Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Eliſabeth, von Leiceſter gefuͤhrt. Graf
Aubeſpine, Bellievre, Graf Schrewsbury, Lord Bur-
leigh mit noch andern Franzoͤſiſchen und Engliſchen Herren
treten auf.
Eliſabeth (zu Aubeſpine).
Graf! Ich beklage dieſe edeln Herrn,
Die ihr galanter Eifer uͤber Meer
Hieher gefuͤhrt, daß ſie die Herrlichkeit
Des Hofs von S. Germain bei mir vermiſſen.
Ich kann ſo praͤcht'ge Goͤtterfeſte nicht
Erfinden, als die koͤnigliche Mutter
Von Frankreich — Ein geſittet froͤhlich Volk,
Das ſich, ſo oft ich oͤffentlich mich zeige,
Mit Segnungen um meine Saͤnfte draͤngt,
Dieß iſt das Schauſpiel, das ich fremden Augen
Mit ein'gem Stolze zeigen kann. Der Glanz
Der Edelfraͤulein, die im Schoͤnheitsgarten
Der Katharina bluͤhn, verbaͤrge nur
Mich ſelber und mein ſchimmerlos Verdienſt.
Aubeſpine.
Nur Eine Dame zeigt Weſtminſterhof
Dem uͤberraſchten Fremden — aber alles,
Was an dem reizenden Geſchlecht entzuͤckt,
Stellt ſich verſammelt dar in dieſer einen.
Bellievre.
Erhabne Majeſtaͤt von Engelland,
Vergoͤnne, daß wir unſern Urlaub nehmen,
Und Monſieur, unſern koͤniglichen Herrn,
Mit der erſehnten Freudenpoſt begluͤcken.
Ihn hat des Herzens heiße Ungeduld
Nicht in Paris gelaſſen, er erwartet
Zu Amiens die Boten ſeines Gluͤcks,
Und bis nach Kalais reichen ſeine Poſten,
Das Jawort, das dein koͤniglicher Mund
Ausſprechen wird, mit Fluͤgelſchnelligkeit
Zu ſeinem trunknen Ohre hinzutragen.
5
Eliſabeth.
Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.
Nicht Zeit iſt's jetzt, ich wiederhohl es euch,
Die freud'ge Hochzeitfackel anzuzuͤnden.
Schwarz haͤngt der Himmel uͤber dieſem Land,
Und beſſer ziemte mir der Trauerflor,
Als das Gepraͤnge braͤutlicher Gewaͤnder.
Denn nahe droht ein jammervoller Schlag
Mein Herz zu treffen und mein eignes Haus.
Bellievre.
Nur dein Verſprechen gieb uns, Koͤnigin,
In frohern Tagen folge die Erfuͤllung.
Eliſabeth.
Die Koͤnige ſind nur Sklaven ihres Standes,
Dem eignen Herzen duͤrfen ſie nicht folgen.
Mein Wunſch war's immer, unvermaͤhlt zu ſterben,
Und meinen Ruhm haͤtt' ich darein geſetzt,
Daß man dereinſt auf meinem Grabſtein laͤſe:
Hier ruht die jungfraͤuliche Koͤnigin.
Doch meine Unterthanen wollens nicht,
Sie denken jetzt ſchon fleißig an die Zeit,
Wo ich dahin ſein werde — Nicht genug,
Daß jetzt der Segen dieſes Land begluͤckt,
Auch ihrem kuͤnftgen Wohl ſoll ich mich opfern,
Auch meine jungfraͤuliche Freiheit ſoll ich,
Mein hoͤchſtes Gut, hingeben fuͤr mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert
Zu haben, wie ein Mann, und wie ein Koͤnig.
Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man
Die Ordnung der Natur verlaͤßt, und Lob
Verdienen ſie, die vor mir hier gewaltet,
Daß ſie die Kloͤſter aufgethan, und tauſend
Schlachtopfer einer falſchverſtandnen Andacht
Den Pflichten der Natur zuruͤckgegeben.
Doch eine Koͤnigin, die ihre Tage
Nicht ungenuͤtzt in muͤßiger Beſchauung
Verbringt, die unverdroſſen, unermuͤdet,
Die ſchwerſte aller Pflichten uͤbt, die ſollte
Von dem Naturzweck ausgenommen ſeyn,
Der Eine Haͤlfte des Geſchlechts der Menſchen
Der andern unterwuͤrfig macht —.
Aubeſpine.
Jedwede Tugend, Koͤnigin, haſt du
Auf deinem Thron verherrlicht, nichts iſt uͤbrig,
Als dem Geſchlechte, deſſen Ruhm du biſt,
Auch noch in ſeinen eigenſten Verdienſten
Als Muſter vorzuleuchten. Freilich lebt
Kein Mann auf Erden, der es wuͤrdig iſt,
Daß du die Freiheit ihm zum Opfer braͤchteſt.
Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, Heldentugend
Und Maͤnnerſchoͤnheit einen Sterblichen
Der Ehre wuͤrdig machen, ſo —
Eliſabeth.
