
Zitationshilfe: Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/381>, abgerufen am 06.05.2024.