Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

führe, auch in dem Gemach selbst an den Tapeten
nichts zu mercken seyn möchte. Mit[tl]erweile er-
blickte ich durch mein Feuster, daß die Beata nebst
ihrer verstellten Tochter durch die Hinter-Thür
meines Gartens abgefertiget und fortgeschickt wur-
de, weßwegen ich meinen Leib-Diener nochmahls
alles ordentlich zeigte, und ihn in meiner Meynung
vollkommen verständigte, nach eingenommener
Mittags-Mahlzeit aber, mit Eleonoren zu Don
Fabio de Canaria
reisete.

Nunmehro waren meine Augen weit heller als
sonsten, denn ich sahe mehr als zu klärlich, mit was
vor feurigen Blicken und geilen Gebärden Eleo-
nora
und Fabio einander begegneten, so daß ich
leichtlich schlieffen konte: wie sie schon vor dem mü-
sten eine genauere Bekandschafft untereinander
gepflogen haben, anbey aber wuste mich dermassen
behutsam aufzuführen, daß beyde Verliebten nicht
das geringste von meinen Gedancken errathen oder
mercken konten. Jm Gegentheil gab ihnen die
schönste Gelegenheit allein zusammen zu bleiben,
und sich in ihrer verdammten Geilheit zu vergnü-
gen, als womit ich Eleonoren ausserordentlich si-
cher machte, dem Fabio ebenfalls die Meynung
beybrachte: ich wolte oder könte vielleicht nicht eif-
fersüchtig werden. Allein dieser Vogel war es
eben nicht allein, den ich zufangen mir vorgenom-
men hatte. Er hatte noch viele andere Edelleute
zu sich einladen lassen, unter denen auch mein Bru-
der nebst seiner Gemahlin war, diesem vertrauet[e]
ich bey einem einsamen Spatzier-Gange im Garten,
was mir vor ein schwerer Stein auf dem Hertzen

läge,
L l 4

fuͤhre, auch in dem Gemach ſelbſt an den Tapeten
nichts zu mercken ſeyn moͤchte. Mit[tl]erweile er-
blickte ich durch mein Feuſter, daß die Beata nebſt
ihrer verſtellten Tochter durch die Hinter-Thuͤr
meines Gartens abgefertiget und fortgeſchickt wur-
de, weßwegen ich meinen Leib-Diener nochmahls
alles ordentlich zeigte, und ihn in meiner Meynung
vollkommen verſtaͤndigte, nach eingenommener
Mittags-Mahlzeit aber, mit Eleonoren zu Don
Fabio de Canaria
reiſete.

Nunmehro waren meine Augen weit heller als
ſonſten, denn ich ſahe mehr als zu klaͤrlich, mit was
vor feurigen Blicken und geilen Gebaͤrden Eleo-
nora
und Fabio einander begegneten, ſo daß ich
leichtlich ſchlieffen konte: wie ſie ſchon vor dem muͤ-
ſten eine genauere Bekandſchafft untereinander
gepflogen haben, anbey aber wuſte mich dermaſſen
behutſam aufzufuͤhren, daß beyde Verliebten nicht
das geringſte von meinen Gedancken errathen oder
mercken konten. Jm Gegentheil gab ihnen die
ſchoͤnſte Gelegenheit allein zuſammen zu bleiben,
und ſich in ihrer verdammten Geilheit zu vergnuͤ-
gen, als womit ich Eleonoren auſſerordentlich ſi-
cher machte, dem Fabio ebenfalls die Meynung
beybrachte: ich wolte oder koͤnte vielleicht nicht eif-
ferſuͤchtig werden. Allein dieſer Vogel war es
eben nicht allein, den ich zufangen mir vorgenom-
men hatte. Er hatte noch viele andere Edelleute
zu ſich einladen laſſen, unter denen auch mein Bru-
der nebſt ſeiner Gemahlin war, dieſem vertrauet[e]
ich bey einem einſamen Spatzier-Gange im Garten,
was mir vor ein ſchwerer Stein auf dem Hertzen

