Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

den Ausfall des Flusses gegen Mitternacht zu, un-
ter dem Felsen hindurch, ein gantz bequemer Aus-
gang von der Jnsul nach der Sand-Banck und
dem Meere zu, anzutreffen sey. Wenn man vor-
hero erstlich in den heissen Monaten, da der Fluß
am schwächsten lieffe, einen Damm gemacht, und
dessen Wasser durch den Canal, welchen Cyrillo
nebst seinen Gefährten vor numehro 125. Jahren
gegraben, in die kleine See zum Ausflusse führete.
Dieses nun in Erfahrung zu bringen, sahen wir
gegenwärtige Zeit am allerbequemsten, weil uns
der seichte Fluß einen Damm hinein zu machen Er-
laubniß zu geben schien. Demnach fälleten wir et-
liche Bäume, zersägten dieselben, und rammelten
ziemlich grosse Plöcke um die Gegend in den Fluß,
wo wir die Wahrzeichen des Dammes unserer
Vorfahren mit grossen Freuden wahrgenommen
hatten. Vor die mit allergröster Müh eingeramm-
leten Plöcke wurden lange Bäume über einander
gelegt, von solcher Dicke, als wir dieselbe fortzu-
schleppen vermögend waren, und diese musten die
vorgesetzten Rasen-Stücke nebst dem vorgeschütte-
ten fetten Erdreiche aufhalten. Mit solcher Arbeit
brachten wir biß in die 4te Woche zu, binnen wel-
cher Zeit der Damm seine nöthige Höhe erreichte,
so daß fast kein Tropffen Wasser hindurch konte,
hergegen alles durch den Canal sich in die kleine See
ergoß. Lemelie hatte sich bey dieser sauren Ar-
beit dermassen fleißig, in übriger Aufführung aber
so wohl gehalten, daß wir ingesammt glaubten, sein
voriges übeles Leben müsse ihm gereuet, und er von
da an einen bessern Vorsatz gefasset haben.

Nun-

den Ausfall des Fluſſes gegen Mitternacht zu, un-
ter dem Felſen hindurch, ein gantz bequemer Aus-
gang von der Jnſul nach der Sand-Banck und
dem Meere zu, anzutreffen ſey. Wenn man vor-
hero erſtlich in den heiſſen Monaten, da der Fluß
am ſchwaͤchſten lieffe, einen Damm gemacht, und
deſſen Waſſer durch den Canal, welchen Cyrillo
nebſt ſeinen Gefaͤhrten vor numehro 125. Jahren
gegraben, in die kleine See zum Ausfluſſe fuͤhrete.
Dieſes nun in Erfahrung zu bringen, ſahen wir
gegenwaͤrtige Zeit am allerbequemſten, weil uns
der ſeichte Fluß einen Damm hinein zu machen Er-
laubniß zu geben ſchien. Demnach faͤlleten wir et-
liche Baͤume, zerſaͤgten dieſelben, und rammelten
ziemlich groſſe Ploͤcke um die Gegend in den Fluß,
wo wir die Wahrzeichen des Dammes unſerer
Vorfahren mit groſſen Freuden wahrgenommen
hatten. Vor die mit allergroͤſter Muͤh eingeramm-
leten Ploͤcke wurden lange Baͤume uͤber einander
gelegt, von ſolcher Dicke, als wir dieſelbe fortzu-
ſchleppen vermoͤgend waren, und dieſe muſten die
vorgeſetzten Raſen-Stuͤcke nebſt dem vorgeſchuͤtte-
ten fetten Erdreiche aufhalten. Mit ſolcher Arbeit
brachten wir biß in die 4te Woche zu, binnen wel-
cher Zeit der Damm ſeine noͤthige Hoͤhe erreichte,
ſo daß faſt kein Tropffen Waſſer hindurch konte,
hergegen alles durch den Canal ſich in die kleine See
ergoß. Lemelie hatte ſich bey dieſer ſauren Ar-
beit dermaſſen fleißig, in uͤbriger Auffuͤhrung aber
ſo wohl gehalten, daß wir ingeſammt glaubten, ſein
voriges uͤbeles Leben muͤſſe ihm gereuet, und er von
da an einen beſſern Vorſatz gefaſſet haben.

