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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Allein, ich höre leider! schon manchen, der nur ei-
nen Blick darauf schiessen lassen, also raisoniren und
fragen: Wie hälts, Landsmann! kan man sich
auch darauf verlassen, daß deine Geschichte keine
blossen Gedichte, Lucianische Spaß-Streiche,
zusammen geraspelte Robinsonaden-Späne und
dergleichen sind? Denn es werffen sich immer mehr
und mehr Scribenten auf, die einem neu-begierigen
Leser an diejenige Nase, so er doch schon selbst am
Kopfe hat, noch viele kleine, mittelmäßige und gros-
se Nasen drehen wollen.

Was gehöret nicht vor ein Baum-starcker Glau-
be darzu, wenn man des Herrn von Lydio tren-
chi
rte Jnsul als eine Wahrheit in den Back-Ofen
seines physicalischen Gewissens schieben will? Wer
muß sich nicht vielmehr über den Herrn Geschicht-
Schreiber P. L. als über den armen Einsiedler Phi-
lipp Quarll
selbst verwundern, da sich der erstere
gantz besondere Mühe gibt, sein, nur den Mond-
süchtigen gläntzendes Mährlein, unter dem Hute
des Hrn. Dorrington, mit demüthigst-ergebensten
Flatterien, als eine brennende Historische Wahr-
heits-Fackel aufzustecken? Die Geschicht von Jo-
ris
oder Georg Pines hat seit ao. 1667. einen ziem-
lichen Geburts- und Beglaubigungs-Brief erhal-
ten, nachdem aber ein Anonymus dieselbe aus dem
Englischen übersetzt haben will, und im Teutschen,
als ein Gerichte Sauer-Kraut mit Stachelbeeren
vermischt, aufgewärmet hat, ist eine solche Olle-
butterie
daraus worden, daß man kaum die gantz
zu Matsche gekochten Brocken der Wahrheit, noch
auf dem Grunde der langen Titsche finden kan.
Woher denn kommt, daß ein jeder, der diese Ge-

schicht

Allein, ich hoͤre leider! ſchon manchen, der nur ei-
nen Blick darauf ſchieſſen laſſen, alſo raiſoniren und
fragen: Wie haͤlts, Landsmann! kan man ſich
auch darauf verlaſſen, daß deine Geſchichte keine
bloſſen Gedichte, Lucianiſche Spaß-Streiche,
zuſammen geraſpelte Robinſonaden-Spaͤne und
dergleichen ſind? Denn es werffen ſich immer mehr
und mehr Scribenten auf, die einem neu-begierigen
Leſer an diejenige Naſe, ſo er doch ſchon ſelbſt am
Kopfe hat, noch viele kleine, mittelmaͤßige und groſ-
ſe Naſen drehen wollen.

Was gehoͤret nicht vor ein Baum-ſtarcker Glau-
be darzu, wenn man des Herrn von Lydio tren-
chi
rte Jnſul als eine Wahrheit in den Back-Ofen
ſeines phyſicaliſchen Gewiſſens ſchieben will? Wer
muß ſich nicht vielmehr uͤber den Herrn Geſchicht-
Schreiber P. L. als uͤber den armen Einſiedler Phi-
lipp Quarll
ſelbſt verwundern, da ſich der erſtere
gantz beſondere Muͤhe gibt, ſein, nur den Mond-
ſuͤchtigen glaͤntzendes Maͤhrlein, unter dem Hute
des Hrn. Dorrington, mit demuͤthigſt-ergebenſten
Flatterien, als eine brennende Hiſtoriſche Wahr-
heits-Fackel aufzuſtecken? Die Geſchicht von Jo-
ris
oder Georg Pines hat ſeit ao. 1667. einen ziem-
lichen Geburts- und Beglaubigungs-Brief erhal-
ten, nachdem aber ein Anonymus dieſelbe aus dem
Engliſchen uͤberſetzt haben will, und im Teutſchen,
als ein Gerichte Sauer-Kraut mit Stachelbeeren
vermiſcht, aufgewaͤrmet hat, iſt eine ſolche Olle-
butterie
daraus worden, daß man kaum die gantz
zu Matſche gekochten Brocken der Wahrheit, noch
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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/4>, abgerufen am 20.04.2024.