Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Räncke mit der Zeit biß an den Posten eines Ca-
pitains
erhoben, ist wegen der kurtzen Frist, die ich
noch zu leben habe, unmöglich zu erzehlen. Der letz-
tere Sturm, der gleichen ich noch niemals, ihr aber
nebst mir ausgestanden, hätte mich bey nahe zur
Erkäntniß meiner Sünden gebracht; allein der
Satan, dem ich mich bereits vor etlichen Jahren
mit Leib und Seele verschrieben, hat mich durchaus
nicht dahin gelangen lassen, im Gegentheil mein
Hertz mit immerwährenden Boßheiten angefül-
let. - - - Er foderte hierbeo noch mals einen
Trunck Palmen-Safft, trancke, sahe hierauf die
Concordia mit starren Augen an, und sagte: Be-
jammerns-würdige Concordia! Nehmet den
Himmel zu einem Artzte an, indem ich eure noch nicht
einmal verblutete Hertzens-Wunde von neuem auf-
reisse und bekenne, daß ich gleich in der ersten Mi-
nute, da eure Schönheit mir in die Augen gefallen,
die verzweiffeltesten Anschläge gefasset eurer Per-
son und Liebe theilhafftig zu werden. Mehr als 8.
mahl habe ich noch auf dem Schiffe Gelegenheit ge-
sucht euren seligen Gemahl mit Giffte hinzurich-
ten: doch da er ohne eure Gesellschfft selten gegessen
oder getruncken hat, euer Leben aber mir allzukost-
bar war, sind meine Anstalten jederzeit vergeblich
gewesen. Oeffentlich habe niemals mit ihm anzu-
binden getrauet weil ich wohl gemerckt, daß er mir
an Hertzhafftigkeit überlegen, und ihn hinterlistiger
Weise zu ermorden wolte auch lange Zeit nicht an-
gehen, da ich befürchten muste, daß ihr deßwegen ei-
nen tödlichen Haß auf mich werfen möchtet. End-
lich aber gab mir der Teuffel und meine verfluchte

Begier-
O 4

Raͤncke mit der Zeit biß an den Poſten eines Ca-
pitains
erhoben, iſt wegen der kurtzen Friſt, die ich
noch zu leben habe, unmoͤglich zu erzehlen. Der letz-
tere Sturm, der gleichen ich noch niemals, ihr aber
nebſt mir ausgeſtanden, haͤtte mich bey nahe zur
Erkaͤntniß meiner Suͤnden gebracht; allein der
Satan, dem ich mich bereits vor etlichen Jahren
mit Leib und Seele verſchrieben, hat mich durchaus
nicht dahin gelangen laſſen, im Gegentheil mein
Hertz mit immerwaͤhrenden Boßheiten angefuͤl-
let. ‒ ‒ ‒ Er foderte hierbeo noch mals einen
Trunck Palmen-Safft, trancke, ſahe hierauf die
Concordia mit ſtarren Augen an, und ſagte: Be-
jammerns-wuͤrdige Concordia! Nehmet den
Him̃el zu einem Artzte an, indem ich eure noch nicht
einmal verblutete Heꝛtzens-Wunde von neuem auf-
reiſſe und bekenne, daß ich gleich in der erſten Mi-
nute, da eure Schoͤnheit mir in die Augen gefallen,
die verzweiffelteſten Anſchlaͤge gefaſſet eurer Per-
ſon und Liebe theilhafftig zu werden. Mehr als 8.
mahl habe ich noch auf dem Schiffe Gelegenheit ge-
ſucht euren ſeligen Gemahl mit Giffte hinzurich-
ten: doch da er ohne eure Geſellſchfft ſelten gegeſſen
oder getruncken hat, euer Leben aber mir allzukoſt-
bar war, ſind meine Anſtalten jederzeit vergeblich
geweſen. Oeffentlich habe niemals mit ihm anzu-
binden getrauet weil ich wohl gemerckt, daß er mir
an Hertzhafftigkeit uͤberlegen, und ihn hinterliſtiger
Weiſe zu ermorden wolte auch lange Zeit nicht an-
gehen, da ich befuͤrchten muſte, daß ihr deßwegen ei-
nen toͤdlichen Haß auf mich werfen moͤchtet. End-
lich aber gab mir der Teuffel und meine verfluchte

