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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Blut in meinen Adern rinnet, meine Concordia
mit keinem Menschen auf der Welt theilen werde,
weil sie mir und ich ihr allein auf Lebens-Zeit be-
ständige Treue und Liebe zugeschworen.

Concordia vergoß mitlerzeit die bittersten
Thränen, schlug die Hände über den Kopffe zu-
sammen, und schrye: Ach grausames Verhäng-
niß, so hast du mich denn aus dem halb überstande-
nen Tode an solchen Ort geführet, wo mich die
Leute an statt einer allgemeinen Hure gebrauchen
wollen? O Himmel, erbarme dich! Jch vor mei-
ne Person hätte vor Jammer bald mit geweinet,
legte mich aber vor sie auf die Knie, und sagte: Ma-
dame,
ich bitte euch um GOttes willen, redet nicht
von allen, da ihr euch nur über eine Person zu be-
schweren Ursach habt, denn ich ruffe GOtt und alle
heiligen Engel zu Zeugen an, daß mir niemahls
dergleichen frevelhaffte und höchst-sündliche Ge-
dancken ins Hertz oder Haupt kommen sind, ja ich
schwere noch auf itzo und folgende Zeit, daß ich eher
dieses Stillet selbst in meinen Leib stossen, als euch
den allergeringsten Verdruß erwecken wolte. Ver-
zeihet mit, guter Albert, war ihre Antwort, daß ich
unbesonnener Weise mehr als einen Menschen an-
geklagt habe. GOtt weiß, daß ich euch vor red-
lich, keusch und tugenhafft halte, aber der Him-
mel wird alle geilen Frevler straffen, das weiß ich
gewiß. Worauf sich aus ihren schönen Augen ein
neuer Thränen-Strohm ergoß, der den Lemelie
dahin bewegte, daß er sich voller Trug und List, doch
mit verstellter Aufrichtigkeit, auch zu ihren Füssen
warff, und folgende Worte vorbrachte: Madame,

lasset

Blut in meinen Adern rinnet, meine Concordia
mit keinem Menſchen auf der Welt theilen werde,
weil ſie mir und ich ihr allein auf Lebens-Zeit be-
ſtaͤndige Treue und Liebe zugeſchworen.

Concordia vergoß mitlerzeit die bitterſten
Thraͤnen, ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopffe zu-
ſammen, und ſchrye: Ach grauſames Verhaͤng-
niß, ſo haſt du mich denn aus dem halb uͤberſtande-
nen Tode an ſolchen Ort gefuͤhret, wo mich die
Leute an ſtatt einer allgemeinen Hure gebrauchen
wollen? O Himmel, erbarme dich! Jch vor mei-
ne Perſon haͤtte vor Jammer bald mit geweinet,
legte mich aber vor ſie auf die Knie, und ſagte: Ma-
dame,
ich bitte euch um GOttes willen, redet nicht
von allen, da ihr euch nur uͤber eine Perſon zu be-
ſchweren Urſach habt, denn ich ruffe GOtt und alle
heiligen Engel zu Zeugen an, daß mir niemahls
dergleichen frevelhaffte und hoͤchſt-ſuͤndliche Ge-
dancken ins Hertz oder Haupt kommen ſind, ja ich
ſchwere noch auf itzo und folgende Zeit, daß ich eher
dieſes Stillet ſelbſt in meinen Leib ſtoſſen, als euch
den allergeringſten Verdruß erwecken wolte. Ver-
zeihet mit, guter Albert, war ihre Antwort, daß ich
unbeſonnener Weiſe mehr als einen Menſchen an-
geklagt habe. GOtt weiß, daß ich euch vor red-
lich, keuſch und tugenhafft halte, aber der Him-
mel wird alle geilen Frevler ſtraffen, das weiß ich
gewiß. Worauf ſich aus ihren ſchoͤnen Augen ein
neuer Thraͤnen-Strohm ergoß, der den Lemelie
dahin bewegte, daß er ſich voller Trug und Liſt, doch
mit verſtellter Aufrichtigkeit, auch zu ihren Fuͤſſen
warff, und folgende Worte vorbrachte: Madame,

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[168/0182] Blut in meinen Adern rinnet, meine Concordia mit keinem Menſchen auf der Welt theilen werde, weil ſie mir und ich ihr allein auf Lebens-Zeit be- ſtaͤndige Treue und Liebe zugeſchworen. Concordia vergoß mitlerzeit die bitterſten Thraͤnen, ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopffe zu- ſammen, und ſchrye: Ach grauſames Verhaͤng- niß, ſo haſt du mich denn aus dem halb uͤberſtande- nen Tode an ſolchen Ort gefuͤhret, wo mich die Leute an ſtatt einer allgemeinen Hure gebrauchen wollen? O Himmel, erbarme dich! Jch vor mei- ne Perſon haͤtte vor Jammer bald mit geweinet, legte mich aber vor ſie auf die Knie, und ſagte: Ma- dame, ich bitte euch um GOttes willen, redet nicht von allen, da ihr euch nur uͤber eine Perſon zu be- ſchweren Urſach habt, denn ich ruffe GOtt und alle heiligen Engel zu Zeugen an, daß mir niemahls dergleichen frevelhaffte und hoͤchſt-ſuͤndliche Ge- dancken ins Hertz oder Haupt kommen ſind, ja ich ſchwere noch auf itzo und folgende Zeit, daß ich eher dieſes Stillet ſelbſt in meinen Leib ſtoſſen, als euch den allergeringſten Verdruß erwecken wolte. Ver- zeihet mit, guter Albert, war ihre Antwort, daß ich unbeſonnener Weiſe mehr als einen Menſchen an- geklagt habe. GOtt weiß, daß ich euch vor red- lich, keuſch und tugenhafft halte, aber der Him- mel wird alle geilen Frevler ſtraffen, das weiß ich gewiß. Worauf ſich aus ihren ſchoͤnen Augen ein neuer Thraͤnen-Strohm ergoß, der den Lemelie dahin bewegte, daß er ſich voller Trug und Liſt, doch mit verſtellter Aufrichtigkeit, auch zu ihren Fuͤſſen warff, und folgende Worte vorbrachte: Madame, laſſet

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/182>, abgerufen am 22.11.2024.