Wittenberg vorgenommenen Reise nichts werden solte. Denn als ich etliche Tage nach meinen ge- haltenen Kirch-Gange und erster Ausflucht mein Morgen-Gebeth annoch verrichtete; klopffte der Brief-Träger von der Post an meine Thür, und nach Eröffnung derselben, wurde mir von ihm ein Brief eingehändiget, welchen ich mit zitterenden Händen erbrach, und also gesetzt befand:
D. d. 21. May 1725.
Monsieur,
JHnen werden diese Zeilen, so von einer ih- rerFamiliegantz unbekannten Hand ge- schrieben sind, ohnfehlbar viele Verwunde- rung verursachen. Allein als einStudirender, werden sie vielleicht besser, als andere Ungelehr- te, zu begreiffen wissen, wie unbegreiflich zu- weilen der Himmel das Schicksal der sterblichen Menschendisponiret.Jch Endes unterschriebe- ner bin zwar ein Teutscher von Geburt, stehe aber voritzo als Schiffs-Capitainin Holländi- schen Diensten, u. bin vor wenig Tagen alhier in ihrer Geburts-Stadtangelanget, in Meinung dero Herrn Vater anzutreffen, dem ich eine der allerprofitablesten Zeitungen von der Welt per- sönlichüberbringen wolte; Allein ich habe zu meinem allergrösten Mißvergnügen nicht al- lein sein gehabtes Unglück, sondernüber dieses noch vernehmen müssen: daß er allbereit vor Monats-Frist zu Schiffe nach West-Jndien gegangen. Diesem aber ohngeachtet, verbin- det mich ein geleisteter cörperlicher Evd: Jhnen,Monsieur Eherhard Julius,als dessen
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Wittenberg vorgenommenen Reiſe nichts werden ſolte. Denn als ich etliche Tage nach meinen ge- haltenen Kirch-Gange und erſter Ausflucht mein Morgen-Gebeth annoch verrichtete; klopffte der Brief-Traͤger von der Poſt an meine Thuͤr, und nach Eroͤffnung derſelben, wurde mir von ihm ein Brief eingehaͤndiget, welchen ich mit zitterenden Haͤnden erbrach, und alſo geſetzt befand:
D. d. 21. May 1725.
Monſieur,
JHnen werden dieſe Zeilen, ſo von einer ih- rerFamiliegantz unbekannten Hand ge- ſchrieben ſind, ohnfehlbar viele Verwunde- rung verurſachen. Allein als einStudirender, werdẽ ſie vielleicht beſſer, als andeꝛe Ungelehꝛ- te, zu begreiffen wiſſen, wie unbegreiflich zu- weilen der Him̃el das Schickſal der ſterblichen Menſchẽdiſponiret.Jch Endes unteꝛſchꝛiebe- ner bin zwar ein Teutſcher von Geburt, ſtehe aber voritzo als Schiffs-Capitainin Hollaͤndi- ſchen Dienſten, u. bin vor wenig Tagẽ alhieꝛ in ihrer Geburts-Stadtangelanget, in Meinung dero Herrn Vater anzutreffen, dem ich eine der allerprofitableſten Zeitungẽ von der Welt peꝛ- ſoͤnlichuͤberbringen wolte; Allein ich habe zu meinem allergroͤſten Mißvergnuͤgen nicht al- lein ſein gehabtes Ungluͤck, ſondernuͤber dieſes noch vernehmen muͤſſen: daß er allbereit vor Monats-Friſt zu Schiffe nach Weſt-Jndien gegangen. Dieſem aber ohngeachtet, verbin- det mich ein geleiſteter coͤrperlicher Evd: Jhnen,Monſieur Eherhard Julius,als deſſen
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Wittenberg vorgenommenen Reiſe nichts werden
ſolte. Denn als ich etliche Tage nach meinen ge-
haltenen Kirch-Gange und erſter Ausflucht mein
Morgen-Gebeth annoch verrichtete; klopffte der
Brief-Traͤger von der Poſt an meine Thuͤr, und
nach Eroͤffnung derſelben, wurde mir von ihm ein
Brief eingehaͤndiget, welchen ich mit zitterenden
Haͤnden erbrach, und alſo geſetzt befand:
D. d. 21. May 1725.
Monſieur,
JHnen werden dieſe Zeilen, ſo von einer ih-
rer Familie gantz unbekannten Hand ge-
ſchrieben ſind, ohnfehlbar viele Verwunde-
rung verurſachen. Allein als ein Studirender,
werdẽ ſie vielleicht beſſer, als andeꝛe Ungelehꝛ-
te, zu begreiffen wiſſen, wie unbegreiflich zu-
weilen der Him̃el das Schickſal der ſterblichen
Menſchẽ diſponiret. Jch Endes unteꝛſchꝛiebe-
ner bin zwar ein Teutſcher von Geburt, ſtehe
aber voritzo als Schiffs-Capitain in Hollaͤndi-
ſchen Dienſten, u. bin vor wenig Tagẽ alhieꝛ in
ihrer Geburts-Stadtangelanget, in Meinung
dero Herrn Vater anzutreffen, dem ich eine der
aller profitableſten Zeitungẽ von der Welt peꝛ-
ſoͤnlichuͤberbringen wolte; Allein ich habe zu
meinem allergroͤſten Mißvergnuͤgen nicht al-
lein ſein gehabtes Ungluͤck, ſondernuͤber dieſes
noch vernehmen muͤſſen: daß er allbereit vor
Monats-Friſt zu Schiffe nach Weſt-Jndien
gegangen. Dieſem aber ohngeachtet, verbin-
det mich ein geleiſteter coͤrperlicher Evd:
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/21>, abgerufen am 21.11.2024.
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