Kein Zweifel,
Herr Abgeſandter, daß ein Ehebuͤndniß
Mit einem koͤniglichen Sohne Frankreichs
Mich ehrt! Ja, ich geſteh es unverhohlen,
Wenn es ſeyn muß — wenn ichs nicht aͤndern kann,
Dem Dringen meines Volkes nachzugeben —
Und es wird ſtaͤrker ſeyn als ich, befuͤrcht' ich —
So kenn' ich in Europa keinen Fuͤrſten,
Dem ich mein hoͤchſtes Kleinod, meine Freiheit,
Mit minderm Widerwillen opfern wuͤrde.
Laßt dieß Geſtaͤndniß euch Genuͤge thun.
Bellievre.
Es iſt die ſchoͤnſte Hoffnung, doch es iſt
Nur eine Hoffnung, und mein Herr wuͤnſcht mehr —
Eliſabeth.
Was wuͤnſcht er?
(Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn
nachdenkend)
Hat die Koͤnigin doch nichts
Voraus vor dem gemeinen Buͤrgerweibe!
Das gleiche Zeichen weißt auf gleiche Pflicht,
Auf gleiche Dienſtbarkeit — Der Ring macht Ehen,
Und Ringe ſind's, die eine Kette machen.
— Bringt ſeiner Hoheit dieß Geſchenk. Es iſt
Noch keine Kette, bindet mich noch nicht,
Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.
Bellievre.
(kniet nieder, den Ring empfangend)
In ſeinem Namen, große Koͤnigin,
Empfang' ich knieend dieß Geſchenk, und druͤcke
Den Kuß der Huldigung auf meiner Fuͤrſtin Hand!
Eliſabeth.
(zum Grafen Leiceſter, den ſie waͤhrend der letzten Rede
unverwandt betrachtet hat)
Erlaubt, Milord!
(Sie nimmt ihm das blaue Band ab, und haͤngt es dem
Bellievre um.)
Bekleidet Seine Hoheit
Mit dieſem Schmuck, wie ich euch hier damit
Bekleide und in meines Ordens Pflichten nehme.
Hony ſoit qui mal y penſe! — Es ſchwinde
Der Argwohn zwiſchen beiden Nationen,
Und ein vertraulich Band umſchlinge fortan
Die Kronen Frankreich und Brittannien!
Aubeſpine.
Erhabne Koͤnigin, dieß iſt ein Tag
Der Freude! Moͤcht' er's allen ſeyn und moͤchte
Kein Leidender auf dieſer Inſel trauern!
Die Gnade glaͤnzt auf deinem Angeſicht,
O! daß ein Schimmer ihres heitern Lichts
Auf eine ungluͤcksvolle Fuͤrſtin fiele,
Die Frankreich und Brittannien gleich nahe
Angeht —
Eliſabeth.
Nicht weiter, Graf! Vermengen wir
Nicht zwey ganz unvereinbare Geſchaͤfte.
Wenn Frankreich ernſtlich meinen Bund verlangt,
Muß es auch meine Sorgen mit mir theilen,
Und meiner Feinde Freund nicht ſeyn —
Aubeſpine.
Unwuͤrdig
In deinen eignen Augen wuͤrd' es handeln,
Wenn es die Ungluͤckſelige, die Glaubens-
Verwandte, und die Wittwe ſeines Koͤnigs
In dieſem Bund vergaͤße — Schon die Ehre,
Die Menſchlichkeit verlangt —
Eliſabeth.
In dieſem Sinn
Weiß ich ſein Fuͤrwort nach Gebuͤhr zu ſchaͤtzen.
Frankreich erfuͤllt die Freundespflicht, mir wird
Verſtattet ſeyn, als Koͤnigin zu handeln.
(Sie neigt ſich gegen die franzoͤſiſchen Herrn, welche ſich mit
den uͤbrigen Lords ehrfurchtsvoll entfernen.)Dritter Auftritt.
Eliſabeth. Leiceſter. Burleigh. Talbot.
(Die Koͤnigin ſetzt ſich)
Burleigh.
Ruhmvolle Koͤnigin! Du kroͤneſt heut
Die heißen Wuͤnſche deines Volks. Nun erſt
Erfreun wir uns der ſegenvolleſegenvollen Tage,
Die du uns ſchenkſt, da wir nicht zitternd mehr
In eine ſtuͤrmevolle Zukunft ſchauen.
Nur eine Sorge kuͤmmert noch dieß Land,
Ein Opfer iſt's, das alle Stimmen fodern.
Gewaͤhr auch dieſes, und der heut'ge Tag
Hat Englands Wohl auf immerdar gegruͤndet.
Eliſabeth.
Was wuͤnſcht mein Volk noch? Sprecht, Milord.
Burleigh.
Es fodert
Das Haupt der Stuart — Wenn du deinem Volk
Der Freiheit koͤſtliches Geſchenk, das theuer
Erworbne Licht der Wahrheit willſt verſichern,
So muß ſie nicht mehr ſeyn — Wenn wir nicht ewig
Fuͤr dein koſtbares Leben zittern ſollen,
So muß die Feindin untergehn! — Du weißt es,
Nicht alle deine Britten denken gleich,
Noch viele heimliche Verehrer zaͤhlt
Der roͤm'ſche Goͤtzendienſt auf dieſer Inſel.
Die alle naͤhren feindliche Gedanken,
Nach dieſer Stuart ſteht ihr Herz, ſie ſind
Im Bunde mit den lothringiſchen Bruͤdern,
Den unverſoͤhnten Feinden deines Namens.
