Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Hoff-Ceremoniel.
andere aber, welcher darauf hat Antwort geben
sollen oder wollen, sich ebenfalls der Sprache be-
dienet, welche in seinem Vaterlande üblich; wenn
aber zu besorgen stunde: daß diese zwey, (wie et-
wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel)
einander nicht verstünden, hat man einen Dol-
metscher, welcher beyder Sprachen kündig, em-
ploi
ret, der was einer oder der andere geredet, re-
ciproce
erkläret, und so zu reden, beyden das Ver-
ständnüß unverständlicher Worte eröffnet hat.

§. 8.

Solche Gewohnheit ist auch noch heute
zu Tage, an vielen Höfen bey gegebener Audientz
bräuchlich: daß nemlich derjenige welcher sendet,
meistens in derselben Sprache welche in seinem
Lande geredet wird, den Vortrag thun lässet; der
Souverain aber, an welchen solche Gesandtschafft
gelanget, in seiner Landes-Sprache entweder
selbst antwortet, oder durch einen Minister ant-
worten lässet; und daferne so wohl der Souverain
als auch der Gesandte beyde Sprachen verstehen,
so hat es alsdenn keines Interpretis von nöthen:
wo nicht, so lässet man durch selbigen die Erklä-
rung thun.

§. 9.

Bey denen Friedens-Congressen aber,
auf welchen vielmahl Personen aus gar vielerley
Nationen und Zungen concurriren, welchen
theils nur einige auswertige, theils auch nur allein
ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an-
ders als bey denen Audientzen her. Und entstehet

viel-
Y 4

Hoff-Ceremoniel.
andere aber, welcher darauf hat Antwort geben
ſollen oder wollen, ſich ebenfalls der Sprache be-
dienet, welche in ſeinem Vaterlande uͤblich; wenn
aber zu beſorgen ſtunde: daß dieſe zwey, (wie et-
wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel)
einander nicht verſtuͤnden, hat man einen Dol-
metſcher, welcher beyder Sprachen kuͤndig, em-
ploi
ret, der was einer oder der andere geredet, re-
ciproce
erklaͤret, und ſo zu reden, beyden das Ver-
ſtaͤndnuͤß unverſtaͤndlicher Worte eroͤffnet hat.

§. 8.

Solche Gewohnheit iſt auch noch heute
zu Tage, an vielen Hoͤfen bey gegebener Audientz
braͤuchlich: daß nemlich derjenige welcher ſendet,
meiſtens in derſelben Sprache welche in ſeinem
Lande geredet wird, den Vortrag thun laͤſſet; der
Souverain aber, an welchen ſolche Geſandtſchafft
gelanget, in ſeiner Landes-Sprache entweder
ſelbſt antwortet, oder durch einen Miniſter ant-
worten laͤſſet; und daferne ſo wohl der Souverain
als auch der Geſandte beyde Sprachen verſtehen,
ſo hat es alsdenn keines Interpretis von noͤthen:
wo nicht, ſo laͤſſet man durch ſelbigen die Erklaͤ-
rung thun.

§. 9.

Bey denen Friedens-Congreſſen aber,
auf welchen vielmahl Perſonen aus gar vielerley
Nationen und Zungen concurriren, welchen
theils nur einige auswertige, theils auch nur allein
ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an-
ders als bey denen Audientzen her. Und entſtehet