Begier-
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="215"/>
Ra&#x0364;ncke mit der Zeit biß an den Po&#x017F;ten eines <hi rendition="#aq">Ca-<lb/>
pitains</hi> erhoben, i&#x017F;t wegen der kurtzen Fri&#x017F;t, die ich<lb/>
noch zu leben habe, unmo&#x0364;glich zu erzehlen. Der letz-<lb/>
tere Sturm, der gleichen ich noch niemals, ihr aber<lb/>
neb&#x017F;t mir ausge&#x017F;tanden, ha&#x0364;tte mich bey nahe zur<lb/>
Erka&#x0364;ntniß meiner Su&#x0364;nden gebracht; allein der<lb/>
Satan, dem ich mich bereits vor etlichen Jahren<lb/>
mit Leib und Seele ver&#x017F;chrieben, hat mich durchaus<lb/>
nicht dahin gelangen la&#x017F;&#x017F;en, im Gegentheil mein<lb/>
Hertz mit immerwa&#x0364;hrenden Boßheiten angefu&#x0364;l-<lb/>
let. &#x2012; &#x2012; &#x2012; Er foderte hierbeo noch mals einen<lb/>
Trunck Palmen-Safft, trancke, &#x017F;ahe hierauf die<lb/><hi rendition="#aq">Concordia</hi> mit &#x017F;tarren Augen an, und &#x017F;agte: Be-<lb/>
jammerns-wu&#x0364;rdige <hi rendition="#aq">Concordia!</hi> Nehmet den<lb/>
Him&#x0303;el zu einem Artzte an, indem ich eure noch nicht<lb/>
einmal verblutete He&#xA75B;tzens-Wunde von neuem auf-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;e und bekenne, daß ich gleich in der er&#x017F;ten Mi-<lb/>
nute, da eure Scho&#x0364;nheit mir in die Augen gefallen,<lb/>
die verzweiffelte&#x017F;ten An&#x017F;chla&#x0364;ge gefa&#x017F;&#x017F;et eurer Per-<lb/>
&#x017F;on und Liebe theilhafftig zu werden. Mehr als 8.<lb/>
mahl habe ich noch auf dem Schiffe Gelegenheit ge-<lb/>
&#x017F;ucht euren &#x017F;eligen Gemahl mit Giffte hinzurich-<lb/>
ten: doch da er ohne eure Ge&#x017F;ell&#x017F;chfft &#x017F;elten gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
oder getruncken hat, euer Leben aber mir allzuko&#x017F;t-<lb/>
bar war, &#x017F;ind meine An&#x017F;talten jederzeit vergeblich<lb/>
gewe&#x017F;en. Oeffentlich habe niemals mit ihm anzu-<lb/>
binden getrauet weil ich wohl gemerckt, daß er mir<lb/>
an Hertzhafftigkeit u&#x0364;berlegen, und ihn hinterli&#x017F;tiger<lb/>
Wei&#x017F;e zu ermorden wolte auch lange Zeit nicht an-<lb/>
gehen, da ich befu&#x0364;rchten mu&#x017F;te, daß ihr deßwegen ei-<lb/>
nen to&#x0364;dlichen Haß auf mich werfen mo&#x0364;chtet. End-<lb/>
lich aber gab mir der Teuffel und meine verfluchte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Begier-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0229] Raͤncke mit der Zeit biß an den Poſten eines Ca- pitains erhoben, iſt wegen der kurtzen Friſt, die ich noch zu leben habe, unmoͤglich zu erzehlen. Der letz- tere Sturm, der gleichen ich noch niemals, ihr aber nebſt mir ausgeſtanden, haͤtte mich bey nahe zur Erkaͤntniß meiner Suͤnden gebracht; allein der Satan, dem ich mich bereits vor etlichen Jahren mit Leib und Seele verſchrieben, hat mich durchaus nicht dahin gelangen laſſen, im Gegentheil mein Hertz mit immerwaͤhrenden Boßheiten angefuͤl- let. ‒ ‒ ‒ Er foderte hierbeo noch mals einen Trunck Palmen-Safft, trancke, ſahe hierauf die Concordia mit ſtarren Augen an, und ſagte: Be- jammerns-wuͤrdige Concordia! Nehmet den Him̃el zu einem Artzte an, indem ich eure noch nicht einmal verblutete Heꝛtzens-Wunde von neuem auf- reiſſe und bekenne, daß ich gleich in der erſten Mi- nute, da eure Schoͤnheit mir in die Augen gefallen, die verzweiffelteſten Anſchlaͤge gefaſſet eurer Per- ſon und Liebe theilhafftig zu werden. Mehr als 8. mahl habe ich noch auf dem Schiffe Gelegenheit ge- ſucht euren ſeligen Gemahl mit Giffte hinzurich- ten: doch da er ohne eure Geſellſchfft ſelten gegeſſen oder getruncken hat, euer Leben aber mir allzukoſt- bar war, ſind meine Anſtalten jederzeit vergeblich geweſen. Oeffentlich habe niemals mit ihm anzu- binden getrauet weil ich wohl gemerckt, daß er mir an Hertzhafftigkeit uͤberlegen, und ihn hinterliſtiger Weiſe zu ermorden wolte auch lange Zeit nicht an- gehen, da ich befuͤrchten muſte, daß ihr deßwegen ei- nen toͤdlichen Haß auf mich werfen moͤchtet. End- lich aber gab mir der Teuffel und meine verfluchte Begier- O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/229
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/229>, abgerufen am 23.11.2024.