Dir iſt von dieſer wuͤthenden Parthey
Der grimmige Vertilgungskrieg geſchworen,
Den man mit falſchen Hoͤllenwaffen fuͤhrt.
Zu Rheims, dem Biſchofsſitz des Kardinals,
Dort iſt das Ruͤſthaus, wo ſie Blitze ſchmieden,
Dort wird der Koͤnigsmord gelehrt — Von dort
Geſchaͤftig ſenden ſie nach deiner Inſel
Die Miſſionen aus, entſchloßne Schwaͤrmer,
In allerley Gewand vermummt — Von dort
Iſt ſchon der dritte Moͤrder ausgegangen,
Und unerſchoͤpflich, ewig neu erzeugen
Verborgne Feinde ſich aus dieſem Schlunde.
— Und in dem Schloß zu Fotheringhay ſitzt
Die Ate dieſes ew'gen Kriegs, die mit
Der Liebesfackel dieſes Reich entzuͤndet.
Fuͤr ſie, die ſchmeichelnd jedem Hoffnung giebt,
Weiht ſich die Jugend dem gewiſſen Tod —
Sie zu befreien, iſt die Looſung, ſie
Auf deinen Thron zu ſetzen, iſt der Zweck.
Denn dieß Geſchlecht der Lothringer erkennt
Dein heilig Recht nicht an, du heißeſt ihnen
Nur eine Raͤuberin des Throns, gekroͤnt
Vom Gluͤck! Sie warens, die die Thoͤrichte
Verfuͤhrt, ſich Englands Koͤnigin zu ſchreiben.
Kein Friede iſt mit ihr und ihrem Stamm!
Du mußt den Streich erleiden oder fuͤhren.
Ihr Leben iſt dein Tod! Ihr Tod dein Leben!
Eliſabeth.
Milord! Ein traurig Amt verwaltet ihr.
Ich kenne eures Eifers reinen Trieb,
Weiß, daß gediegne Weisheit aus euch redet,
Doch dieſe Weisheit, welche Blut befiehlt,
Ich haſſe ſie in meiner tiefſten Seele.
Sinnt einen mildern Rath aus — Edler Lord
Von Schrewsbury! Sagt ihr uns eure Meinung.
Talbot.
Du gabſt dem Eifer ein gebuͤhrend Lob,
Der Burleighs treue Bruſt beſeelt — Auch mir,
Stroͤmt es mir gleich nicht ſo beredt vom Munde,
Schlaͤgt in der Bruſt kein minder treues Herz.
Moͤgſt du noch lange leben, Koͤnigin,
Die Freude deines Volks zu ſeyn, das Gluͤck
Des Friedens dieſem Reiche zu verlaͤngern.
So ſchoͤne Tage hat dieß Eiland nie
Geſehn, ſeit eigne Fuͤrſten es regieren.
Moͤg' es ſein Gluͤck mit ſeinem Ruhme nicht
Erkaufen! Moͤge Talbots Auge wenigſtens
Geſchloſſen ſeyn, wenn dieß geſchieht!
Eliſabeth.
Verhuͤte Gott, daß wir den Ruhm befleckten!
Talbot.
Nun dann, ſo wirſt du auf ein ander Mittel ſinnen,
Dieß Reich zu retten — denn die Hinrichtung
Der Stuart iſt ein ungerechtes Mittel.
Du kannſt das Urtheil uͤber die nicht ſprechen,
Die dir nicht unterthaͤnig iſt.
Eliſabeth.
So irrt
Mein Staatsrath und mein Parlament, im Irrthum
Sind alle Richterhoͤfe dieſes Landes,
Die mir dieß Recht einſtimmig zuerkannt —
Talbot.
Nicht Stimmenmehrheit iſt des Rechtes Probe,
England iſt nicht die Welt, dein Parlament
Nicht der Verein der menſchlichen Geſchlechter.
Dieß heut'ge England iſt das kuͤnft'ge nicht,
Wie's das vergangne nicht mehr iſt — Wie ſich
Die Neigung anders wendet, alſo ſteigt
Und faͤllt des Urtheils wandelbare Woge.
Sag nicht, du muͤſſeſt der Nothwendigkeit
Gehorchen und dem Dringen deines Volks.
Sobald du willſt, in jedem Augenblick
Kannſt du erproben, daß dein Wille frei iſt.
Verſuch's! Erklaͤre, daß du Blut verabſcheuſt,
Der Schweſter Leben willſt gerettet ſehn,
Zeig denen, die dir anders rathen wollen,
Die Wahrheit deines koͤniglichen Zorns,
Schnell wirſt du die Nothwendigkeit verſchwinden
Und Recht in Unrecht ſich verwandeln ſehn.
Du ſelbſt mußt richten, du allein. Du kannſt dich
Auf dieſes unſtet ſchwanke Rohr nicht lehnen.
Der eignen Milde folge du getroſt.
Nicht Strenge legte Gott in's weiche Herz
Des Weibes — Und die Stifter dieſes Reichs,
Die auch dem Weib die Herrſcherzuͤgel gaben,
Sie zeigten an, daß Strenge nicht die Tugend
Der Koͤnige ſoll ſeyn in dieſem Lande.