Nun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="194"/>
den Ausfall des Flu&#x017F;&#x017F;es gegen Mitternacht zu, un-<lb/>
ter dem Fel&#x017F;en hindurch, ein gantz bequemer Aus-<lb/>
gang von der Jn&#x017F;ul nach der Sand-Banck und<lb/>
dem Meere zu, anzutreffen &#x017F;ey. Wenn man vor-<lb/>
hero er&#x017F;tlich in den hei&#x017F;&#x017F;en Monaten, da der Fluß<lb/>
am &#x017F;chwa&#x0364;ch&#x017F;ten lieffe, einen Damm gemacht, und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;er durch den <hi rendition="#aq">Canal,</hi> welchen <hi rendition="#aq">Cyrillo</hi><lb/>
neb&#x017F;t &#x017F;einen Gefa&#x0364;hrten vor numehro 125. Jahren<lb/>
gegraben, in die kleine See zum Ausflu&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;hrete.<lb/>
Die&#x017F;es nun in Erfahrung zu bringen, &#x017F;ahen wir<lb/>
gegenwa&#x0364;rtige Zeit am allerbequem&#x017F;ten, weil uns<lb/>
der &#x017F;eichte Fluß einen Damm hinein zu machen Er-<lb/>
laubniß zu geben &#x017F;chien. Demnach fa&#x0364;lleten wir et-<lb/>
liche Ba&#x0364;ume, zer&#x017F;a&#x0364;gten die&#x017F;elben, und rammelten<lb/>
ziemlich gro&#x017F;&#x017F;e Plo&#x0364;cke um die Gegend in den Fluß,<lb/>
wo wir die Wahrzeichen des Dammes un&#x017F;erer<lb/>
Vorfahren mit gro&#x017F;&#x017F;en Freuden wahrgenommen<lb/>
hatten. Vor die mit allergro&#x0364;&#x017F;ter Mu&#x0364;h eingeramm-<lb/>
leten Plo&#x0364;cke wurden lange Ba&#x0364;ume u&#x0364;ber einander<lb/>
gelegt, von &#x017F;olcher Dicke, als wir die&#x017F;elbe fortzu-<lb/>
&#x017F;chleppen vermo&#x0364;gend waren, und die&#x017F;e mu&#x017F;ten die<lb/>
vorge&#x017F;etzten Ra&#x017F;en-Stu&#x0364;cke neb&#x017F;t dem vorge&#x017F;chu&#x0364;tte-<lb/>
ten fetten Erdreiche aufhalten. Mit &#x017F;olcher Arbeit<lb/>
brachten wir biß in die 4te Woche zu, binnen wel-<lb/>
cher Zeit der Damm &#x017F;eine no&#x0364;thige Ho&#x0364;he erreichte,<lb/>
&#x017F;o daß fa&#x017F;t kein Tropffen Wa&#x017F;&#x017F;er hindurch konte,<lb/>
hergegen alles durch den <hi rendition="#aq">Canal</hi> &#x017F;ich in die kleine See<lb/>
ergoß. <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> hatte &#x017F;ich bey die&#x017F;er &#x017F;auren Ar-<lb/>
beit derma&#x017F;&#x017F;en fleißig, in u&#x0364;briger Auffu&#x0364;hrung aber<lb/>
&#x017F;o wohl gehalten, daß wir inge&#x017F;ammt glaubten, &#x017F;ein<lb/>
voriges u&#x0364;beles Leben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ihm gereuet, und er von<lb/>
da an einen be&#x017F;&#x017F;ern Vor&#x017F;atz gefa&#x017F;&#x017F;et haben.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nun-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] den Ausfall des Fluſſes gegen Mitternacht zu, un- ter dem Felſen hindurch, ein gantz bequemer Aus- gang von der Jnſul nach der Sand-Banck und dem Meere zu, anzutreffen ſey. Wenn man vor- hero erſtlich in den heiſſen Monaten, da der Fluß am ſchwaͤchſten lieffe, einen Damm gemacht, und deſſen Waſſer durch den Canal, welchen Cyrillo nebſt ſeinen Gefaͤhrten vor numehro 125. Jahren gegraben, in die kleine See zum Ausfluſſe fuͤhrete. Dieſes nun in Erfahrung zu bringen, ſahen wir gegenwaͤrtige Zeit am allerbequemſten, weil uns der ſeichte Fluß einen Damm hinein zu machen Er- laubniß zu geben ſchien. Demnach faͤlleten wir et- liche Baͤume, zerſaͤgten dieſelben, und rammelten ziemlich groſſe Ploͤcke um die Gegend in den Fluß, wo wir die Wahrzeichen des Dammes unſerer Vorfahren mit groſſen Freuden wahrgenommen hatten. Vor die mit allergroͤſter Muͤh eingeramm- leten Ploͤcke wurden lange Baͤume uͤber einander gelegt, von ſolcher Dicke, als wir dieſelbe fortzu- ſchleppen vermoͤgend waren, und dieſe muſten die vorgeſetzten Raſen-Stuͤcke nebſt dem vorgeſchuͤtte- ten fetten Erdreiche aufhalten. Mit ſolcher Arbeit brachten wir biß in die 4te Woche zu, binnen wel- cher Zeit der Damm ſeine noͤthige Hoͤhe erreichte, ſo daß faſt kein Tropffen Waſſer hindurch konte, hergegen alles durch den Canal ſich in die kleine See ergoß. Lemelie hatte ſich bey dieſer ſauren Ar- beit dermaſſen fleißig, in uͤbriger Auffuͤhrung aber ſo wohl gehalten, daß wir ingeſammt glaubten, ſein voriges uͤbeles Leben muͤſſe ihm gereuet, und er von da an einen beſſern Vorſatz gefaſſet haben. Nun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/208
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/208>, abgerufen am 03.05.2024.