Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

zu rechter Zeit anzutreffen, und zwar in der Gegend
die von ihm selbst Nomen Dei benahmt worden,
allwo der arme Niquesa nackend und bloß, nebst sei-
nen Leuten halb todt gehungert, herum irrete. Je-
doch nachdem ihn Colmenarez nebst 75. Castilia-
nern zu Schiffe und auf die rechte Strasse gebracht,
kam er unverhofft bey uns in Antiqua Darienis an.
Hieselbst war er kaum an Land gestiegen, als es laut-
bar wurde, wie schmählich und schimpflich er so wohl
von Anciso als Valboa geredet, und gedrohet, diese
beyden nebst andern Haupt-Leuten, theils ihrer Aem-
ter und Würden zu entsetzen, theils aber um Gold
und Geld aufs schärffste zu bestraffen. Allein eben
diese Drohungen gereichten zu seinem allergrösten
Unglücke, denn es wurden solchergestalt beyde Thei-
le gegen ihn erbittert, so daß sie den armen Niquesa
nebst seinen Leuten wieder zurück in sein Schiff, und
unbarmhertziger weise ohne Proviant, als einen
Hund aus derselbigen Gegend jagten.

Jch habe nach Verfluß einiger Monate etliche von
seinen Gefährten auf der Zorobarer Landschafft
angetroffen, welche mich berichteten, daß er nahe
bey dem Flusse, nebst etlichen der Seinen, von den
Jndianern sey erschlagen und gefressen worden, weß-
wegen sie auch diesen Fluß Rio de los perditos, auf
Teutsch den Fluß des Verderbens nenneten, und
mir einen Baum zeigten, in dessen glatte Rinde diese
Lateinischen Worte geschnitten waren: Hic misero
errore fessus, DIDACUS NIQVESA infelix pe-
riit.
Zu Teutsch: Hier ist der vom elenden herum
schweiffen ermüdete, und unglückliche Didacus Ni-
quesa
umgekommen.

Jedoch

zu rechter Zeit anzutreffen, und zwar in der Gegend
die von ihm ſelbſt Nomen Dei benahmt worden,
allwo der arme Niqueſa nackend und bloß, nebſt ſei-
nen Leuten halb todt gehungert, herum irrete. Je-
doch nachdem ihn Colmenarez nebſt 75. Caſtilia-
nern zu Schiffe und auf die rechte Straſſe gebracht,
kam er unverhofft bey uns in Antiqua Darienis an.
Hieſelbſt war er kaum an Land geſtiegen, als es laut-
bar wurde, wie ſchmaͤhlich und ſchimpflich er ſo wohl
von Anciſo als Valboa geredet, und gedrohet, dieſe
beyden nebſt andern Haupt-Leuten, theils ihrer Aem-
ter und Wuͤrden zu entſetzen, theils aber um Gold
und Geld aufs ſchaͤrffſte zu beſtraffen. Allein eben
dieſe Drohungen gereichten zu ſeinem allergroͤſten
Ungluͤcke, denn es wurden ſolchergeſtalt beyde Thei-
le gegen ihn erbittert, ſo daß ſie den armen Niqueſa
nebſt ſeinen Leuten wieder zuruͤck in ſein Schiff, und
unbarmhertziger weiſe ohne Proviant, als einen
Hund aus derſelbigen Gegend jagten.

Jch habe nach Verfluß einiger Monate etliche von
ſeinen Gefaͤhrten auf der Zorobarer Landſchafft
angetroffen, welche mich berichteten, daß er nahe
bey dem Fluſſe, nebſt etlichen der Seinen, von den
Jndianern ſey erſchlagen und gefreſſen worden, weß-
wegen ſie auch dieſen Fluß Rio de los perditos, auf
Teutſch den Fluß des Verderbens nenneten, und
mir einen Baum zeigten, in deſſen glatte Rinde dieſe
Lateiniſchen Worte geſchnitten waren: Hic miſero
errore feſſus, DIDACUS NIQVESA infelix pe-
riit.
Zu Teutſch: Hier iſt der vom elenden herum
ſchweiffen ermuͤdete, und ungluͤckliche Didacus Ni-
queſa
umgekommen.