Eliſabeth.
Ein warmer Anwald iſt Graf Schrewsbury
Fuͤr meine Feindin und des Reichs. Ich ziehe
Die Raͤthe vor, die meine Wohlfahrt lieben.
Talbot.
Man goͤnnt ihr keinen Anwald, niemand wagt's,
Zu ihrem Vortheil ſprechend, deinem Zorn
Sich bloß zu ſtellen — So vergoͤnne mir,
Dem alten Manne, den am Grabesrand
Kein irdiſch Hoffen mehr verfuͤhren kann,
Daß ich die Aufgegebene beſchuͤtze.
Man ſoll nicht ſagen, daß in deinem Staatsrath
Die Leidenſchaft, die Selbſtſucht eine Stimme
Gehabt, nur die Barmherzigkeit geſchwiegen.
Verbuͤndet hat ſich alles wider ſie,
Du ſelber haſt ihr Antlitz nie geſehn,
Nichts ſpricht in deinem Herzen fuͤr die Fremde.
— Nicht ihrer Schuld red' ich das Wort. Man ſagt,
Sie habe den Gemahl ermorden laſſen,
Wahr iſt's, daß ſie den Moͤrder ehlichte.
Ein ſchwer Verbrechen! — Aber es geſchah
In einer finſter ungluͤcksvollen Zeit,
Im Angſtgedraͤnge buͤrgerlichen Kriegs,
Wo ſie, die Schwache, ſich umrungen ſah
Von heftigdringenden Vaſallen, ſich
Dem Muthvollſtaͤrkſten in die Arme warf —
Wer weiß durch welcher Kuͤnſte Macht beſiegt?
Denn ein gebrechlich Weſen iſt das Weib.
Eliſabeth.
Das Weib iſt nicht ſchwach. Es giebt ſtarke Seelen
In dem Geſchlecht — Ich will in meinem Beiſeyn
Nichts von der Schwaͤche des Geſchlechtes hoͤren.
Talbot.
Dir war das Ungluͤck eine ſtrenge Schule.
Nicht ſeine Freudenſeite kehrte dir
Das Leben zu. Du ſaheſt keinen Thron
Von ferne, nur das Grab zu deinen Fuͤßen.
Zu Woodſtock war's und in des Towers Nacht,
Wo dich der gnaͤd'ge Vater dieſes Landes
Zur erſten Pflicht durch Truͤbſal auferzog.
Dort ſuchte dich der Schmeichler nicht. Fruͤh lernte,
Vom eiteln Weltgeraͤuſche nicht zerſtreut,
Dein Geiſt ſich ſammeln, denkend in ſich gehn,
Und dieſes Lebens wahre Guͤter ſchaͤtzen.
— Die Arme rettete kein Gott. Ein zartes Kind
Ward ſie verpflanzt nach Frankreich, an den Hof
Des Leichtſinns, der gedankenloſen Freude.
Dort in der Feſte ew'ger Trunkenheit,
Vernahm ſie nie der Wahrheit ernſte Stimme.
Geblendet ward ſie von der Laſter Glanz,
Und fortgefuͤhrt vom Strome des Verderbens.
Ihr ward der Schoͤnheit eitles Gut zu Theil,
Sie uͤberſtrahlte bluͤhend alle Weiber,
Und durch Geſtalt nicht minder als Geburt — —
Eliſabeth.
Kommt zu euch ſelbſt, Milord von Schrewsbury!
Denkt, daß wir hier im ernſten Rathe ſitzen.
Das muͤſſen Reize ſondergleichen ſeyn,
Die einen Greis in ſolches Feuer ſetzen.
— Milord von Leſter! Ihr allein ſchweigt ſtill?
Was ihn beredt macht, bindet's euch die Zunge?
Leiceſter.
Ich ſchweige fuͤr Erſtaunen, Koͤnigin,
Daß man dein Ohr mit Schreckniſſen erfuͤllt,
Daß dieſe Maͤhrchen, die in Londons Gaſſen
Den glaͤub'gen Poͤbel aͤngſten, bis herauf
In deines Staatsraths heitre Mitte ſteigen,
Und weiſe Maͤnner ernſt beſchaͤftigen.
Verwunderung ergreift mich, ich geſteh's,
Daß dieſe Laͤnderloſe Koͤnigin
Von Schottland, die den eignen kleinen Thron
Nicht zu behaupten wußte, ihrer eignen
Vaſallen Spott, der Auswurf ihres Landes,
Dein Schrecken wird auf einmal im Gefaͤngniß!
— Was, beim Allmaͤcht'gen! machte ſie dir furchtbar?
Daß ſie dieß Reich in Anſpruch nimmt, daß dich
Die Guiſen nicht als Koͤnigin erkennen?
Kann dieſer Guiſen Widerſpruch das Recht
Entkraͤften, das Geburt dir gab, der Schluß
Der Parlamente dir beſtaͤtigte?
Iſt ſie durch Heinrichs letzten Willen nicht,
Stillſchweigend abgewieſen, und wird England
So gluͤcklich im Genuß des neuen Lichts,
Sich der Papiſtin in die Arme werfen?
Von dir, der angebeteten Monarchin,
Zu Darnleys Moͤrderin hinuͤberlaufen?
