Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

schicht nicht schon sonsten in andern Büchern gelesen,
selbige vor eine lautere Fiction hält, mithin das Kind
samt dem Badewasser ausschüttet. Gedencket
man ferner an die fast unzählige Zahl derer Robin-
sons
von fast allen Nationen, so wohl als andere
Lebens-Beschreibungen, welche meistentheils die
Beywörter: Wahrhafftig, erstaunlich, erschreck-
lich, noch niemahls entdeckt, unvergleichlich, un-
erhört, unerdencklich, wunderbar, bewunderns-
würdig, seltsam und dergleichen führen, so möchte
man nicht selten Herr Ulrichen, als den Vertreiber
eckelhaffter Sachen, ruffen, zumahlen wenn sich
in solchen Schrifften lahme Satyren, elender Wind,
zerkauete Moralia, überzuckerte Laster-Morsellen,
und öffters nicht 6. rechtschaffene oder wahre Histo-
rische Streiche antreffen lassen. Denn - - -

Halt inne, mein Freund! Was gehet mich dein
gerechter oder ungerechter Eifer an? Meinest du,
daß ich dieserwegen eine Vorrede halte? Nein,
keines weges. Laß dir aber dienen! Ohnfehlbar
must du das von einem Welt-berühmten Manne
herstammende Sprüchwort: Viel Köpfe, viel
Sinne, gehöret oder gelesen haben. Der liebe
Niemand allein, kan es allen Leuten recht machen.
Was dir nicht gefällt, charmirt vielleicht 10. ja
100. und wohl noch mehr andere Menschen. Alle
diejenigen, so du anitzo getadelt hast, haben wohl
eine gantz besondere gute Absicht gehabt, die du und
ich erstlich errathen müssen. Jch wolte zwar ein
vieles zu ihrer Defension anführen, allein, wer weiß,
ob mit meiner Treuhertzigkeit Danck zu verdienen
sey? Uber dieses, da solche Autores vielleicht klüger
und geschickter sind als Du und ich, so werden sie

sich,
):( 3

ſchicht nicht ſchon ſonſten in andern Buͤchern geleſen,
ſelbige vor eine lautere Fiction haͤlt, mithin das Kind
ſamt dem Badewaſſer ausſchuͤttet. Gedencket
man ferner an die faſt unzaͤhlige Zahl derer Robin-
ſons
von faſt allen Nationen, ſo wohl als andere
Lebens-Beſchreibungen, welche meiſtentheils die
Beywoͤrter: Wahrhafftig, erſtaunlich, erſchreck-
lich, noch niemahls entdeckt, unvergleichlich, un-
erhoͤrt, unerdencklich, wunderbar, bewunderns-
wuͤrdig, ſeltſam und dergleichen fuͤhren, ſo moͤchte
man nicht ſelten Herr Ulrichen, als den Vertreiber
eckelhaffter Sachen, ruffen, zumahlen wenn ſich
in ſolchen Schrifften lahme Satyren, elender Wind,
zerkauete Moralia, uͤberzuckerte Laſter-Morſellen,
und oͤffters nicht 6. rechtſchaffene oder wahre Hiſto-
riſche Streiche antreffen laſſen. Denn ‒ ‒ ‒

Halt inne, mein Freund! Was gehet mich dein
gerechter oder ungerechter Eifer an? Meineſt du,
daß ich dieſerwegen eine Vorrede halte? Nein,
keines weges. Laß dir aber dienen! Ohnfehlbar
muſt du das von einem Welt-beruͤhmten Manne
herſtammende Spruͤchwort: Viel Koͤpfe, viel
Sinne, gehoͤret oder geleſen haben. Der liebe
Niemand allein, kan es allen Leuten recht machen.
Was dir nicht gefaͤllt, charmirt vielleicht 10. ja
100. und wohl noch mehr andere Menſchen. Alle
diejenigen, ſo du anitzo getadelt haſt, haben wohl
eine gantz beſondere gute Abſicht gehabt, die du und
ich erſtlich errathen muͤſſen. Jch wolte zwar ein
vieles zu ihrer Defenſion anfuͤhren, allein, wer weiß,
ob mit meiner Treuhertzigkeit Danck zu verdienen
ſey? Uber dieſes, da ſolche Autores vielleicht kluͤger
und geſchickter ſind als Du und ich, ſo werden ſie

