in die Rede, ich versichere|, daß wir, die hier vor euren Augen sitzen, der Tugend wegen noch die ge- ringsten heissen, denn diejenigen, so wir zurück ge- lassen, sind noch viel vollkommener, und wir leben nur bemühet, ihnen gleich zu werden. Dieses war nun (sagte hierbey unser Alt-Vater Alber- tus) eine starcke Schmeicheley, allein/ es hatte dem ehrlichen Amias dam ahls also zu reden beliebt, die Dame aber siehet denselben starr an, und spricht: Mein Herr! euer Ehrwürdiges graues Haupt brin- get vielen Respect zuwege, sonsten wolte sagen, daß ich nicht wüste, wie ich mit euch dran wäre, ob ihr nemlich etwa mit mir schertzen, oder sonsten etwas einfältiges aus meinen Gedancken locken woltet.
Diese Reden macht sich Amias zu Nutze, und versetzt dieses darauf: Madam! dencket von mir was ihr wollet, nur richtet meine Reden nicht ehe nach der Schärffe, biß ich euch eine Geschicht er- zehlet, die gewiß nicht verdrießlich anzuhören, und dabey die klare Wahrheit ist. Hierauf fängt er an, als einer, der meine und der Meinigen gantze Lebens-Ges[ch]icht vollkommen inne hatte, alles dasjenige auf dem Nagel her zu sagen, was uns passiret ist, und worüber sich die Dame am Ende vor Verwunderung fast nicht zu begreiffen weiß. Hiermit aber ist es noch nicht genung/ sondern Amias bittet dieselbe, von allem dem, was sie an- itzo gehöret, bey ihrer Gesellschafft nichts kundbar zu machen, indem sie gewisser Ursachen wegen, sonst Niemanden als ihr alleine, dergleichen Ge- heimnisse wissen lassen, vielmehr einen jeden be-
reden
in die Rede, ich verſichere|, daß wir, die hier vor euren Augen ſitzen, der Tugend wegen noch die ge- ringſten heiſſen, denn diejenigen, ſo wir zuruͤck ge- laſſen, ſind noch viel vollkommener, und wir leben nur bemuͤhet, ihnen gleich zu werden. Dieſes war nun (ſagte hierbey unſer Alt-Vater Alber- tus) eine ſtarcke Schmeicheley, allein/ es hatte dem ehrlichen Amias dam ahls alſo zu reden beliebt, die Dame aber ſiehet denſelben ſtarr an, und ſpricht: Mein Herr! euer Ehrwuͤrdiges graues Haupt brin- get vielen Reſpect zuwege, ſonſten wolte ſagen, daß ich nicht wuͤſte, wie ich mit euch dran waͤre, ob ihr nemlich etwa mit mir ſchertzen, oder ſonſten etwas einfaͤltiges aus meinen Gedancken locken woltet.
Dieſe Reden macht ſich Amias zu Nutze, und verſetzt dieſes darauf: Madam! dencket von mir was ihr wollet, nur richtet meine Reden nicht ehe nach der Schaͤrffe, biß ich euch eine Geſchicht er- zehlet, die gewiß nicht verdrießlich anzuhoͤren, und dabey die klare Wahrheit iſt. Hierauf faͤngt er an, als einer, der meine und der Meinigen gantze Lebens-Geſ[ch]icht vollkommen inne hatte, alles dasjenige auf dem Nagel her zu ſagen, was uns paſſiret iſt, und woruͤber ſich die Dame am Ende vor Verwunderung faſt nicht zu begreiffen weiß. Hiermit aber iſt es noch nicht genung/ ſondern Amias bittet dieſelbe, von allem dem, was ſie an- itzo gehoͤret, bey ihrer Geſellſchafft nichts kundbar zu machen, indem ſie gewiſſer Urſachen wegen, ſonſt Niemanden als ihr alleine, dergleichen Ge- heimniſſe wiſſen laſſen, vielmehr einen jeden be-
reden
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in die Rede, ich verſichere|, daß wir, die hier vor
euren Augen ſitzen, der Tugend wegen noch die ge-
ringſten heiſſen, denn diejenigen, ſo wir zuruͤck ge-
laſſen, ſind noch viel vollkommener, und wir leben
nur bemuͤhet, ihnen gleich zu werden. Dieſes
war nun (ſagte hierbey unſer Alt-Vater Alber-
tus) eine ſtarcke Schmeicheley, allein/ es hatte
dem ehrlichen Amias dam ahls alſo zu reden beliebt,
die Dame aber ſiehet denſelben ſtarr an, und ſpricht:
Mein Herr! euer Ehrwuͤrdiges graues Haupt brin-
get vielen Reſpect zuwege, ſonſten wolte ſagen,
daß ich nicht wuͤſte, wie ich mit euch dran waͤre, ob
ihr nemlich etwa mit mir ſchertzen, oder ſonſten
etwas einfaͤltiges aus meinen Gedancken locken
woltet.
Dieſe Reden macht ſich Amias zu Nutze, und
verſetzt dieſes darauf: Madam! dencket von mir
was ihr wollet, nur richtet meine Reden nicht ehe
nach der Schaͤrffe, biß ich euch eine Geſchicht er-
zehlet, die gewiß nicht verdrießlich anzuhoͤren, und
dabey die klare Wahrheit iſt. Hierauf faͤngt er
an, als einer, der meine und der Meinigen gantze
Lebens-Geſchicht vollkommen inne hatte, alles
dasjenige auf dem Nagel her zu ſagen, was uns
paſſiret iſt, und woruͤber ſich die Dame am Ende
vor Verwunderung faſt nicht zu begreiffen weiß.
Hiermit aber iſt es noch nicht genung/ ſondern
Amias bittet dieſelbe, von allem dem, was ſie an-
itzo gehoͤret, bey ihrer Geſellſchafft nichts kundbar
zu machen, indem ſie gewiſſer Urſachen wegen,
ſonſt Niemanden als ihr alleine, dergleichen Ge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/397>, abgerufen am 25.11.2024.
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