Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

sind, mir eine kurtze Erzehlung von eurem Geschlech-
te und eigner Auferziehung thun. Jch wegerte mich
im geringsten nicht, seinem Verlangen ein Genügen
zu leisten, und sassete zwar alles in möglichste Kürtze,
brachte aber dennoch länger als eine Stunde darmit
zu, war auch eben fertig, da die Speisen ausgetra-
gen wurden.

Nach dem wir beyderseits gesättiget, und aufge-
standen waren, befahl der Capitain, Toback und
Pfeiffen her zu geben, auch Coffee zurechte zu ma-
chen, er aber langete aus seinem Contoir einen
dreymahl versiegelten Brief, und überreichte wir
selben ohne einiges Wortsprechen. Jch sahe nach
der Uberschrifft, und fand dieselbe zu meiner grösten
Verwunderung also gesetzt:

Dieser im Namen der heiligen Dreyfaltig-
keit versiegelte Brief soll von niemand an-
ders gebrochen werden, als einem, der den
Geschlechts-Nahmen
Julius führet, von
dem
ao. 1633. unschnldig enthaupteten Ste-
phano Julius
NB.
erweißlich abstammet, und
auskeuschen Ehe-Bette gezeuget worden.

NB.

Der Fluch sehr alter Leute, die da GOtt fürchten, thut gott-
losen und betrügerischen Leuten Schaden.

Dergleichen Titul und Uberschrifft eines Briefes
war Zeit meines Lebens nicht vor meine Augen kom-
men, doch weil ich ein gut Gewissen hatte, konte mich
gar bald in den Handel schicken. Der Capitain
Wolffgang
sahe mich starr an, ich aber machte eine
freudige Mine, und sagte: Mon Pere, es fehlet

nichts

ſind, mir eine kurtze Erzehlung von eurem Geſchlech-
te und eigner Auferziehung thun. Jch wegerte mich
im geringſten nicht, ſeinem Verlangen ein Genuͤgen
zu leiſten, und ſaſſete zwar alles in moͤglichſte Kuͤrtze,
brachte aber dennoch laͤnger als eine Stunde darmit
zu, war auch eben fertig, da die Speiſen auſgetra-
gen wurden.

Nach dem wir beyderſeits geſaͤttiget, und aufge-
ſtanden waren, befahl der Capitain, Toback und
Pfeiffen her zu geben, auch Coffeé zurechte zu ma-
chen, er aber langete aus ſeinem Contoir einen
dreymahl verſiegelten Brief, und uͤberreichte wir
ſelben ohne einiges Wortſprechen. Jch ſahe nach
der Uberſchrifft, und fand dieſelbe zu meiner groͤſten
Verwunderung alſo geſetzt:

Dieſer im Namen der heiligen Dreyfaltig-
keit verſiegelte Brief ſoll von niemand an-
ders gebrochen werden, als einem, der den
Geſchlechts-Nahmen
Julius fuͤhret, von
dem
ao. 1633. unſchnldig enthaupteten Ste-
phano Julius
NB.
erweißlich abſtammet, und
auskeuſchen Ehe-Bette gezeuget worden.

NB.

Der Fluch ſehr alter Leute, die da GOtt fuͤrchten, thut gott-
loſen und betruͤgeriſchen Leuten Schaden.

Dergleichen Titul und Uberſchrifft eines Briefes
war Zeit meines Lebens nicht vor meine Augen kom-
men, doch weil ich ein gut Gewiſſen hatte, konte mich
gar bald in den Handel ſchicken. Der Capitain
Wolffgang
ſahe mich ſtarr an, ich aber machte eine
freudige Mine, und ſagte: Mon Pere, es fehlet

