Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Wenn sich die Königin ihr genahet hat,
Denn Gnade bringt die königliche Nähe --

Elisabeth.
(nachdem sie den Brief gelesen, ihre Thränen trocknend)
Was ist der Mensch! Was ist das Glück der Erde!
Wie weit ist diese Königin gebracht,
Die mit so stolzen Hoffnungen begann,
Die auf den ältsten Thron der Christenheit
Berufen worden, die in ihrem Sinn
Drei Kronen schon auf's Haupt zu setzen meinte!
Welch andre Sprache führt sie jetzt als damals,
Da sie das Wappen Englands angenommen,
Und von den Schmeichlern ihres Hofs sich Königin
Der zwei brittann'schen Inseln nennen ließ!
-- Verzeiht Milords, es schneidet mir ins Herz,
Wehmuth ergreift mich und die Seele blutet,
Daß Irdisches nicht fester steht, das Schicksal
Der Menschheit, das entsetzliche, so nahe
An meinem eignen Haupt vorüberzieht.

Talbot.
O Königin! Dein Herz hat Gott gerührt,
Gehorche dieser himmlischen Bewegung!
Schwer büßte sie fürwahr die schwere Schuld,
Und Zeit ist's, daß die harte Prüfung ende!
Reich' ihr die Hand, der tiefgefallenen,
Wenn ſich die Koͤnigin ihr genahet hat,
Denn Gnade bringt die koͤnigliche Naͤhe —

Eliſabeth.
(nachdem ſie den Brief geleſen, ihre Thraͤnen trocknend)
Was iſt der Menſch! Was iſt das Gluͤck der Erde!
Wie weit iſt dieſe Koͤnigin gebracht,
Die mit ſo ſtolzen Hoffnungen begann,
Die auf den aͤltſten Thron der Chriſtenheit
Berufen worden, die in ihrem Sinn
Drei Kronen ſchon auf's Haupt zu ſetzen meinte!
Welch andre Sprache fuͤhrt ſie jetzt als damals,
Da ſie das Wappen Englands angenommen,
Und von den Schmeichlern ihres Hofs ſich Koͤnigin
Der zwei brittann'ſchen Inſeln nennen ließ!
— Verzeiht Milords, es ſchneidet mir ins Herz,
Wehmuth ergreift mich und die Seele blutet,
Daß Irdiſches nicht feſter ſteht, das Schickſal
Der Menſchheit, das entſetzliche, ſo nahe
An meinem eignen Haupt voruͤberzieht.

Talbot.
O Koͤnigin! Dein Herz hat Gott geruͤhrt,
Gehorche dieſer himmliſchen Bewegung!
Schwer buͤßte ſie fuͤrwahr die ſchwere Schuld,
Und Zeit iſt's, daß die harte Pruͤfung ende!
Reich' ihr die Hand, der tiefgefallenen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#BURL">
            <p><pb facs="#f0091" n="85"/>
Wenn &#x017F;ich die Ko&#x0364;nigin ihr genahet hat,<lb/>
Denn Gnade bringt die ko&#x0364;nigliche Na&#x0364;he &#x2014;</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#ELI">
            <speaker><hi rendition="#g">Eli&#x017F;abeth</hi>.</speaker><lb/>
            <stage>(nachdem &#x017F;ie den Brief gele&#x017F;en, ihre Thra&#x0364;nen trocknend)</stage><lb/>
            <p>Was i&#x017F;t der Men&#x017F;ch! Was i&#x017F;t das Glu&#x0364;ck der Erde!<lb/>
Wie weit i&#x017F;t die&#x017F;e Ko&#x0364;nigin gebracht,<lb/>
Die mit &#x017F;o &#x017F;tolzen Hoffnungen begann,<lb/>
Die auf den a&#x0364;lt&#x017F;ten Thron der Chri&#x017F;tenheit<lb/>
Berufen worden, die in ihrem Sinn<lb/>
Drei Kronen &#x017F;chon auf's Haupt zu &#x017F;etzen meinte!<lb/>
Welch andre Sprache fu&#x0364;hrt &#x017F;ie jetzt als damals,<lb/>
Da &#x017F;ie das Wappen Englands angenommen,<lb/>
Und von den Schmeichlern ihres Hofs &#x017F;ich Ko&#x0364;nigin<lb/>
Der zwei brittann'&#x017F;chen In&#x017F;eln nennen ließ!<lb/>
&#x2014; Verzeiht Milords, es &#x017F;chneidet mir ins Herz,<lb/>
Wehmuth ergreift mich und die Seele blutet,<lb/>
Daß Irdi&#x017F;ches nicht fe&#x017F;ter &#x017F;teht, das Schick&#x017F;al<lb/>
Der Men&#x017F;chheit, das ent&#x017F;etzliche, &#x017F;o nahe<lb/>
An meinem eignen Haupt voru&#x0364;berzieht.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#TALBGRA">
            <speaker><hi rendition="#g">Talbot</hi>.</speaker><lb/>
            <p>O Ko&#x0364;nigin! Dein Herz hat Gott geru&#x0364;hrt,<lb/>
Gehorche die&#x017F;er himmli&#x017F;chen Bewegung!<lb/>
Schwer bu&#x0364;ßte &#x017F;ie fu&#x0364;rwahr die &#x017F;chwere Schuld,<lb/>
Und Zeit i&#x017F;t's, daß die harte Pru&#x0364;fung ende!<lb/>
Reich' ihr die Hand, der tiefgefallenen,<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0091] Wenn ſich die Koͤnigin ihr genahet hat, Denn Gnade bringt die koͤnigliche Naͤhe — Eliſabeth. (nachdem ſie den Brief geleſen, ihre Thraͤnen trocknend) Was iſt der Menſch! Was iſt das Gluͤck der Erde! Wie weit iſt dieſe Koͤnigin gebracht, Die mit ſo ſtolzen Hoffnungen begann, Die auf den aͤltſten Thron der Chriſtenheit Berufen worden, die in ihrem Sinn Drei Kronen ſchon auf's Haupt zu ſetzen meinte! Welch andre Sprache fuͤhrt ſie jetzt als damals, Da ſie das Wappen Englands angenommen, Und von den Schmeichlern ihres Hofs ſich Koͤnigin Der zwei brittann'ſchen Inſeln nennen ließ! — Verzeiht Milords, es ſchneidet mir ins Herz, Wehmuth ergreift mich und die Seele blutet, Daß Irdiſches nicht feſter ſteht, das Schickſal Der Menſchheit, das entſetzliche, ſo nahe An meinem eignen Haupt voruͤberzieht. Talbot. O Koͤnigin! Dein Herz hat Gott geruͤhrt, Gehorche dieſer himmliſchen Bewegung! Schwer buͤßte ſie fuͤrwahr die ſchwere Schuld, Und Zeit iſt's, daß die harte Pruͤfung ende! Reich' ihr die Hand, der tiefgefallenen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/91
Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/91>, abgerufen am 30.04.2024.