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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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vordersten Gelencke zweyer Finger lincker Hand,
zum Zeitvertreibe abgebissen, und da dieselben, wie
man siehet, noch bis dato fehlen, ich dieselben auch
auf der Wahlstatt nirgends finden können; so kan
nicht anders glauben, als daß er sie par hazard ver-
schlungen habe.

Jch konte ihm endlich diese theuer genug bezahlte
zwey Bissen noch so ziemlich gönnen, und war nur
froh, daß an meinen zeithero gesammleten Schätzen
nichts fehlte, über dieses wurde ich noch mit dem
grösten Ruhm und Ehren fast überhäufft, weiln
nicht nur der Capitain, sondern auch die meisten an-
dern Mitarbeiter und Erfechter dieses Sieges, mir
wegen des eintzigen gewagten Streichs, den besten
Preiß zuerkandten. Mein Gemüth wäre der
überflüßigen Lobes-Erhebungen gern entübriget
gewesen, und hätte an dessen statt viel lieber eine ge-
schwinde Linderung der schmertzenden Leibes-
Wunden angenommen, weil ich, als ein auf beyden
Seiten blessirter, kaum auf dem Rücken liegend,
ein weni rasten konte, doch ein geschickter Chirur-
gus,
und meine gute Natur brachten es nächst
göttl. Hülffe so weit, daß ich in wenig Tagen wie-
derum auf dem obern Schiff-Boden herum zu
spatzieren vermögend war. Der Capitain, so mir
gleich bey meiner ersten Ausflucht entgegen kam,
und mich so munter sah, sagte mit Lachen: Monsi-
eur Wolffgang,
ich gratulire zum Ausgange, und
versichere, daß nichts als der Degen an eurer Seite
fehlet, uns zu überreden, daß ihr kein Patient mehr
seyd. Monseigneur, gab ich gleichfalls lächelnd
zur Antwort, wenn es nur daran fehlet, so will ich

den-

vorderſten Gelencke zweyer Finger lincker Hand,
zum Zeitvertreibe abgebiſſen, und da dieſelben, wie
man ſiehet, noch bis dato fehlen, ich dieſelben auch
auf der Wahlſtatt nirgends finden koͤnnen; ſo kan
nicht anders glauben, als daß er ſie par hazard ver-
ſchlungen habe.

Jch konte ihm endlich dieſe theuer genug bezahlte
zwey Biſſen noch ſo ziemlich goͤnnen, und war nur
froh, daß an meinen zeithero geſammleten Schaͤtzen
nichts fehlte, uͤber dieſes wurde ich noch mit dem
groͤſten Ruhm und Ehren faſt uͤberhaͤufft, weiln
nicht nur der Capitain, ſondern auch die meiſten an-
dern Mitarbeiter und Erfechter dieſes Sieges, mir
wegen des eintzigen gewagten Streichs, den beſten
Preiß zuerkandten. Mein Gemuͤth waͤre der
uͤberfluͤßigen Lobes-Erhebungen gern entuͤbriget
geweſen, und haͤtte an deſſen ſtatt viel lieber eine ge-
ſchwinde Linderung der ſchmertzenden Leibes-
Wunden angenommen, weil ich, als ein auf beyden
Seiten bleſſirter, kaum auf dem Ruͤcken liegend,
ein weni raſten konte, doch ein geſchickter Chirur-
gus,
und meine gute Natur brachten es naͤchſt
goͤttl. Huͤlffe ſo weit, daß ich in wenig Tagen wie-
derum auf dem obern Schiff-Boden herum zu
ſpatzieren vermoͤgend war. Der Capitain, ſo mir
gleich bey meiner erſten Ausflucht entgegen kam,
und mich ſo munter ſah, ſagte mit Lachen: Monſi-
eur Wolffgang,
ich gratulire zum Ausgange, und
verſichere, daß nichts als der Degen an eurer Seite
fehlet, uns zu uͤberreden, daß ihr kein Patient mehr
ſeyd. Monſeigneur, gab ich gleichfalls laͤchelnd
zur Antwort, wenn es nur daran fehlet, ſo will ich

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[59/0071] vorderſten Gelencke zweyer Finger lincker Hand, zum Zeitvertreibe abgebiſſen, und da dieſelben, wie man ſiehet, noch bis dato fehlen, ich dieſelben auch auf der Wahlſtatt nirgends finden koͤnnen; ſo kan nicht anders glauben, als daß er ſie par hazard ver- ſchlungen habe. Jch konte ihm endlich dieſe theuer genug bezahlte zwey Biſſen noch ſo ziemlich goͤnnen, und war nur froh, daß an meinen zeithero geſammleten Schaͤtzen nichts fehlte, uͤber dieſes wurde ich noch mit dem groͤſten Ruhm und Ehren faſt uͤberhaͤufft, weiln nicht nur der Capitain, ſondern auch die meiſten an- dern Mitarbeiter und Erfechter dieſes Sieges, mir wegen des eintzigen gewagten Streichs, den beſten Preiß zuerkandten. Mein Gemuͤth waͤre der uͤberfluͤßigen Lobes-Erhebungen gern entuͤbriget geweſen, und haͤtte an deſſen ſtatt viel lieber eine ge- ſchwinde Linderung der ſchmertzenden Leibes- Wunden angenommen, weil ich, als ein auf beyden Seiten bleſſirter, kaum auf dem Ruͤcken liegend, ein weni raſten konte, doch ein geſchickter Chirur- gus, und meine gute Natur brachten es naͤchſt goͤttl. Huͤlffe ſo weit, daß ich in wenig Tagen wie- derum auf dem obern Schiff-Boden herum zu ſpatzieren vermoͤgend war. Der Capitain, ſo mir gleich bey meiner erſten Ausflucht entgegen kam, und mich ſo munter ſah, ſagte mit Lachen: Monſi- eur Wolffgang, ich gratulire zum Ausgange, und verſichere, daß nichts als der Degen an eurer Seite fehlet, uns zu uͤberreden, daß ihr kein Patient mehr ſeyd. Monſeigneur, gab ich gleichfalls laͤchelnd zur Antwort, wenn es nur daran fehlet, ſo will ich den-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/71>, abgerufen am 24.11.2024.