Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

thiget war, gerieth ich bey solcher Gelegenheit mit
einem Litterato in Kundschafft, der eine gantz beson-
ders artige Conduite besaß. Er ließ den gantzen
Tag über auf dem Wagen vortrefflich mit sich reden
und umgehen, so bald wir aber des Abends gespei-
set, muste man ihn gemeiniglich ein Licht alleine ge-
ben, womit er sich von der übrigen Gesellschafft ab-
und an einen andern Tisch setzte, solchergestalt be-
ständig diejenigen geschriebenen Sachen laß, welche
er in einem zusammen gebundenen Paquet selten von
Abhänden kommen ließ. Sein Beutel war vor-
trefflich gespickt, und meine Person, deren damah-
liger Zustand eine genaue Wirthschafft erforderte,
profitirte ungemein von dessen Generosite, welche
er bey mir, als einem Feinde des Schmarotzens, sehr
artig anzubringen wuste. Dannenhero gerieth ich
auf die Gedancken, dieser Mensch müsse entweder
ein starcker Capitaliste oder gar ein Adeptus seyn,
indem er so viele güldene Species bey sich führete,
auch seine besondere Liebe zur Alchymie öffters in
Gesprächen verrieth.

Eines Tages war dieser gute Mensch der erste,
der den blasenden Postillon zu Gefallen hurtig auf
den Wagen steigen wolte, da mitlerweile ich nebst
zweyn Frauenzimmern und so viel Kauffmanns-
Dienern in der Thür des Gast-Hofs noch ein
Glas Wein ausleereten. Allein, er war so un-
glücklich, hierunter zu stürtzen, und da die frischen
Pferde hierdurch schüchtern gemacht wurden, gin-
gen ihm zwey Räder dermassen schnell über den Leib
und Brust, daß er so gleich halb todt zurück in das
Gast-Haus getragen werden muste.

Jch ließ die Post fahren, und blieb bey diesem

in
):( 4

thiget war, gerieth ich bey ſolcher Gelegenheit mit
einem Litterato in Kundſchafft, der eine gantz beſon-
ders artige Conduite beſaß. Er ließ den gantzen
Tag uͤber auf dem Wagen vortrefflich mit ſich reden
und umgehen, ſo bald wir aber des Abends geſpei-
ſet, muſte man ihn gemeiniglich ein Licht alleine ge-
ben, womit er ſich von der uͤbrigen Geſellſchafft ab-
und an einen andern Tiſch ſetzte, ſolchergeſtalt be-
ſtaͤndig diejenigen geſchriebenen Sachen laß, welche
er in einem zuſammen gebundenen Paquet ſelten von
Abhaͤnden kommen ließ. Sein Beutel war vor-
trefflich geſpickt, und meine Perſon, deren damah-
liger Zuſtand eine genaue Wirthſchafft erforderte,
profitirte ungemein von deſſen Generoſité, welche
er bey mir, als einem Feinde des Schmarotzens, ſehr
artig anzubringen wuſte. Dannenhero gerieth ich
auf die Gedancken, dieſer Menſch muͤſſe entweder
ein ſtarcker Capitaliſte oder gar ein Adeptus ſeyn,
indem er ſo viele guͤldene Species bey ſich fuͤhrete,
auch ſeine beſondere Liebe zur Alchymie oͤffters in
Geſpraͤchen verrieth.

Eines Tages war dieſer gute Menſch der erſte,
der den blaſenden Poſtillon zu Gefallen hurtig auf
den Wagen ſteigen wolte, da mitlerweile ich nebſt
zweyn Frauenzimmern und ſo viel Kauffmanns-
Dienern in der Thuͤr des Gaſt-Hofs noch ein
Glas Wein ausleereten. Allein, er war ſo un-
gluͤcklich, hierunter zu ſtuͤrtzen, und da die friſchen
Pferde hierdurch ſchuͤchtern gemacht wurden, gin-
gen ihm zwey Raͤder dermaſſen ſchnell uͤber den Leib
und Bruſt, daß er ſo gleich halb todt zuruͤck in das
Gaſt-Haus getragen werden muſte.

