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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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mermehr in Haß und Zwietracht. GOTT
sey mit uns allezeit. Nach Verlesung dieses
werdet ihr mich bey dem Damme des Flus-
ses ziemlich beschämt finden, und ein mehre-
res mündlich mit mir überlegen können, all-
wo zugleich den Glück-Wunsch zu eurem
Geburts-Tage abstatten wird, die euch auf-
richtig ergebene


Concordia van Leuvens.

Jch blieb nach Verlesung dieses Briefes derge-
stalt entzückt stehen, daß ich mich in langer Zeit we-
gen der unverhofften frölichen Nachricht nicht be-
greiffen konte, wolte auch fast auf die Gedancken ge-
rathen, als suchte mich Concordia nur in Versu-
chung zu führen, da aber ihre bißherige aufrichtige
Gemüths-und Lebens-Art in etwas geuauere Be-
trachtung gezogen hatte, ließ ich allen Zweiffel fah-
ren, fassete ein besonders frisch Hertze, machte mich
auf den Weg, und fand meinen allerangeuehmsten
Schatz, mit ihrer kleinen Tochter, beym Damme in
Grase sitzend. Sie stund so bald sie mich von ferne
kommen sahe, auf, mir entgegen zu gehen, nachdem
ich ihr aber einen glückseeligen Morgen gewünschet,
erwiederte sie solchen mit einem wohlersonnenen
Glück-Wunsche wegen meines Geburts-Tages.
Jch stattete dieserwegen meine Dancksagung ab,
und wünschte ihr im Gegentheil, ein beständiges Lei-
bes-und Seelen-Vergnügen. Da sie sich aber nach
diesen auf einen daselbst liegenden Baum-Schafft

gefetzt,
R 4

mermehr in Haß und Zwietracht. GOTT
ſey mit uns allezeit. Nach Verleſung dieſes
werdet ihr mich bey dem Damme des Fluſ-
ſes ziemlich beſchaͤmt finden, und ein mehre-
res muͤndlich mit mir uͤberlegen koͤnnen, all-
wo zugleich den Gluͤck-Wunſch zu eurem
Geburts-Tage abſtatten wird, die euch auf-
richtig ergebene


Concordia van Leuvens.

Jch blieb nach Verleſung dieſes Briefes derge-
ſtalt entzuͤckt ſtehen, daß ich mich in langer Zeit we-
gen der unverhofften froͤlichen Nachricht nicht be-
greiffen konte, wolte auch faſt auf die Gedancken ge-
rathen, als ſuchte mich Concordia nur in Verſu-
chung zu fuͤhren, da aber ihre bißherige aufrichtige
Gemuͤths-und Lebens-Art in etwas geuauere Be-
trachtung gezogen hatte, ließ ich allen Zweiffel fah-
ren, faſſete ein beſonders friſch Hertze, machte mich
auf den Weg, und fand meinen allerangeuehmſten
Schatz, mit ihrer kleinen Tochter, beym Damme in
Graſe ſitzend. Sie ſtund ſo bald ſie mich von ferne
kommen ſahe, auf, mir entgegen zu gehen, nachdem
ich ihr aber einen gluͤckſeeligen Morgen gewuͤnſchet,
erwiederte ſie ſolchen mit einem wohlerſonnenen
Gluͤck-Wunſche wegen meines Geburts-Tages.
Jch ſtattete dieſerwegen meine Danckſagung ab,
und wuͤnſchte ihr im Gegentheil, ein beſtaͤndiges Lei-
bes-und Seelen-Vergnuͤgen. Da ſie ſich aber nach
dieſen auf einen daſelbſt liegenden Baum-Schafft

gefetzt,
R 4
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[263/0277] mermehr in Haß und Zwietracht. GOTT ſey mit uns allezeit. Nach Verleſung dieſes werdet ihr mich bey dem Damme des Fluſ- ſes ziemlich beſchaͤmt finden, und ein mehre- res muͤndlich mit mir uͤberlegen koͤnnen, all- wo zugleich den Gluͤck-Wunſch zu eurem Geburts-Tage abſtatten wird, die euch auf- richtig ergebene Geſchrieben den 7. Jan. 1648. Concordia van Leuvens. Jch blieb nach Verleſung dieſes Briefes derge- ſtalt entzuͤckt ſtehen, daß ich mich in langer Zeit we- gen der unverhofften froͤlichen Nachricht nicht be- greiffen konte, wolte auch faſt auf die Gedancken ge- rathen, als ſuchte mich Concordia nur in Verſu- chung zu fuͤhren, da aber ihre bißherige aufrichtige Gemuͤths-und Lebens-Art in etwas geuauere Be- trachtung gezogen hatte, ließ ich allen Zweiffel fah- ren, faſſete ein beſonders friſch Hertze, machte mich auf den Weg, und fand meinen allerangeuehmſten Schatz, mit ihrer kleinen Tochter, beym Damme in Graſe ſitzend. Sie ſtund ſo bald ſie mich von ferne kommen ſahe, auf, mir entgegen zu gehen, nachdem ich ihr aber einen gluͤckſeeligen Morgen gewuͤnſchet, erwiederte ſie ſolchen mit einem wohlerſonnenen Gluͤck-Wunſche wegen meines Geburts-Tages. Jch ſtattete dieſerwegen meine Danckſagung ab, und wuͤnſchte ihr im Gegentheil, ein beſtaͤndiges Lei- bes-und Seelen-Vergnuͤgen. Da ſie ſich aber nach dieſen auf einen daſelbſt liegenden Baum-Schafft gefetzt, R 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/277>, abgerufen am 17.05.2024.