laͤge,
L l 4
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0549" n="535"/>
fu&#x0364;hre, auch in dem Gemach &#x017F;elb&#x017F;t an den Tapeten<lb/>
nichts zu mercken &#x017F;eyn mo&#x0364;chte. Mit<supplied>tl</supplied>erweile er-<lb/>
blickte ich durch mein Feu&#x017F;ter, daß die <hi rendition="#aq">Beata</hi> neb&#x017F;t<lb/>
ihrer ver&#x017F;tellten Tochter durch die Hinter-Thu&#x0364;r<lb/>
meines Gartens abgefertiget und fortge&#x017F;chickt wur-<lb/>
de, weßwegen ich meinen Leib-Diener nochmahls<lb/>
alles ordentlich zeigte, und ihn in meiner Meynung<lb/>
vollkommen ver&#x017F;ta&#x0364;ndigte, nach eingenommener<lb/>
Mittags-Mahlzeit aber, mit <hi rendition="#aq">Eleonor</hi>en zu <hi rendition="#aq">Don<lb/>
Fabio de Canaria</hi> rei&#x017F;ete.</p><lb/>
          <p>Nunmehro waren meine Augen weit heller als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;ten, denn ich &#x017F;ahe mehr als zu kla&#x0364;rlich, mit was<lb/>
vor feurigen Blicken und geilen Geba&#x0364;rden <hi rendition="#aq">Eleo-<lb/>
nora</hi> und <hi rendition="#aq">Fabio</hi> einander begegneten, &#x017F;o daß ich<lb/>
leichtlich &#x017F;chlieffen konte: wie &#x017F;ie &#x017F;chon vor dem mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten eine genauere Bekand&#x017F;chafft untereinander<lb/>
gepflogen haben, anbey aber wu&#x017F;te mich derma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
behut&#x017F;am aufzufu&#x0364;hren, daß beyde Verliebten nicht<lb/>
das gering&#x017F;te von meinen Gedancken errathen oder<lb/>
mercken konten. Jm Gegentheil gab ihnen die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Gelegenheit allein zu&#x017F;ammen zu bleiben,<lb/>
und &#x017F;ich in ihrer verdammten Geilheit zu vergnu&#x0364;-<lb/>
gen, als womit ich <hi rendition="#aq">Eleonoren</hi> au&#x017F;&#x017F;erordentlich &#x017F;i-<lb/>
cher machte, dem <hi rendition="#aq">Fabio</hi> ebenfalls die Meynung<lb/>
beybrachte: ich wolte oder ko&#x0364;nte vielleicht nicht eif-<lb/>
fer&#x017F;u&#x0364;chtig werden. Allein die&#x017F;er Vogel war es<lb/>
eben nicht allein, den ich zufangen mir vorgenom-<lb/>
men hatte. Er hatte noch viele andere Edelleute<lb/>
zu &#x017F;ich einladen la&#x017F;&#x017F;en, unter denen auch mein Bru-<lb/>
der neb&#x017F;t &#x017F;einer Gemahlin war, die&#x017F;em vertrauet<supplied>e</supplied><lb/>
ich bey einem ein&#x017F;amen Spatzier-Gange im Garten,<lb/>
was mir vor ein &#x017F;chwerer Stein auf dem Hertzen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l 4</fw><fw place="bottom" type="catch">la&#x0364;ge,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[535/0549] fuͤhre, auch in dem Gemach ſelbſt an den Tapeten nichts zu mercken ſeyn moͤchte. Mittlerweile er- blickte ich durch mein Feuſter, daß die Beata nebſt ihrer verſtellten Tochter durch die Hinter-Thuͤr meines Gartens abgefertiget und fortgeſchickt wur- de, weßwegen ich meinen Leib-Diener nochmahls alles ordentlich zeigte, und ihn in meiner Meynung vollkommen verſtaͤndigte, nach eingenommener Mittags-Mahlzeit aber, mit Eleonoren zu Don Fabio de Canaria reiſete. Nunmehro waren meine Augen weit heller als ſonſten, denn ich ſahe mehr als zu klaͤrlich, mit was vor feurigen Blicken und geilen Gebaͤrden Eleo- nora und Fabio einander begegneten, ſo daß ich leichtlich ſchlieffen konte: wie ſie ſchon vor dem muͤ- ſten eine genauere Bekandſchafft untereinander gepflogen haben, anbey aber wuſte mich dermaſſen behutſam aufzufuͤhren, daß beyde Verliebten nicht das geringſte von meinen Gedancken errathen oder mercken konten. Jm Gegentheil gab ihnen die ſchoͤnſte Gelegenheit allein zuſammen zu bleiben, und ſich in ihrer verdammten Geilheit zu vergnuͤ- gen, als womit ich Eleonoren auſſerordentlich ſi- cher machte, dem Fabio ebenfalls die Meynung beybrachte: ich wolte oder koͤnte vielleicht nicht eif- ferſuͤchtig werden. Allein dieſer Vogel war es eben nicht allein, den ich zufangen mir vorgenom- men hatte. Er hatte noch viele andere Edelleute zu ſich einladen laſſen, unter denen auch mein Bru- der nebſt ſeiner Gemahlin war, dieſem vertrauete ich bey einem einſamen Spatzier-Gange im Garten, was mir vor ein ſchwerer Stein auf dem Hertzen laͤge, L l 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/549
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/549>, abgerufen am 19.05.2024.