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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Füsse der beschwerlichen Bande entlediget und der
tödtlich verwundete Cörper auf eine Matratze ge-
legt. Er empfand einige Linderung der Schmer-
tzen, wolte aber seine empfangene Wunde we-
der anrühren noch besichtigen lassen, hielt im ge-
gentheil an die Concordia und mich ohngefähr
folgende Rede:

Wisset, sagte er, daß ich aus einem der allervor-
nehmsten Geschlechte in Franckreich entsprossen bin,
welches ich, indem es mich als einen rechten Greuel
der Tugenden erzeuget, nicht einmal nahmhafft
machen will. Jch habe in meinem 18den Jahre
meine leibliche Schwester genothzüchtiget, und
nachhero, da es ihr gefiel, in die 3. Jahr Blut-
Schande mit derselben getrieben. Zwey Huren-
Kinder, die binnen der Zeit von ihr kamen, habe ich
ermordet und in Schmeltz-Tiegeln als eine beson-
dere kostbare Massam zu Aschen verbrannt. Mein
Vater und Mutter entdeckten mit der Zeit unsere
abscheuliche Blutschande, liessen sich auch angele-
gen seyn eine fernere Untersuchung unsers Lebens
anzustellen, doch weil ich alles bey Zeiten erfuhr,
wurden sie heyde in einer Nacht durch beygebrach-
tes Gifft in die andere Welt geschickt. Hierauff
wolte meine Schwester und ich als Ehe-Leute un-
ter verwechselten Nahmen nach Spanien oder
Engelland gehen, allein eine andere wollüstige Hu-
re zohe meine gestilleten Begierden vollends von der
Schwester ab, und auf sich, weßwegen meine um
Ehre, Guth und Gewissen betrogene Schwester
sich nebst ihrer dritten von mir tragenden Leibes-
Frucht selbst ermordete, denen Gerichten aber ein

offen-
O 3

Fuͤſſe der beſchwerlichen Bande entlediget und der
toͤdtlich verwundete Coͤrper auf eine Matratze ge-
legt. Er empfand einige Linderung der Schmer-
tzen, wolte aber ſeine empfangene Wunde we-
der anruͤhren noch beſichtigen laſſen, hielt im ge-
gentheil an die Concordia und mich ohngefaͤhr
folgende Rede:

Wiſſet, ſagte er, daß ich aus einem der allervor-
nehmſten Geſchlechte in Franckreich entſproſſen bin,
welches ich, indem es mich als einen rechten Greuel
der Tugenden erzeuget, nicht einmal nahmhafft
machen will. Jch habe in meinem 18den Jahre
meine leibliche Schweſter genothzuͤchtiget, und
nachhero, da es ihr gefiel, in die 3. Jahr Blut-
Schande mit derſelben getrieben. Zwey Huren-
Kinder, die binnen der Zeit von ihr kamen, habe ich
ermordet und in Schmeltz-Tiegeln als eine beſon-
dere koſtbare Maſſam zu Aſchen verbrannt. Mein
Vater und Mutter entdeckten mit der Zeit unſere
abſcheuliche Blutſchande, lieſſen ſich auch angele-
gen ſeyn eine fernere Unterſuchung unſers Lebens
anzuſtellen, doch weil ich alles bey Zeiten erfuhr,
wurden ſie heyde in einer Nacht durch beygebrach-
tes Gifft in die andere Welt geſchickt. Hierauff
wolte meine Schweſter und ich als Ehe-Leute un-
ter verwechſelten Nahmen nach Spanien oder
Engelland gehen, allein eine andere wolluͤſtige Hu-
re zohe meine geſtilleten Begierden vollends von der
Schweſter ab, und auf ſich, weßwegen meine um
Ehre, Guth und Gewiſſen betrogene Schweſter
ſich nebſt ihrer dritten von mir tragenden Leibes-
Frucht ſelbſt ermordete, denen Gerichten aber ein

offen-
O 3
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[213/0227] Fuͤſſe der beſchwerlichen Bande entlediget und der toͤdtlich verwundete Coͤrper auf eine Matratze ge- legt. Er empfand einige Linderung der Schmer- tzen, wolte aber ſeine empfangene Wunde we- der anruͤhren noch beſichtigen laſſen, hielt im ge- gentheil an die Concordia und mich ohngefaͤhr folgende Rede: Wiſſet, ſagte er, daß ich aus einem der allervor- nehmſten Geſchlechte in Franckreich entſproſſen bin, welches ich, indem es mich als einen rechten Greuel der Tugenden erzeuget, nicht einmal nahmhafft machen will. Jch habe in meinem 18den Jahre meine leibliche Schweſter genothzuͤchtiget, und nachhero, da es ihr gefiel, in die 3. Jahr Blut- Schande mit derſelben getrieben. Zwey Huren- Kinder, die binnen der Zeit von ihr kamen, habe ich ermordet und in Schmeltz-Tiegeln als eine beſon- dere koſtbare Maſſam zu Aſchen verbrannt. Mein Vater und Mutter entdeckten mit der Zeit unſere abſcheuliche Blutſchande, lieſſen ſich auch angele- gen ſeyn eine fernere Unterſuchung unſers Lebens anzuſtellen, doch weil ich alles bey Zeiten erfuhr, wurden ſie heyde in einer Nacht durch beygebrach- tes Gifft in die andere Welt geſchickt. Hierauff wolte meine Schweſter und ich als Ehe-Leute un- ter verwechſelten Nahmen nach Spanien oder Engelland gehen, allein eine andere wolluͤſtige Hu- re zohe meine geſtilleten Begierden vollends von der Schweſter ab, und auf ſich, weßwegen meine um Ehre, Guth und Gewiſſen betrogene Schweſter ſich nebſt ihrer dritten von mir tragenden Leibes- Frucht ſelbſt ermordete, denen Gerichten aber ein offen- O 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/227>, abgerufen am 03.05.2024.