Jedoch
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0574" n="560"/>
zu rechter Zeit anzutreffen, und zwar in der Gegend<lb/>
die von ihm &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">Nomen Dei</hi> benahmt worden,<lb/>
allwo der arme <hi rendition="#aq">Nique&#x017F;a</hi> nackend und bloß, neb&#x017F;t &#x017F;ei-<lb/>
nen Leuten halb todt gehungert, herum irrete. Je-<lb/>
doch nachdem ihn <hi rendition="#aq">Colmenarez</hi> neb&#x017F;t 75. Ca&#x017F;tilia-<lb/>
nern zu Schiffe und auf die rechte Stra&#x017F;&#x017F;e gebracht,<lb/>
kam er unverhofft bey uns in <hi rendition="#aq">Antiqua Darienis</hi> an.<lb/>
Hie&#x017F;elb&#x017F;t war er kaum an Land ge&#x017F;tiegen, als es laut-<lb/>
bar wurde, wie &#x017F;chma&#x0364;hlich und &#x017F;chimpflich er &#x017F;o wohl<lb/>
von <hi rendition="#aq">Anci&#x017F;o</hi> als <hi rendition="#aq">Valboa</hi> geredet, und gedrohet, die&#x017F;e<lb/>
beyden neb&#x017F;t andern Haupt-Leuten, theils ihrer Aem-<lb/>
ter und Wu&#x0364;rden zu ent&#x017F;etzen, theils aber um Gold<lb/>
und Geld aufs &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;te zu be&#x017F;traffen. Allein eben<lb/>
die&#x017F;e Drohungen gereichten zu &#x017F;einem allergro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Unglu&#x0364;cke, denn es wurden &#x017F;olcherge&#x017F;talt beyde Thei-<lb/>
le gegen ihn erbittert, &#x017F;o daß &#x017F;ie den armen <hi rendition="#aq">Nique&#x017F;a</hi><lb/>
neb&#x017F;t &#x017F;einen Leuten wieder zuru&#x0364;ck in &#x017F;ein Schiff, und<lb/>
unbarmhertziger wei&#x017F;e ohne Proviant, als einen<lb/>
Hund aus der&#x017F;elbigen Gegend jagten.</p><lb/>
          <p>Jch habe nach Verfluß einiger Monate etliche von<lb/>
&#x017F;einen Gefa&#x0364;hrten auf der <hi rendition="#aq">Zorobarer</hi> Land&#x017F;chafft<lb/>
angetroffen, welche mich berichteten, daß er nahe<lb/>
bey dem Flu&#x017F;&#x017F;e, neb&#x017F;t etlichen der Seinen, von den<lb/>
Jndianern &#x017F;ey er&#x017F;chlagen und gefre&#x017F;&#x017F;en worden, weß-<lb/>
wegen &#x017F;ie auch die&#x017F;en Fluß <hi rendition="#aq">Rio de los perditos,</hi> auf<lb/>
Teut&#x017F;ch den Fluß des Verderbens nenneten, und<lb/>
mir einen Baum zeigten, in de&#x017F;&#x017F;en glatte Rinde die&#x017F;e<lb/>
Lateini&#x017F;chen Worte ge&#x017F;chnitten waren: <hi rendition="#aq">Hic mi&#x017F;ero<lb/>
errore fe&#x017F;&#x017F;us, DIDACUS NIQVESA infelix pe-<lb/>
riit.</hi> Zu Teut&#x017F;ch: Hier i&#x017F;t der vom elenden herum<lb/>
&#x017F;chweiffen ermu&#x0364;dete, und unglu&#x0364;ckliche <hi rendition="#aq">Didacus Ni-<lb/>
que&#x017F;a</hi> umgekommen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jedoch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[560/0574] zu rechter Zeit anzutreffen, und zwar in der Gegend die von ihm ſelbſt Nomen Dei benahmt worden, allwo der arme Niqueſa nackend und bloß, nebſt ſei- nen Leuten halb todt gehungert, herum irrete. Je- doch nachdem ihn Colmenarez nebſt 75. Caſtilia- nern zu Schiffe und auf die rechte Straſſe gebracht, kam er unverhofft bey uns in Antiqua Darienis an. Hieſelbſt war er kaum an Land geſtiegen, als es laut- bar wurde, wie ſchmaͤhlich und ſchimpflich er ſo wohl von Anciſo als Valboa geredet, und gedrohet, dieſe beyden nebſt andern Haupt-Leuten, theils ihrer Aem- ter und Wuͤrden zu entſetzen, theils aber um Gold und Geld aufs ſchaͤrffſte zu beſtraffen. Allein eben dieſe Drohungen gereichten zu ſeinem allergroͤſten Ungluͤcke, denn es wurden ſolchergeſtalt beyde Thei- le gegen ihn erbittert, ſo daß ſie den armen Niqueſa nebſt ſeinen Leuten wieder zuruͤck in ſein Schiff, und unbarmhertziger weiſe ohne Proviant, als einen Hund aus derſelbigen Gegend jagten. Jch habe nach Verfluß einiger Monate etliche von ſeinen Gefaͤhrten auf der Zorobarer Landſchafft angetroffen, welche mich berichteten, daß er nahe bey dem Fluſſe, nebſt etlichen der Seinen, von den Jndianern ſey erſchlagen und gefreſſen worden, weß- wegen ſie auch dieſen Fluß Rio de los perditos, auf Teutſch den Fluß des Verderbens nenneten, und mir einen Baum zeigten, in deſſen glatte Rinde dieſe Lateiniſchen Worte geſchnitten waren: Hic miſero errore feſſus, DIDACUS NIQVESA infelix pe- riit. Zu Teutſch: Hier iſt der vom elenden herum ſchweiffen ermuͤdete, und ungluͤckliche Didacus Ni- queſa umgekommen. Jedoch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/574
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/574>, abgerufen am 19.05.2024.