Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

offenhertziges Bekänntniß meiner und ihrer
Schand-und Mordthaten schrifftlich hinterließ, ich
aber hatte kaum Zeit, mich, nebst meiner neu erwehl-
ten Hureund etlichen kostbaren Sachen unter ver-
stellter Kleidung und Nahmen aus dem Lande zu
machen. - - Hier wolte dem Bösewicht auch
seine eigene schändliche Zunge den Dienst versagen,
weßwegen ich selbige zu stärcken ihm noch einen
Becher Palmen-Safft reichen muste, worauf er
seine Rede also fortsetzte.

Jch weiß und mercke, sagte er, daß ich nicht eher
sterben kan, biß ich auch den sterblichen Menschen
den meisten Theil meiner schändlichen Lebens-Ge-
schicht offenbahret habe, wisset demnach, daß ich in
Engelland, als wohin ich mit meiner Hure geflüch-
tet war, nicht allein diese wegen ihrer Untreue, son-
dern nebst derselben 19. Seelen allein durch Gifft
hingerichtet habe.

Jndessen aber hatte mich doch am Englischen
Hofe auf eine ziemliche Stuffe der Glückseligkeit
gebracht, allein mein Ehrgeitz und ausschweiffende
Wollust stürtzten den auf üblen Grunde ruhenden
Bau meiner zeitlichen Wohlfahrt gar bald dar-
nieder so daß ich unter abermals verwechselten
Nahmen und in verstellter Kleidung als ein Boots-
Knecht sehr arm und elend aus Engelland absee-
geln muste.

Ein gantz besonderes Glücke führete mich end-
lich auf ein Holländisches Caper-Schiff und mach-
te nach und nach aus mir einen ziemlich erfahrnen
See Mann, allein wie ich mich durch Gifft-Mi-
schen, Meuchel-Mord, Verrätherey und andere

Räncke

offenhertziges Bekaͤnntniß meiner und ihrer
Schand-und Mordthaten ſchrifftlich hinterließ, ich
aber hatte kaum Zeit, mich, nebſt meiner neu erwehl-
ten Hureund etlichen koſtbaren Sachen unter ver-
ſtellter Kleidung und Nahmen aus dem Lande zu
machen. ‒ ‒ Hier wolte dem Boͤſewicht auch
ſeine eigene ſchaͤndliche Zunge den Dienſt verſagen,
weßwegen ich ſelbige zu ſtaͤrcken ihm noch einen
Becher Palmen-Safft reichen muſte, worauf er
ſeine Rede alſo fortſetzte.

Jch weiß und mercke, ſagte er, daß ich nicht eher
ſterben kan, biß ich auch den ſterblichen Menſchen
den meiſten Theil meiner ſchaͤndlichen Lebens-Ge-
ſchicht offenbahret habe, wiſſet demnach, daß ich in
Engelland, als wohin ich mit meiner Hure gefluͤch-
tet war, nicht allein dieſe wegen ihrer Untreue, ſon-
dern nebſt derſelben 19. Seelen allein durch Gifft
hingerichtet habe.

Jndeſſen aber hatte mich doch am Engliſchen
Hofe auf eine ziemliche Stuffe der Gluͤckſeligkeit
gebracht, allein mein Ehrgeitz und ausſchweiffende
Wolluſt ſtuͤrtzten den auf uͤblen Grunde ruhenden
Bau meiner zeitlichen Wohlfahrt gar bald dar-
nieder ſo daß ich unter abermals verwechſelten
Nahmen und in verſtellter Kleidung als ein Boots-
Knecht ſehr arm und elend aus Engelland abſee-
geln muſte.

Ein gantz beſonderes Gluͤcke fuͤhrete mich end-
lich auf ein Hollaͤndiſches Caper-Schiff und mach-
te nach und nach aus mir einen ziemlich erfahrnen
See Mann, allein wie ich mich durch Gifft-Mi-
ſchen, Meuchel-Mord, Verraͤtherey und andere