ſich,
):( 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0005"/>
&#x017F;chicht nicht &#x017F;chon &#x017F;on&#x017F;ten in andern Bu&#x0364;chern gele&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;elbige vor eine lautere <hi rendition="#aq">Fiction</hi> ha&#x0364;lt, mithin das Kind<lb/>
&#x017F;amt dem Badewa&#x017F;&#x017F;er aus&#x017F;chu&#x0364;ttet. Gedencket<lb/>
man ferner an die fa&#x017F;t unza&#x0364;hlige Zahl derer <hi rendition="#aq">Robin-<lb/>
&#x017F;ons</hi> von fa&#x017F;t allen <hi rendition="#aq">Nation</hi>en, &#x017F;o wohl als andere<lb/>
Lebens-Be&#x017F;chreibungen, welche mei&#x017F;tentheils die<lb/>
Beywo&#x0364;rter: Wahrhafftig, er&#x017F;taunlich, er&#x017F;chreck-<lb/>
lich, noch niemahls entdeckt, unvergleichlich, un-<lb/>
erho&#x0364;rt, unerdencklich, wunderbar, bewunderns-<lb/>
wu&#x0364;rdig, &#x017F;elt&#x017F;am und dergleichen fu&#x0364;hren, &#x017F;o mo&#x0364;chte<lb/>
man nicht &#x017F;elten Herr <hi rendition="#aq">Ulrichen,</hi> als den Vertreiber<lb/>
eckelhaffter Sachen, ruffen, zumahlen wenn &#x017F;ich<lb/>
in &#x017F;olchen Schrifften lahme <hi rendition="#aq">Satyr</hi>en, elender Wind,<lb/>
zerkauete <hi rendition="#aq">Moralia,</hi> u&#x0364;berzuckerte La&#x017F;ter-<hi rendition="#aq">Mor&#x017F;ellen,</hi><lb/>
und o&#x0364;ffters nicht 6. recht&#x017F;chaffene oder wahre Hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;che Streiche antreffen la&#x017F;&#x017F;en. Denn &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
        <p>Halt inne, mein Freund! Was gehet mich dein<lb/>
gerechter oder ungerechter Eifer an? Meine&#x017F;t du,<lb/>
daß ich die&#x017F;erwegen eine Vorrede halte? Nein,<lb/>
keines weges. Laß dir aber dienen! Ohnfehlbar<lb/>
mu&#x017F;t du das von einem Welt-beru&#x0364;hmten Manne<lb/>
her&#x017F;tammende Spru&#x0364;chwort: Viel Ko&#x0364;pfe, viel<lb/>
Sinne, geho&#x0364;ret oder gele&#x017F;en haben. Der liebe<lb/>
Niemand allein, kan es allen Leuten recht machen.<lb/>
Was dir nicht gefa&#x0364;llt, <hi rendition="#aq">charmi</hi>rt vielleicht 10. ja<lb/>
100. und wohl noch mehr andere Men&#x017F;chen. Alle<lb/>
diejenigen, &#x017F;o du anitzo getadelt ha&#x017F;t, haben wohl<lb/>
eine gantz be&#x017F;ondere gute Ab&#x017F;icht gehabt, die du und<lb/>
ich er&#x017F;tlich errathen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Jch wolte zwar ein<lb/>
vieles zu ihrer <hi rendition="#aq">Defen&#x017F;ion</hi> anfu&#x0364;hren, allein, wer weiß,<lb/>
ob mit meiner Treuhertzigkeit Danck zu verdienen<lb/>
&#x017F;ey? Uber die&#x017F;es, da &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Autores</hi> vielleicht klu&#x0364;ger<lb/>
und ge&#x017F;chickter &#x017F;ind als Du und ich, &#x017F;o werden &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">):( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] ſchicht nicht ſchon ſonſten in andern Buͤchern geleſen, ſelbige vor eine lautere Fiction haͤlt, mithin das Kind ſamt dem Badewaſſer ausſchuͤttet. Gedencket man ferner an die faſt unzaͤhlige Zahl derer Robin- ſons von faſt allen Nationen, ſo wohl als andere Lebens-Beſchreibungen, welche meiſtentheils die Beywoͤrter: Wahrhafftig, erſtaunlich, erſchreck- lich, noch niemahls entdeckt, unvergleichlich, un- erhoͤrt, unerdencklich, wunderbar, bewunderns- wuͤrdig, ſeltſam und dergleichen fuͤhren, ſo moͤchte man nicht ſelten Herr Ulrichen, als den Vertreiber eckelhaffter Sachen, ruffen, zumahlen wenn ſich in ſolchen Schrifften lahme Satyren, elender Wind, zerkauete Moralia, uͤberzuckerte Laſter-Morſellen, und oͤffters nicht 6. rechtſchaffene oder wahre Hiſto- riſche Streiche antreffen laſſen. Denn ‒ ‒ ‒ Halt inne, mein Freund! Was gehet mich dein gerechter oder ungerechter Eifer an? Meineſt du, daß ich dieſerwegen eine Vorrede halte? Nein, keines weges. Laß dir aber dienen! Ohnfehlbar muſt du das von einem Welt-beruͤhmten Manne herſtammende Spruͤchwort: Viel Koͤpfe, viel Sinne, gehoͤret oder geleſen haben. Der liebe Niemand allein, kan es allen Leuten recht machen. Was dir nicht gefaͤllt, charmirt vielleicht 10. ja 100. und wohl noch mehr andere Menſchen. Alle diejenigen, ſo du anitzo getadelt haſt, haben wohl eine gantz beſondere gute Abſicht gehabt, die du und ich erſtlich errathen muͤſſen. Jch wolte zwar ein vieles zu ihrer Defenſion anfuͤhren, allein, wer weiß, ob mit meiner Treuhertzigkeit Danck zu verdienen ſey? Uber dieſes, da ſolche Autores vielleicht kluͤger und geſchickter ſind als Du und ich, ſo werden ſie ſich, ):( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/5
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/5>, abgerufen am 24.04.2024.