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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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lieben Altvaters gesprochene Worte: Jch werde
versuchen, ob ich
Nicolaum mit der frommen
Sophie vereheligen kan, den allergrösten Kum-
mer, denn erstlich hatte ich als ein elender Einkömm-
ling noch die gröste Ursach zu zweiffeln, ob ich der
schönen Sophie Gegen-Gunst erlangen, und vors
andere schwerlich zu hoffen, daß mich der Altvater
seinem Enckel Nicolao vorziehen würde. Nach-
dem ich mich aber dieserwegen noch eine gute Weile
auf meinem Lager herum geworffen, und meiner
neuen Liebe nachgedacht hatte, fassete ich endlich den
festen Vorsatz keine Zeit zu versäumen, sondern mei-
nem aufrichtigen Wohlthäter mein gantzes Hertze,
gleich Morgen früh zu offenbahren, nachhero, auf
dessen redliches Gutachten, selbiges der schönen So-
phie
ohne alle Weitläufftigkeiten ehelich anzutra-
gen.

Hierauf liessen sich endlich meine Furcht-und
Hoffnungs-volle Sinnen durch den Schlaff über-
wältigen doch die Einbildungs-Kräffte machten ih-
nen das Vergnügen, die schöne Sophie auch im
Traume darzustellen, so, daß sich mein Geist den
gantzen übrigen Theil der Nacht hindurch mit der-
selben unterredete, und so wohl an ihrer äusserlichen
schönen Gestalt, als innerlichen vortreflichen Ge-
müths-Gaben ergötzte. Jch wachte gegen Mor-
gen auf, schlieff aber unter dem Wunsche, derglei-
chen Traum öffter zu haben, bald wieder ein, da
mir denn vorkam, als ob meine auf der Jnsul Bon-
air
seelig verstorbene Salome, die tugendhaffte
Sophie in meine Kammer geführet brächte, und
derselben ihren Trau-Ring, den ich ihr mit in den

Sarg

lieben Altvaters geſprochene Worte: Jch werde
verſuchen, ob ich
Nicolaum mit der frommen
Sophie vereheligen kan, den allergroͤſten Kum-
mer, denn erſtlich hatte ich als ein elender Einkoͤmm-
ling noch die groͤſte Urſach zu zweiffeln, ob ich der
ſchoͤnen Sophie Gegen-Gunſt erlangen, und vors
andere ſchwerlich zu hoffen, daß mich der Altvater
ſeinem Enckel Nicolao vorziehen wuͤrde. Nach-
dem ich mich aber dieſerwegen noch eine gute Weile
auf meinem Lager herum geworffen, und meiner
neuen Liebe nachgedacht hatte, faſſete ich endlich den
feſten Vorſatz keine Zeit zu verſaͤumen, ſondern mei-
nem aufrichtigen Wohlthaͤter mein gantzes Hertze,
gleich Morgen fruͤh zu offenbahren, nachhero, auf
deſſen redliches Gutachten, ſelbiges der ſchoͤnen So-
phie
ohne alle Weitlaͤufftigkeiten ehelich anzutra-
gen.

Hierauf lieſſen ſich endlich meine Furcht-und
Hoffnungs-volle Sinnen durch den Schlaff uͤber-
waͤltigen doch die Einbildungs-Kraͤffte machten ih-
nen das Vergnuͤgen, die ſchoͤne Sophie auch im
Traume darzuſtellen, ſo, daß ſich mein Geiſt den
gantzen uͤbrigen Theil der Nacht hindurch mit der-
ſelben unterredete, und ſo wohl an ihrer aͤuſſerlichen
ſchoͤnen Geſtalt, als innerlichen vortreflichen Ge-
muͤths-Gaben ergoͤtzte. Jch wachte gegen Mor-
gen auf, ſchlieff aber unter dem Wunſche, derglei-
chen Traum oͤffter zu haben, bald wieder ein, da
mir denn vorkam, als ob meine auf der Jnſul Bon-
air
ſeelig verſtorbene Salome, die tugendhaffte
Sophie in meine Kammer gefuͤhret braͤchte, und
derſelben ihren Trau-Ring, den ich ihr mit in den

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[438/0452] lieben Altvaters geſprochene Worte: Jch werde verſuchen, ob ich Nicolaum mit der frommen Sophie vereheligen kan, den allergroͤſten Kum- mer, denn erſtlich hatte ich als ein elender Einkoͤmm- ling noch die groͤſte Urſach zu zweiffeln, ob ich der ſchoͤnen Sophie Gegen-Gunſt erlangen, und vors andere ſchwerlich zu hoffen, daß mich der Altvater ſeinem Enckel Nicolao vorziehen wuͤrde. Nach- dem ich mich aber dieſerwegen noch eine gute Weile auf meinem Lager herum geworffen, und meiner neuen Liebe nachgedacht hatte, faſſete ich endlich den feſten Vorſatz keine Zeit zu verſaͤumen, ſondern mei- nem aufrichtigen Wohlthaͤter mein gantzes Hertze, gleich Morgen fruͤh zu offenbahren, nachhero, auf deſſen redliches Gutachten, ſelbiges der ſchoͤnen So- phie ohne alle Weitlaͤufftigkeiten ehelich anzutra- gen. Hierauf lieſſen ſich endlich meine Furcht-und Hoffnungs-volle Sinnen durch den Schlaff uͤber- waͤltigen doch die Einbildungs-Kraͤffte machten ih- nen das Vergnuͤgen, die ſchoͤne Sophie auch im Traume darzuſtellen, ſo, daß ſich mein Geiſt den gantzen uͤbrigen Theil der Nacht hindurch mit der- ſelben unterredete, und ſo wohl an ihrer aͤuſſerlichen ſchoͤnen Geſtalt, als innerlichen vortreflichen Ge- muͤths-Gaben ergoͤtzte. Jch wachte gegen Mor- gen auf, ſchlieff aber unter dem Wunſche, derglei- chen Traum oͤffter zu haben, bald wieder ein, da mir denn vorkam, als ob meine auf der Jnſul Bon- air ſeelig verſtorbene Salome, die tugendhaffte Sophie in meine Kammer gefuͤhret braͤchte, und derſelben ihren Trau-Ring, den ich ihr mit in den Sarg

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/452>, abgerufen am 22.11.2024.