Raͤncke
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0228" n="214"/>
offenhertziges Beka&#x0364;nntniß meiner und ihrer<lb/>
Schand-und Mordthaten &#x017F;chrifftlich hinterließ, ich<lb/>
aber hatte kaum Zeit, mich, neb&#x017F;t meiner neu erwehl-<lb/>
ten Hureund etlichen ko&#x017F;tbaren Sachen unter ver-<lb/>
&#x017F;tellter Kleidung und Nahmen aus dem Lande zu<lb/>
machen. &#x2012; &#x2012; Hier wolte dem Bo&#x0364;&#x017F;ewicht auch<lb/>
&#x017F;eine eigene &#x017F;cha&#x0364;ndliche Zunge den Dien&#x017F;t ver&#x017F;agen,<lb/>
weßwegen ich &#x017F;elbige zu &#x017F;ta&#x0364;rcken ihm noch einen<lb/>
Becher Palmen-Safft reichen mu&#x017F;te, worauf er<lb/>
&#x017F;eine Rede al&#x017F;o fort&#x017F;etzte.</p><lb/>
        <p>Jch weiß und mercke, &#x017F;agte er, daß ich nicht eher<lb/>
&#x017F;terben kan, biß ich auch den &#x017F;terblichen Men&#x017F;chen<lb/>
den mei&#x017F;ten Theil meiner &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Lebens-Ge-<lb/>
&#x017F;chicht offenbahret habe, wi&#x017F;&#x017F;et demnach, daß ich in<lb/>
Engelland, als wohin ich mit meiner Hure geflu&#x0364;ch-<lb/>
tet war, nicht allein die&#x017F;e wegen ihrer Untreue, &#x017F;on-<lb/>
dern neb&#x017F;t der&#x017F;elben 19. Seelen allein durch Gifft<lb/>
hingerichtet habe.</p><lb/>
        <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en aber hatte mich doch am Engli&#x017F;chen<lb/>
Hofe auf eine ziemliche Stuffe der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit<lb/>
gebracht, allein mein Ehrgeitz und aus&#x017F;chweiffende<lb/>
Wollu&#x017F;t &#x017F;tu&#x0364;rtzten den auf u&#x0364;blen Grunde ruhenden<lb/>
Bau meiner zeitlichen Wohlfahrt gar bald dar-<lb/>
nieder &#x017F;o daß ich unter abermals verwech&#x017F;elten<lb/>
Nahmen und in ver&#x017F;tellter Kleidung als ein Boots-<lb/>
Knecht &#x017F;ehr arm und elend aus Engelland ab&#x017F;ee-<lb/>
geln mu&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Ein gantz be&#x017F;onderes Glu&#x0364;cke fu&#x0364;hrete mich end-<lb/>
lich auf ein Holla&#x0364;ndi&#x017F;ches <hi rendition="#aq">Caper-</hi>Schiff und mach-<lb/>
te nach und nach aus mir einen ziemlich erfahrnen<lb/>
See Mann, allein wie ich mich durch Gifft-Mi-<lb/>
&#x017F;chen, Meuchel-Mord, Verra&#x0364;therey und andere<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ra&#x0364;ncke</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0228] offenhertziges Bekaͤnntniß meiner und ihrer Schand-und Mordthaten ſchrifftlich hinterließ, ich aber hatte kaum Zeit, mich, nebſt meiner neu erwehl- ten Hureund etlichen koſtbaren Sachen unter ver- ſtellter Kleidung und Nahmen aus dem Lande zu machen. ‒ ‒ Hier wolte dem Boͤſewicht auch ſeine eigene ſchaͤndliche Zunge den Dienſt verſagen, weßwegen ich ſelbige zu ſtaͤrcken ihm noch einen Becher Palmen-Safft reichen muſte, worauf er ſeine Rede alſo fortſetzte. Jch weiß und mercke, ſagte er, daß ich nicht eher ſterben kan, biß ich auch den ſterblichen Menſchen den meiſten Theil meiner ſchaͤndlichen Lebens-Ge- ſchicht offenbahret habe, wiſſet demnach, daß ich in Engelland, als wohin ich mit meiner Hure gefluͤch- tet war, nicht allein dieſe wegen ihrer Untreue, ſon- dern nebſt derſelben 19. Seelen allein durch Gifft hingerichtet habe. Jndeſſen aber hatte mich doch am Engliſchen Hofe auf eine ziemliche Stuffe der Gluͤckſeligkeit gebracht, allein mein Ehrgeitz und ausſchweiffende Wolluſt ſtuͤrtzten den auf uͤblen Grunde ruhenden Bau meiner zeitlichen Wohlfahrt gar bald dar- nieder ſo daß ich unter abermals verwechſelten Nahmen und in verſtellter Kleidung als ein Boots- Knecht ſehr arm und elend aus Engelland abſee- geln muſte. Ein gantz beſonderes Gluͤcke fuͤhrete mich end- lich auf ein Hollaͤndiſches Caper-Schiff und mach- te nach und nach aus mir einen ziemlich erfahrnen See Mann, allein wie ich mich durch Gifft-Mi- ſchen, Meuchel-Mord, Verraͤtherey und andere Raͤncke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/228
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/228>, abgerufen am 23.11.2024.