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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Neunzehn gantzer Jahre habe ich nach des Pe-
tri
Tode mit meinem Christiano in dem aller-
ruhigsten Vergnügen gelebt, da es endlich dem
Himmel gefiel, auch diesen eitzigen getreuen Freund
von meiner Seite, ja von dem Hertzen hinweg zu
reissen. Denn im Frühlinge des 1557ten Jahres
fieng er nach und nach an, eine ungewöhnliche Mat-
tigkeit in allen Gliedern zu empfinden, worzu sich ein
starcker Schwindel des Haupts, nebst dem Eckel
vor Speise und Tranck gesellete, dahero ihm in we-
nig Wochen alle Kräffte vergiengen, biß er endlich
am Tage Allerheiligen, nehmlich am 1. Novembr.
selbigen Jahres, früh bey Aufgang der Sonnen,
sanfft und seelig auf das Verdienst Christi verschied,
nachdem er seine Seele in GOttes Hände befohlen
hatte.

Die Thränen fallen aus meinen Augen, indem
ich dieses schreibe, weil dieser Verlust meines lieben
Getreuen mir in meinem gantzen Leben am aller-
schmertzlichsten gewesen. Voritzo, da ich diesen
meinen Lebens-Lauff zum andern mahle aufzuzeich-
nen im Begriff bin, stehe ich in meinem 105ten Jah-
re, und wünsche nur dieses:

Meine Seele sterbe des Todes der Ge-
rechten, und mein Ende werde wie
meines getreuen
Christians Ende.

Den werthen Cörper meines allerbesten Freun-
des habe ich am Fusse dieses Hügels, gegen Mor-
gen zu, begraben, und sein Grab mit einem grossen

Stei-

Neunzehn gantzer Jahre habe ich nach des Pe-
tri
Tode mit meinem Chriſtiano in dem aller-
ruhigſten Vergnuͤgen gelebt, da es endlich dem
Himmel gefiel, auch dieſen eitzigen getreuen Freund
von meiner Seite, ja von dem Hertzen hinweg zu
reiſſen. Denn im Fruͤhlinge des 1557ten Jahres
fieng er nach und nach an, eine ungewoͤhnliche Mat-
tigkeit in allen Gliedern zu empfinden, worzu ſich ein
ſtarcker Schwindel des Haupts, nebſt dem Eckel
vor Speiſe und Tranck geſellete, dahero ihm in we-
nig Wochen alle Kraͤffte vergiengen, biß er endlich
am Tage Allerheiligen, nehmlich am 1. Novembr.
ſelbigen Jahres, fruͤh bey Aufgang der Sonnen,
ſanfft und ſeelig auf das Verdienſt Chriſti verſchied,
nachdem er ſeine Seele in GOttes Haͤnde befohlen
hatte.

Die Thraͤnen fallen aus meinen Augen, indem
ich dieſes ſchreibe, weil dieſer Verluſt meines lieben
Getreuen mir in meinem gantzen Leben am aller-
ſchmertzlichſten geweſen. Voritzo, da ich dieſen
meinen Lebens-Lauff zum andern mahle aufzuzeich-
nen im Begriff bin, ſtehe ich in meinem 105ten Jah-
re, und wuͤnſche nur dieſes:

Meine Seele ſterbe des Todes der Ge-
rechten, und mein Ende werde wie
meines getreuen
Chriſtians Ende.

Den werthen Coͤrper meines allerbeſten Freun-
des habe ich am Fuſſe dieſes Huͤgels, gegen Mor-
gen zu, begraben, und ſein Grab mit einem groſſen

Stei-
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[604/0618] Neunzehn gantzer Jahre habe ich nach des Pe- tri Tode mit meinem Chriſtiano in dem aller- ruhigſten Vergnuͤgen gelebt, da es endlich dem Himmel gefiel, auch dieſen eitzigen getreuen Freund von meiner Seite, ja von dem Hertzen hinweg zu reiſſen. Denn im Fruͤhlinge des 1557ten Jahres fieng er nach und nach an, eine ungewoͤhnliche Mat- tigkeit in allen Gliedern zu empfinden, worzu ſich ein ſtarcker Schwindel des Haupts, nebſt dem Eckel vor Speiſe und Tranck geſellete, dahero ihm in we- nig Wochen alle Kraͤffte vergiengen, biß er endlich am Tage Allerheiligen, nehmlich am 1. Novembr. ſelbigen Jahres, fruͤh bey Aufgang der Sonnen, ſanfft und ſeelig auf das Verdienſt Chriſti verſchied, nachdem er ſeine Seele in GOttes Haͤnde befohlen hatte. Die Thraͤnen fallen aus meinen Augen, indem ich dieſes ſchreibe, weil dieſer Verluſt meines lieben Getreuen mir in meinem gantzen Leben am aller- ſchmertzlichſten geweſen. Voritzo, da ich dieſen meinen Lebens-Lauff zum andern mahle aufzuzeich- nen im Begriff bin, ſtehe ich in meinem 105ten Jah- re, und wuͤnſche nur dieſes: Meine Seele ſterbe des Todes der Ge- rechten, und mein Ende werde wie meines getreuen Chriſtians Ende. Den werthen Coͤrper meines allerbeſten Freun- des habe ich am Fuſſe dieſes Huͤgels, gegen Mor- gen zu, begraben, und ſein Grab mit einem groſſen Stei-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/618>, abgerufen am 07.05.2024.