viel-
Y 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0371" n="343"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Hoff-</hi><hi rendition="#aq">Ceremoniel.</hi></fw><lb/>
andere aber, welcher darauf hat Antwort geben<lb/>
&#x017F;ollen oder wollen, &#x017F;ich ebenfalls der Sprache be-<lb/>
dienet, welche in &#x017F;einem Vaterlande u&#x0364;blich; wenn<lb/>
aber zu be&#x017F;orgen &#x017F;tunde: daß die&#x017F;e zwey, (wie et-<lb/>
wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel)<lb/>
einander nicht ver&#x017F;tu&#x0364;nden, hat man einen Dol-<lb/>
met&#x017F;cher, welcher beyder Sprachen ku&#x0364;ndig, <hi rendition="#aq">em-<lb/>
ploi</hi>ret, der was einer oder der andere geredet, <hi rendition="#aq">re-<lb/>
ciproce</hi> erkla&#x0364;ret, und &#x017F;o zu reden, beyden das Ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndnu&#x0364;ß unver&#x017F;ta&#x0364;ndlicher Worte ero&#x0364;ffnet hat.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 8.</head>
            <p>Solche Gewohnheit i&#x017F;t auch noch heute<lb/>
zu Tage, an vielen Ho&#x0364;fen bey gegebener Audientz<lb/>
bra&#x0364;uchlich: daß nemlich derjenige welcher &#x017F;endet,<lb/>
mei&#x017F;tens in der&#x017F;elben Sprache welche in &#x017F;einem<lb/>
Lande geredet wird, den Vortrag thun la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et; der<lb/><hi rendition="#aq">Souverain</hi> aber, an welchen &#x017F;olche Ge&#x017F;andt&#x017F;chafft<lb/>
gelanget, in &#x017F;einer Landes-Sprache entweder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t antwortet, oder durch einen Mini&#x017F;ter ant-<lb/>
worten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et; und daferne &#x017F;o wohl der <hi rendition="#aq">Souverain</hi><lb/>
als auch der Ge&#x017F;andte beyde Sprachen ver&#x017F;tehen,<lb/>
&#x017F;o hat es alsdenn keines <hi rendition="#aq">Interpretis</hi> von no&#x0364;then:<lb/>
wo nicht, &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et man durch &#x017F;elbigen die Erkla&#x0364;-<lb/>
rung thun.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 9.</head>
            <p>Bey denen Friedens-<hi rendition="#aq">Congre&#x017F;&#x017F;</hi>en aber,<lb/>
auf welchen vielmahl Per&#x017F;onen aus gar vielerley<lb/>
Nationen und Zungen <hi rendition="#aq">concurri</hi>ren, welchen<lb/>
theils nur einige auswertige, theils auch nur allein<lb/>
ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an-<lb/>
ders als bey denen <hi rendition="#aq">Audien</hi>tzen her. Und ent&#x017F;tehet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw><fw place="bottom" type="catch">viel-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0371] Hoff-Ceremoniel. andere aber, welcher darauf hat Antwort geben ſollen oder wollen, ſich ebenfalls der Sprache be- dienet, welche in ſeinem Vaterlande uͤblich; wenn aber zu beſorgen ſtunde: daß dieſe zwey, (wie et- wan die Bau-Leute bey dem Thurm zu Babel) einander nicht verſtuͤnden, hat man einen Dol- metſcher, welcher beyder Sprachen kuͤndig, em- ploiret, der was einer oder der andere geredet, re- ciproce erklaͤret, und ſo zu reden, beyden das Ver- ſtaͤndnuͤß unverſtaͤndlicher Worte eroͤffnet hat. §. 8. Solche Gewohnheit iſt auch noch heute zu Tage, an vielen Hoͤfen bey gegebener Audientz braͤuchlich: daß nemlich derjenige welcher ſendet, meiſtens in derſelben Sprache welche in ſeinem Lande geredet wird, den Vortrag thun laͤſſet; der Souverain aber, an welchen ſolche Geſandtſchafft gelanget, in ſeiner Landes-Sprache entweder ſelbſt antwortet, oder durch einen Miniſter ant- worten laͤſſet; und daferne ſo wohl der Souverain als auch der Geſandte beyde Sprachen verſtehen, ſo hat es alsdenn keines Interpretis von noͤthen: wo nicht, ſo laͤſſet man durch ſelbigen die Erklaͤ- rung thun. §. 9. Bey denen Friedens-Congreſſen aber, auf welchen vielmahl Perſonen aus gar vielerley Nationen und Zungen concurriren, welchen theils nur einige auswertige, theils auch nur allein ihre Mutter-Sprache bekandt; gehet es gar an- ders als bey denen Audientzen her. Und entſtehet viel- Y 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/371
Zitationshilfe: Stieve, Gottfried: Europäisches Hoff-Ceremoniel. Leipzig, 1715, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stieve_hoffceremoniel_1715/371>, abgerufen am 07.05.2024.