Was wollen dieſe ungeſtuͤmen Menſchen,
Die dich noch lebend mit der Erbin quaͤlen,
Dich nicht geſchwind genug vermaͤhlen koͤnnen,
Um Staat und Kirche von Gefahr zu retten?
Stehſt du nicht bluͤhend da in Jugendkraft,
Welkt jene nicht mit jedem Tag zum Grabe?
Bei Gott! Du wirſt, ich hoff's, noch viele Jahre
Auf ihrem Grabe wandeln, ohne daß
Du ſelber ſie hinabzuſtuͤrzen brauchteſt —
Burleigh.
Lord Leſter hat nicht immer ſo geurtheilt.
Leiceſter.
Wahr iſt's, ich habe ſelber meine Stimme
Zu ihrem Tod gegeben im Gericht.
— Im Staatsrath ſprech' ich anders. Hier iſt nicht
Die Rede von dem Recht, nur von dem Vortheil.
Iſt's jezt die Zeit, von ihr Gefahr zu fuͤrchten,
Da Frankreich ſie verlaͤßt, ihr einz'ger Schutz,
Da du den Koͤnigsſohn mit deiner Hand
Begluͤcken willſt, die Hoffnung eines neuen
Regentenſtammes dieſem Lande bluͤht?
Wozu ſie alſo toͤdten? Sie iſt todt!
Verachtung iſt der wahre Tod. Verhuͤte,
Daß nicht das Mitleid ſie ins Leben rufe!
Drum iſt mein Rath: Man laſſe die Sentenz,
Die ihr das Haupt abſpricht, in voller Kraft
Beſtehn! Sie lebe — aber unterm Beile
Des Henkers lebe ſie, und ſchnell, wie ſich
Ein Arm fuͤr ſie bewaffnet, fall' es nieder.
Eliſabeth (ſteht auf).
Milords, ich hab' nun eure Meinungen
Gehoͤrt, und ſag' euch Dank fuͤr euren Eifer.
Mit Gottes Beiſtand, der die Koͤnige
Erleuchtet, will ich eure Gruͤnde pruͤfen,
Und waͤhlen, was das Beſſere mir duͤnkt.
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Ritter Paulet mit Mortimern.
Eliſabeth.
Da kommt Amias Paulet. Edler Sir,
Was bringt ihr uns?
Paulet.
Glorwuͤrd'ge Majeſtaͤt!
Mein Neffe, der ohnlaͤngſt von weiten Reiſen
Zuruͤckgekehrt, wirft ſich zu deinen Fuͤßen
Und leiſtet dir ſein jugendlich Geluͤbde.
Empfange du es gnadenvoll und laß
Ihn wachſen in der Sonne deiner Gunſt.
Mortimer.
(laͤßt ſich auf ein Knie nieder)
Lang lebe meine koͤnigliche Frau,
Und Gluͤck und Ruhm bekroͤne ihre Stirne!
Eliſabeth.
Steht auf. Seid mir willkommen, Sir, in England.
Ihr habt den großen Weg gemacht, habt Frankreich
Bereiſt und Rom und euch zu Rheims verweilt.
Sagt mir denn an, was ſpinnen unſre Feinde?
Mortimer.
Ein Gott verwirre ſie und wende ruͤckwaͤrts
Auf ihrer eignen Schuͤtzen Bruſt die Pfeile,
Die gegen meine Koͤnigin geſandt ſind.
Eliſabeth.
Saht ihr den Morgan und den Raͤnkeſpinnenden
Biſchof von Roße?
Mortimer.
Alle Schottiſche
Verbannte lernt' ich kennen, die zu Rheims
Anſchlaͤge ſchmieden gegen dieſe Inſel.
In ihr Vertrauen ſtahl ich mich, ob ich
Etwa von ihren Raͤnken was entdeckte.
6
Paulet.
Geheime Briefe hat man ihm vertraut,
In Ziffern, fuͤr die Koͤnigin von Schottland,
Die er mit treuer Hand uns uͤberliefert.
Eliſabeth.
Sagt, was ſind ihre neueſten Entwuͤrfe?
Mortimer.
Es traf ſie alle wie ein Donnerſtreich,
Daß Frankreich ſie verlaͤßt, den feſten Bund
Mit England ſchließt, jezt richten ſie die Hoffnung
Auf Spanien.
Eliſabeth.
So ſchreibt mir Walſingham.
Mortimer.
Auch eine Bulle, die Pabſt Sixtus juͤngſt
Von Vatikane gegen dich geſchleudert,
Kam eben an zu Rheims, als ichs verließ,
Das naͤchſte Schiff bringt ſie nach dieſer Inſel.
Leiceſter.
Vor ſolchen Waffen zittert England nicht mehr.
Burleigh.
Sie werden furchtbar in des Schwaͤrmers Hand.
Eliſabeth (Mortimern forſchend anſehend).
Man gab euch Schuld, daß ihr zu Rheims die Schulen
Beſucht und euren Glauben abgeſchworen?
Mortimer.
Die Miene gab ich mir, ich laͤugn' es nicht,
So weit gieng die Begierde, dir zu dienen!
Eliſabeth.
(zu Paulet, der ihr Papiere uͤberreicht).
