len, und mich nach und nach von der brennenden Liebes-Gluth gantz verzehren lassen, als selbiges leichtsinniger Weise brechen will.
Einige hierbey aus meinen Augen rollende Thrä- nen hemmeten das fernere Reden, die kleine Con- cordia aber, welche kein Auge von meinem Gesichte verwandt hatte, fieng derowegen kläglich und bit- terlich an zu weinen, also drückte ich selbige aufs neue an meine Brust, küssete den mitleydigen En- gel, und stund kurtz hernach mein und ihrer Ge- müths-Veränderung wegen auf, um noch ein we- nig auf der Felsen-Höhe herum zu spatzieren. Doch wenig Minuten hierauf kam die 3te Person unserer hiesigen Menschlichen Gesellschafft herzu, und fragte auf eine zwar sehr freundliche, dochauch et- was tieffsinnige Art: Wie es uns gienge, und ob wir heute kein Schiff erblickt hätten? Jch fand mich auf diese unvermuthete Frage ziemlich betroffen, so daß die Röthe mir, wie ich glaube, ziemlich ins Gesichte trat, sagte aber: Daß wir heute so glücklich nicht gewesen wären. Mons. Albert! gab Concordia dar- auf: Jch bitte euch sehr, sehet nicht so offt nach vor- bey fahrenden Schiffen, denn selbige werden sol- chergestalt nur desto länger ausbleiben. Jhr habt seit einem Jahre vieles entdeckt und erfahren, was ihr kurtz vorhero nicht vermeynet habt, bedencket diese schöne Paradieß-Jnsul, bedencket, wie wol uns der Himmel mit Nahrung und Kleidern versorgt, bedencket noch dabey den fast unschätzbaren Schatz, welchen ihr ohne ängstliches Suchen und ungedul- tiges Hoffen gefuuden. Jst euch nun von dem Himmel eine noch fernere gewünschte Glück selig
keit
len, und mich nach und nach von der brennenden Liebes-Gluth gantz verzehren laſſen, als ſelbiges leichtſinniger Weiſe brechen will.
Einige hierbey aus meinen Augen rollende Thraͤ- nen hemmeten das fernere Reden, die kleine Con- cordia aber, welche kein Auge von meinem Geſichte verwandt hatte, fieng derowegen klaͤglich und bit- terlich an zu weinen, alſo druͤckte ich ſelbige aufs neue an meine Bruſt, kuͤſſete den mitleydigen En- gel, und ſtund kurtz hernach mein und ihrer Ge- muͤths-Veraͤnderung wegen auf, um noch ein we- nig auf der Felſen-Hoͤhe herum zu ſpatzieren. Doch wenig Minuten hierauf kam die 3te Perſon unſerer hieſigen Menſchlichen Geſellſchafft herzu, und fragte auf eine zwar ſehr freundliche, dochauch et- was tieffſinnige Art: Wie es uns gienge, und ob wir heute kein Schiff erblickt haͤtten? Jch fand mich auf dieſe unvermuthete Frage ziemlich betroffen, ſo daß die Roͤthe mir, wie ich glaube, ziemlich ins Geſichte trat, ſagte aber: Daß wir heute ſo gluͤcklich nicht geweſen waͤren. Monſ. Albert! gab Concordia dar- auf: Jch bitte euch ſehr, ſehet nicht ſo offt nach vor- bey fahrenden Schiffen, denn ſelbige werden ſol- chergeſtalt nur deſto laͤnger ausbleiben. Jhr habt ſeit einem Jahre vieles entdeckt und erfahren, was ihr kurtz vorhero nicht vermeynet habt, bedencket dieſe ſchoͤne Paradieß-Jnſul, bedencket, wie wol uns der Himmel mit Nahrung und Kleidern verſorgt, bedencket noch dabey den faſt unſchaͤtzbaren Schatz, welchen ihr ohne aͤngſtliches Suchen und ungedul- tiges Hoffen gefuuden. Jſt euch nun von dem Himmel eine noch fernere gewuͤnſchte Gluͤck ſelig
keit
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len, und mich nach und nach von der brennenden
Liebes-Gluth gantz verzehren laſſen, als ſelbiges
leichtſinniger Weiſe brechen will.
Einige hierbey aus meinen Augen rollende Thraͤ-
nen hemmeten das fernere Reden, die kleine Con-
cordia aber, welche kein Auge von meinem Geſichte
verwandt hatte, fieng derowegen klaͤglich und bit-
terlich an zu weinen, alſo druͤckte ich ſelbige aufs
neue an meine Bruſt, kuͤſſete den mitleydigen En-
gel, und ſtund kurtz hernach mein und ihrer Ge-
muͤths-Veraͤnderung wegen auf, um noch ein we-
nig auf der Felſen-Hoͤhe herum zu ſpatzieren. Doch
wenig Minuten hierauf kam die 3te Perſon unſerer
hieſigen Menſchlichen Geſellſchafft herzu, und
fragte auf eine zwar ſehr freundliche, dochauch et-
was tieffſinnige Art: Wie es uns gienge, und ob wir
heute kein Schiff erblickt haͤtten? Jch fand mich auf
dieſe unvermuthete Frage ziemlich betroffen, ſo daß
die Roͤthe mir, wie ich glaube, ziemlich ins Geſichte
trat, ſagte aber: Daß wir heute ſo gluͤcklich nicht
geweſen waͤren. Monſ. Albert! gab Concordia dar-
auf: Jch bitte euch ſehr, ſehet nicht ſo offt nach vor-
bey fahrenden Schiffen, denn ſelbige werden ſol-
chergeſtalt nur deſto laͤnger ausbleiben. Jhr habt
ſeit einem Jahre vieles entdeckt und erfahren, was
ihr kurtz vorhero nicht vermeynet habt, bedencket
dieſe ſchoͤne Paradieß-Jnſul, bedencket, wie wol uns
der Himmel mit Nahrung und Kleidern verſorgt,
bedencket noch dabey den faſt unſchaͤtzbaren Schatz,
welchen ihr ohne aͤngſtliches Suchen und ungedul-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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