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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Seiltänzer ihre Künste zum Besten gaben. Zugleich hingen Bilder an den Bretterwänden mit den Abbildungen von Kaffern, die da auch zu sehen sein sollten. Er erkannte die Bilder wieder; er hatte sie in Salzburg an dem Tage gesehen, an welchem er Franzel vergeblich gesucht. Die Erinnerung trieb ihn an, sich unter das bunte Volk zu mischen, das in den Schauplatz drängte. Er sehnte sich ordentlich darnach, Menschen zu sehen, die wenigstens in Einem Stücke der lieben Verlorenen ähnlich waren.

Er schenkte den Kraftstücken und Sprüngen, welche die Aufführung einleiteten, wenig Aufmerksamkeit und erwartete mit Ungeduld das Auftreten der Wilden. Jetzt wurde die berühmte Afrikanerin angekündigt, das Non plus ultra von Gewandtheit und Zierlichkeit in ihren heimathlichen Tänzen. Alles war begierig, aber die Angekündigte kam nicht; statt dessen hörte man hinter der Bühne eine wilde, scheltende und fluchende Stimme und der Gegenstand der allgemeinen Neugier erschien endlich, aber offenbar widerwillig und mehr herausgeschoben als selbst vortretend. Es war eine hohe schlanke Gestalt in einem hellblauen Gewände, das, von einem goldenen Gürtel zusammengehalten, Arme und Beine frei ließ, an denen ebenfalls metallene Ringe glänzten. Sie trug gelbe Kugeln in den Händen, mit denen sie den Tanz zwischen allerlei Hindernissen beginnen sollte, die am Boden umhergestellt wurden und nicht berührt werden durften. Eine mißtönende Musik begann,

Seiltänzer ihre Künste zum Besten gaben. Zugleich hingen Bilder an den Bretterwänden mit den Abbildungen von Kaffern, die da auch zu sehen sein sollten. Er erkannte die Bilder wieder; er hatte sie in Salzburg an dem Tage gesehen, an welchem er Franzel vergeblich gesucht. Die Erinnerung trieb ihn an, sich unter das bunte Volk zu mischen, das in den Schauplatz drängte. Er sehnte sich ordentlich darnach, Menschen zu sehen, die wenigstens in Einem Stücke der lieben Verlorenen ähnlich waren.

Er schenkte den Kraftstücken und Sprüngen, welche die Aufführung einleiteten, wenig Aufmerksamkeit und erwartete mit Ungeduld das Auftreten der Wilden. Jetzt wurde die berühmte Afrikanerin angekündigt, das Non plus ultra von Gewandtheit und Zierlichkeit in ihren heimathlichen Tänzen. Alles war begierig, aber die Angekündigte kam nicht; statt dessen hörte man hinter der Bühne eine wilde, scheltende und fluchende Stimme und der Gegenstand der allgemeinen Neugier erschien endlich, aber offenbar widerwillig und mehr herausgeschoben als selbst vortretend. Es war eine hohe schlanke Gestalt in einem hellblauen Gewände, das, von einem goldenen Gürtel zusammengehalten, Arme und Beine frei ließ, an denen ebenfalls metallene Ringe glänzten. Sie trug gelbe Kugeln in den Händen, mit denen sie den Tanz zwischen allerlei Hindernissen beginnen sollte, die am Boden umhergestellt wurden und nicht berührt werden durften. Eine mißtönende Musik begann,

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[0085] Seiltänzer ihre Künste zum Besten gaben. Zugleich hingen Bilder an den Bretterwänden mit den Abbildungen von Kaffern, die da auch zu sehen sein sollten. Er erkannte die Bilder wieder; er hatte sie in Salzburg an dem Tage gesehen, an welchem er Franzel vergeblich gesucht. Die Erinnerung trieb ihn an, sich unter das bunte Volk zu mischen, das in den Schauplatz drängte. Er sehnte sich ordentlich darnach, Menschen zu sehen, die wenigstens in Einem Stücke der lieben Verlorenen ähnlich waren. Er schenkte den Kraftstücken und Sprüngen, welche die Aufführung einleiteten, wenig Aufmerksamkeit und erwartete mit Ungeduld das Auftreten der Wilden. Jetzt wurde die berühmte Afrikanerin angekündigt, das Non plus ultra von Gewandtheit und Zierlichkeit in ihren heimathlichen Tänzen. Alles war begierig, aber die Angekündigte kam nicht; statt dessen hörte man hinter der Bühne eine wilde, scheltende und fluchende Stimme und der Gegenstand der allgemeinen Neugier erschien endlich, aber offenbar widerwillig und mehr herausgeschoben als selbst vortretend. Es war eine hohe schlanke Gestalt in einem hellblauen Gewände, das, von einem goldenen Gürtel zusammengehalten, Arme und Beine frei ließ, an denen ebenfalls metallene Ringe glänzten. Sie trug gelbe Kugeln in den Händen, mit denen sie den Tanz zwischen allerlei Hindernissen beginnen sollte, die am Boden umhergestellt wurden und nicht berührt werden durften. Eine mißtönende Musik begann,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/85>, abgerufen am 19.05.2024.