Was zieht ihr da hervor?
Paulet.
Es iſt ein Schreiben,
Das dir die Koͤnigin von Schottland ſendet.
Burleigh (haſtig darnach greifend).
Gebt mir den Brief.
Paulet (giebt das Papier der Koͤnigin).
Verzeiht, Lord Großſchatzmeiſter!
In meiner Koͤnigin ſelbſteigne Hand,
Befahl ſie mir, den Brief zu uͤbergeben.
Sie ſagt mir ſtets, ich ſey ihr Feind. Ich bin
Nur ihrer Laſter Feind, was ſich vertraͤgt
Mit meiner Pflicht, mag ich ihr gern erweiſen.
(Die Koͤnigin hat den Brief genommen. Waͤhrend ſie ihn lieſt,
ſprechen Mortimer und Leiceſter einige Worte heimlich mit
einander).
Burleigh (zu Paulet).
Was kann der Brief enthalten? Eitle Klagen,
Mit denen man das mitleidsvolle Herz
Der Koͤnigin verſchonen ſoll.
Paulet.
Was er
Enthaͤlt, hat ſie mir nicht verhehlt. Sie bittet
Um die Verguͤnſtigung, das Angeſicht
Der Koͤnigin zu ſehen.
Burleigh (ſchnell).
Nimmermehr!
Talbot.
Warum nicht? Sie erfleht nichts ungerechtes.
Burleigh.
Die Gunſt des koͤniglichen Angeſichts
Hat ſie verwirkt, die Mordanſtifterin,
Die nach dem Blut der Koͤnigin geduͤrſtet.
Wer's treu mit ſeiner Fuͤrſtin meint, der kann
Den falſch verraͤtheriſchen Rath nicht geben.
Talbot.
Wenn die Monarchin ſie begluͤcken will,
Wollt ihr der Gnade ſanfte Regung hindern?
Burleigh.
Sie iſt verurtheilt! Unterm Beile liegt
Ihr Haupt. Unwuͤrdig iſt's der Majeſtaͤt,
Das Haupt zu ſehen, das dem Tod geweiht iſt.
Das Urtheil kann nicht mehr vollzogen werden,
Wenn ſich die Koͤnigin ihr genahet hat,
Denn Gnade bringt die koͤnigliche Naͤhe —
Eliſabeth.
(nachdem ſie den Brief geleſen, ihre Thraͤnen trocknend)
Was iſt der Menſch! Was iſt das Gluͤck der Erde!
Wie weit iſt dieſe Koͤnigin gebracht,
Die mit ſo ſtolzen Hoffnungen begann,
Die auf den aͤltſten Thron der Chriſtenheit
Berufen worden, die in ihrem Sinn
Drei Kronen ſchon auf's Haupt zu ſetzen meinte!
Welch andre Sprache fuͤhrt ſie jetzt als damals,
Da ſie das Wappen Englands angenommen,
Und von den Schmeichlern ihres Hofs ſich Koͤnigin
Der zwei brittann'ſchen Inſeln nennen ließ!
— Verzeiht Milords, es ſchneidet mir ins Herz,
Wehmuth ergreift mich und die Seele blutet,
Daß Irdiſches nicht feſter ſteht, das Schickſal
Der Menſchheit, das entſetzliche, ſo nahe
An meinem eignen Haupt voruͤberzieht.
Talbot.
O Koͤnigin! Dein Herz hat Gott geruͤhrt,
Gehorche dieſer himmliſchen Bewegung!
Schwer buͤßte ſie fuͤrwahr die ſchwere Schuld,
Und Zeit iſt's, daß die harte Pruͤfung ende!
Reich' ihr die Hand, der tiefgefallenen,
Wie eines Engels Lichterſcheinung ſteige
In ihres Kerkers Graͤbernacht hinab —
Burleigh.
Sei ſtandhaft, große Koͤnigin. Laß nicht
Ein lobenswuͤrdig menſchliches Gefuͤhl
Dich irre fuͤhren. Raube dir nicht ſelbſt
Die Freiheit, das Nothwendige zu thun.
Du kannſt ſie nicht begnadigen, nicht retten,
So lade nicht auf dich verhaßten Tadel,
Daß du mit grauſam hoͤhnendem Triumph
Am Anblick deines Opfers dich geweidet.
Leiceſter.
Laßt uns in unſern Schranken bleiben, Lords.
Die Koͤnigin iſt weiſe, ſie bedarf
Nicht unſers Raths, das wuͤrdigſte zu waͤhlen.
Die Unterredung beider Koͤniginnen
Hat nichts gemein mit des Gerichtes Gang.
Englands Geſetz, nicht der Monarchin Wille,
Verurtheilt die Maria. Wuͤrdig iſt's
Der großen Seele der Eliſabeth,
Daß ſie des Herzens ſchoͤnem Triebe folge,
Wenn das Geſetz den ſtrengen Lauf behaͤlt.
Eliſabeth.
Geht, meine Lords. Wir werden Mittel finden,
Was Gnade fodert, was Nothwendigkeit
Uns auferlegt, geziemend zu vereinen.
Jetzt — tretet ab!
(Die Lords gehen. An der Thuͤre ruft ſie den Mortimer
zuruͤck.)