nichts
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="22"/>
&#x017F;ind, mir eine kurtze Erzehlung von eurem Ge&#x017F;chlech-<lb/>
te und eigner Auferziehung thun. Jch wegerte mich<lb/>
im gering&#x017F;ten nicht, &#x017F;einem Verlangen ein Genu&#x0364;gen<lb/>
zu lei&#x017F;ten, und &#x017F;a&#x017F;&#x017F;ete zwar alles in mo&#x0364;glich&#x017F;te Ku&#x0364;rtze,<lb/>
brachte aber dennoch la&#x0364;nger als eine Stunde darmit<lb/>
zu, war auch eben fertig, da die Spei&#x017F;en au&#x017F;getra-<lb/>
gen wurden.</p><lb/>
        <p>Nach dem wir beyder&#x017F;eits ge&#x017F;a&#x0364;ttiget, und aufge-<lb/>
&#x017F;tanden waren, befahl der <hi rendition="#aq">Capitain,</hi> Toback und<lb/>
Pfeiffen her zu geben, auch <hi rendition="#aq">Coffeé</hi> zurechte zu ma-<lb/>
chen, er aber langete aus &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Contoir</hi> einen<lb/>
dreymahl ver&#x017F;iegelten Brief, und u&#x0364;berreichte wir<lb/>
&#x017F;elben ohne einiges Wort&#x017F;prechen. Jch &#x017F;ahe nach<lb/>
der Uber&#x017F;chrifft, und fand die&#x017F;elbe zu meiner gro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Verwunderung al&#x017F;o ge&#x017F;etzt:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Die&#x017F;er im Namen der heiligen Dreyfaltig-<lb/>
keit ver&#x017F;iegelte Brief &#x017F;oll von niemand an-<lb/>
ders gebrochen werden, als einem, der den<lb/>
Ge&#x017F;chlechts-Nahmen</hi><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Julius</hi></hi><hi rendition="#fr">fu&#x0364;hret, von<lb/>
dem</hi><hi rendition="#aq">ao.</hi> 1633. <hi rendition="#fr">un&#x017F;chnldig enthaupteten</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ste-<lb/>
phano Julius</hi> NB.</hi> <hi rendition="#fr">erweißlich ab&#x017F;tammet, und<lb/>
auskeu&#x017F;chen Ehe-Bette gezeuget worden.</hi></p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">NB.</hi> </hi> </p><lb/>
        <p>Der Fluch &#x017F;ehr alter Leute, die da GOtt fu&#x0364;rchten, thut gott-<lb/>
lo&#x017F;en und betru&#x0364;geri&#x017F;chen Leuten Schaden.</p><lb/>
        <p>Dergleichen Titul und Uber&#x017F;chrifft eines Briefes<lb/>
war Zeit meines Lebens nicht vor meine Augen kom-<lb/>
men, doch weil ich ein gut Gewi&#x017F;&#x017F;en hatte, konte mich<lb/>
gar bald in den Handel &#x017F;chicken. Der <hi rendition="#aq">Capitain<lb/>
Wolffgang</hi> &#x017F;ahe mich &#x017F;tarr an, ich aber machte eine<lb/>
freudige Mine, und &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Mon Pere,</hi> es fehlet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nichts</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0034] ſind, mir eine kurtze Erzehlung von eurem Geſchlech- te und eigner Auferziehung thun. Jch wegerte mich im geringſten nicht, ſeinem Verlangen ein Genuͤgen zu leiſten, und ſaſſete zwar alles in moͤglichſte Kuͤrtze, brachte aber dennoch laͤnger als eine Stunde darmit zu, war auch eben fertig, da die Speiſen auſgetra- gen wurden. Nach dem wir beyderſeits geſaͤttiget, und aufge- ſtanden waren, befahl der Capitain, Toback und Pfeiffen her zu geben, auch Coffeé zurechte zu ma- chen, er aber langete aus ſeinem Contoir einen dreymahl verſiegelten Brief, und uͤberreichte wir ſelben ohne einiges Wortſprechen. Jch ſahe nach der Uberſchrifft, und fand dieſelbe zu meiner groͤſten Verwunderung alſo geſetzt: Dieſer im Namen der heiligen Dreyfaltig- keit verſiegelte Brief ſoll von niemand an- ders gebrochen werden, als einem, der den Geſchlechts-Nahmen Julius fuͤhret, von dem ao. 1633. unſchnldig enthaupteten Ste- phano Julius NB. erweißlich abſtammet, und auskeuſchen Ehe-Bette gezeuget worden. NB. Der Fluch ſehr alter Leute, die da GOtt fuͤrchten, thut gott- loſen und betruͤgeriſchen Leuten Schaden. Dergleichen Titul und Uberſchrifft eines Briefes war Zeit meines Lebens nicht vor meine Augen kom- men, doch weil ich ein gut Gewiſſen hatte, konte mich gar bald in den Handel ſchicken. Der Capitain Wolffgang ſahe mich ſtarr an, ich aber machte eine freudige Mine, und ſagte: Mon Pere, es fehlet nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/34
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/34>, abgerufen am 25.04.2024.