Jch ließ die Poſt fahren, und blieb bey dieſem

in
):( 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0007"/>
thiget war, gerieth ich bey &#x017F;olcher Gelegenheit mit<lb/>
einem <hi rendition="#aq">Litterato</hi> in Kund&#x017F;chafft, der eine gantz be&#x017F;on-<lb/>
ders artige <hi rendition="#aq">Conduite</hi> be&#x017F;aß. Er ließ den gantzen<lb/>
Tag u&#x0364;ber auf dem Wagen vortrefflich mit &#x017F;ich reden<lb/>
und umgehen, &#x017F;o bald wir aber des Abends ge&#x017F;pei-<lb/>
&#x017F;et, mu&#x017F;te man ihn gemeiniglich ein Licht alleine ge-<lb/>
ben, womit er &#x017F;ich von der u&#x0364;brigen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft ab-<lb/>
und an einen andern Ti&#x017F;ch &#x017F;etzte, &#x017F;olcherge&#x017F;talt be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig diejenigen ge&#x017F;chriebenen Sachen laß, welche<lb/>
er in einem zu&#x017F;ammen gebundenen <hi rendition="#aq">Paquet</hi> &#x017F;elten von<lb/>
Abha&#x0364;nden kommen ließ. Sein Beutel war vor-<lb/>
trefflich ge&#x017F;pickt, und meine Per&#x017F;on, deren damah-<lb/>
liger Zu&#x017F;tand eine genaue Wirth&#x017F;chafft erforderte,<lb/><hi rendition="#aq">profiti</hi>rte ungemein von de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Genero&#x017F;ité,</hi> welche<lb/>
er bey mir, als einem Feinde des Schmarotzens, &#x017F;ehr<lb/>
artig anzubringen wu&#x017F;te. Dannenhero gerieth ich<lb/>
auf die Gedancken, die&#x017F;er Men&#x017F;ch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e entweder<lb/>
ein &#x017F;tarcker <hi rendition="#aq">Capitali&#x017F;t</hi>e oder gar ein <hi rendition="#aq">Adeptus</hi> &#x017F;eyn,<lb/>
indem er &#x017F;o viele gu&#x0364;ldene <hi rendition="#aq">Species</hi> bey &#x017F;ich fu&#x0364;hrete,<lb/>
auch &#x017F;eine be&#x017F;ondere Liebe zur <hi rendition="#aq">Alchymie</hi> o&#x0364;ffters in<lb/>
Ge&#x017F;pra&#x0364;chen verrieth.</p><lb/>
        <p>Eines Tages war die&#x017F;er gute Men&#x017F;ch der er&#x017F;te,<lb/>
der den bla&#x017F;enden <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tillon</hi> zu Gefallen hurtig auf<lb/>
den Wagen &#x017F;teigen wolte, da mitlerweile ich neb&#x017F;t<lb/>
zweyn Frauenzimmern und &#x017F;o viel Kauffmanns-<lb/>
Dienern in der Thu&#x0364;r des Ga&#x017F;t-Hofs noch ein<lb/>
Glas Wein ausleereten. Allein, er war &#x017F;o un-<lb/>
glu&#x0364;cklich, hierunter zu &#x017F;tu&#x0364;rtzen, und da die fri&#x017F;chen<lb/>
Pferde hierdurch &#x017F;chu&#x0364;chtern gemacht wurden, gin-<lb/>
gen ihm zwey Ra&#x0364;der derma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chnell u&#x0364;ber den Leib<lb/>
und Bru&#x017F;t, daß er &#x017F;o gleich halb todt zuru&#x0364;ck in das<lb/>
Ga&#x017F;t-Haus getragen werden mu&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Jch ließ die Po&#x017F;t fahren, und blieb bey die&#x017F;em<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">):( 4</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] thiget war, gerieth ich bey ſolcher Gelegenheit mit einem Litterato in Kundſchafft, der eine gantz beſon- ders artige Conduite beſaß. Er ließ den gantzen Tag uͤber auf dem Wagen vortrefflich mit ſich reden und umgehen, ſo bald wir aber des Abends geſpei- ſet, muſte man ihn gemeiniglich ein Licht alleine ge- ben, womit er ſich von der uͤbrigen Geſellſchafft ab- und an einen andern Tiſch ſetzte, ſolchergeſtalt be- ſtaͤndig diejenigen geſchriebenen Sachen laß, welche er in einem zuſammen gebundenen Paquet ſelten von Abhaͤnden kommen ließ. Sein Beutel war vor- trefflich geſpickt, und meine Perſon, deren damah- liger Zuſtand eine genaue Wirthſchafft erforderte, profitirte ungemein von deſſen Generoſité, welche er bey mir, als einem Feinde des Schmarotzens, ſehr artig anzubringen wuſte. Dannenhero gerieth ich auf die Gedancken, dieſer Menſch muͤſſe entweder ein ſtarcker Capitaliſte oder gar ein Adeptus ſeyn, indem er ſo viele guͤldene Species bey ſich fuͤhrete, auch ſeine beſondere Liebe zur Alchymie oͤffters in Geſpraͤchen verrieth. Eines Tages war dieſer gute Menſch der erſte, der den blaſenden Poſtillon zu Gefallen hurtig auf den Wagen ſteigen wolte, da mitlerweile ich nebſt zweyn Frauenzimmern und ſo viel Kauffmanns- Dienern in der Thuͤr des Gaſt-Hofs noch ein Glas Wein ausleereten. Allein, er war ſo un- gluͤcklich, hierunter zu ſtuͤrtzen, und da die friſchen Pferde hierdurch ſchuͤchtern gemacht wurden, gin- gen ihm zwey Raͤder dermaſſen ſchnell uͤber den Leib und Bruſt, daß er ſo gleich halb todt zuruͤck in das Gaſt-Haus getragen werden muſte. Jch ließ die Poſt fahren, und blieb bey dieſem in ):( 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/7
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/7>, abgerufen am 24.04.2024.