Sir Mortimer! Ein Wort!
Fuͤnfter Auftritt.
Eliſabeth. Mortimer.
Eliſabeth.
(nachdem ſie ihn einige Augenblicke forſchend mit den
Augen gemeſſen)
Ihr zeigtet einen kecken Muth und ſeltne
Beherrſchung eurer ſelbſt fuͤr eure Jahre.
Wer ſchon ſo fruͤh der Taͤuſchung ſchwere Kunſt
Ausuͤbte, der iſt muͤndig vor der Zeit,
Und er verkuͤrzt ſich ſeine Pruͤfungsjahre.
— Auf eine große Bahn ruft euch das Schickſal,
Ich prophezeih' es euch, und mein Orakel
Kann ich, zu eurem Gluͤcke! ſelbſt vollziehn.
Mortimer.
Erhabene Gebieterin, was ich
Vermag und bin, iſt deinem Dienſt gewidmet.
Eliſabeth.
Ihr habt die Feinde Englands kennen lernen.
Ihr Haß iſt unverſoͤhnlich gegen mich,
Und unerſchoͤpflich ihre Blutentwuͤrfe.
Bis dieſen Tag zwar ſchuͤtzte mich die Allmacht,
Doch ewig wankt die Kron' auf meinem Haupt,
So lang ſie lebt, die ihrem Schwaͤrmereifer
Den Vorwand leiht und ihre Hoffnung naͤhrt.
Mortimer.
Sie lebt nicht mehr, ſobald du es gebieteſt.
Eliſabeth.
Ach Sir! Ich glaubte mich am Ziele ſchon
Zu ſehn, und bin nicht weiter als am Anfang.
Ich wollte die Geſetze handeln laſſen,
Die eigne Hand vom Blute rein behalten.
Das Urtheil iſt geſprochen. Was gewinn' ich?
Es muß vollzogen werden, Mortimer!
Und ich muß die Vollziehung anbefehlen.
Mich immer trifft der Haß der That. Ich muß
Sie eingeſtehn, und kann den Schein nicht retten.
Das iſt das ſchlimmſte!
Mortimer.
Was bekuͤmmert dich
Der boͤſe Schein, bei der gerechten Sache?
Eliſabeth.
Ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man ſcheint,
Hat jedermann zum Richter, was man iſt, hat keinen.
Von meinem Rechte uͤberzeug' ich niemand,
So muß ich Sorge tragen, daß mein Antheil
An ihrem Tod in ew'gem Zweifel bleibe.
Bei ſolchen Thaten doppelter Geſtalt
Giebts keinen Schutz als in der Dunkelheit.
Der ſchlimmſte Schritt iſt, den man eingeſteht,
Was man nicht aufgiebt, hat man nie verloren.
Mortimer (ausforſchend).
Dann waͤre wohl das Beſte —
Eliſabeth (ſchnell).
Freilich waͤr's
Das Beſte — O mein guter Engel ſpricht
Aus euch. Fahrt fort, vollendet, werther Sir!
Euch iſt es ernſt, ihr dringet auf den Grund,
Seid ein ganz andrer Mann als euer Oheim —
Mortimer (betroffen).
Entdeckteſt du dem Ritter deinen Wunſch?
Eliſabeth.
Mich reuet, daß ich's that.
Mortimer.
Entſchuldige
Den alten Mann. Die Jahre machen ihn
Bedenklich. Solche Wageſtuͤcke fodern
Den kecken Muth der Jugend —
Eliſabeth (ſchnell).
Darf ich euch —
Mortimer.
Die Hand will ich dir leihen, rette du
Den Namen, wie du kannſt —
Eliſabeth.
Ja, Sir! Wenn ihr
Mich eines Morgens mit der Botſchaft wektet:
Maria Stuart, deine blut'ge Feindin,
Iſt heute Nacht verſchieden!
Mortimer.
Zaͤhlt auf mich.
Eliſabeth.
Wann wird mein Haupt ſich ruhig ſchlafen legen?
Mortimer.
Der naͤchſte Neumond ende deine Furcht.
Eliſabeth.
—Gehabt euch wohl, Sir! Laßt es euch nicht leid thun,
Daß meine Dankbarkeit den Flor der Nacht
Entlehnen muß — Das Schweigen iſt der Gott
Der Gluͤcklichen — die engſten Bande ſind's,
Die zaͤrteſten, die das Geheimniß ſtiftet!
(Sie geht ab.)Achter Auftritt.
Leiceſter. Mortimer.
Leiceſter (verwundert).
Was wandelte den Ritter an?
Mortimer.
Ich weiß es nicht — Das unerwartete
Vertrauen, das die Koͤnigin mir ſchenkt —
Leiceſter (ihn forſchend anſehend).
Verdient ihr, Ritter, daß man euch vertraut?
Mortimer (eben ſo).
Die Frage thu' ich euch, Milord von Leſter.
Leiceſter.
Ihr hattet mir was in geheim zu ſagen.
Mortimer.
Verſichert mich erſt, daß ichs wagen darf.
Leiceſter.
Wer giebt mir die Verſicherung fuͤr euch?
— Laßt euch mein Mistraun nicht beleidigen!
Ich ſeh' euch zweierley Geſichter zeigen
An dieſem Hofe — Eins darunter iſt
Nothwendig falſch, doch welches iſt das wahre?
Mortimer.
Es geht mir eben ſo mit euch, Graf Leſter.
Leiceſter.
Wer ſoll nun des Vertrauens Anfang machen?
Mortimer.
Wer das geringere zu wagen hat.
Leiceſter.
Nun! Der ſeid ihr!
Mortimer.
Ihr ſeid es! Euer Zeugniß,
Des vielbedeutenden, gewalt’gen Lords,
Kann mich zu Boden ſchlagen, meins vermag
Nichts gegen euren Rang und eure Gunſt.
Leiceſter.
Ihr irrt euch, Sir. In allem andern bin ich
Hier maͤchtig, nur in dieſem zarten Punkt,
Den ich jetzt eurer Treu Preiß geben ſoll,
Bin ich der ſchwaͤchſte Mann an dieſem Hof,
Und ein veraͤchtlich Zeugniß kann mich ſtuͤrzen.
Mortimer.
Wenn ſich der allvermoͤgende Lord Leſter
So tief zu mir herunterlaͤßt, ein ſolch
Bekenntniß mir zu thun, ſo darf ich wohl
Ein wenig hoͤher denken von mir ſelbſt,
Und ihm in Großmuth ein Exempel geben.
Leiceſter.
Geht mir voran im Zutraun, ich will folgen.
Mortimer.
(den Brief ſchnell hervorziehend)
Dieß ſendet euch die Koͤnigin von Schottland.
Leiceſter.
(ſchrickt zuſammen und greift haſtig darnach)
Sprecht leiſe, Sir — Was ſeh' ich! Ach! Es iſt
Ihr Bild!
(kuͤßt es und betrachtet es mit ſtummem Entzuͤcken.)
Mortimer.
(der ihn waͤhrend des Leſens ſcharf beobachtet)
Milord, nun glaub ich euch!
Leiceſter.
(nachdem er den Brief ſchnell durchlaufen)
Sir Mortimer! Ihr wißt des Briefes Innhalt?
Mortimer.
Nichts weiß ich.
Leiceſter.
Nun! Sie hat euch ohne Zweifel
Vertraut —
Mortimer.
Sie hat mir nichts vertraut. Ihr wuͤrdet
Dieß Raͤthſel mir erklaͤren, ſagte ſie.
Ein Raͤthſel iſt es mir, daß Graf von Leſter,
Der Guͤnſtling der Eliſabeth, Mariens
Erklaͤrter Feind und ihrer Richter einer,
Der Mann ſeyn ſoll, von dem die Koͤnigin
In ihrem Ungluͤck Rettung hofft — Und dennoch
Muß dem ſo ſeyn, denn eure Augen ſprechen
Zu deutlich aus, was ihr fuͤr ſie empfindet.
7
Leiceſter.
Entdeckt mir ſelbſt erſt, wie es kommt, daß ihr
Den feur’gen Antheil nehmt an ihrem Schickſal,
Und was euch ihr Vertraun erwarb.
Mortimer.
Milord,
Das kann ich euch mit wenigem erklaͤren.
Ich habe meinen Glauben abgeſchworen
Zu Rom, und ſteh' im Buͤndniß mit den Guiſen.
Ein Brief des Erzbiſchofs zu Rheims hat mich
Beglaubigt bei der Koͤnigin von Schottland.
Leiceſter.
Ich weiß von eurer Glaubensaͤnderung,
Sie iſt's, die mein Vertrauen zu euch weckte.
Gebt mir die Hand. Verzeiht mir meinen Zweifel.
Ich kann der Vorſicht nicht zu viel gebrauchen,
Denn Walſingham und Burleigh haſſen mich,
Ich weiß, daß ſie mir laurend Netze ſtellen.
Ihr konntet ihr Geſchoͤpf und Werkzeug ſeyn,
Mich in das Garn zu ziehn —
Mortimer.
Wie kleine Schritte
Geht ein ſo großer Lord an dieſem Hof!
Graf! ich beklag' euch.
Leiceſter.
Freudig werf' ich mich
An die vertraute Freundesbruſt, wo ich
Des langen Zwangs mich endlich kann entladen.
Ihr ſeid verwundert, Sir, daß ich ſo ſchnell
Das Herz geaͤndert gegen die Maria.
Zwar in der That haßt' ich ſie nie — der Zwang
Der Zeiten machte mich zu ihrem Gegner.
Sie war mir zugedacht ſeit langen Jahren,
Ihr wißt's, eh ſie die Hand dem Darnley gab,
Als noch der Glanz der Hoheit ſie umlachte.
Kalt ſtieß ich damals dieſes Gluͤck von mir,
Jetzt im Gefaͤngniß, an des Todes Pforten
Such' ich ſie auf, und mit Gefahr des Lebens.
Mortimer.
Das heißt großmuͤthig handeln!
Leiceſter.
— Die Geſtalt
Der Dinge, Sir, hat ſich indeß veraͤndert.
Mein Ehrgeiz war es, der mich gegen Jugend
Und Schoͤnheit fuͤhllos machte. Damals hielt ich
Mariens Hand fuͤr mich zu klein, ich hoffte
Auf den Beſitz der Koͤnigin von England.
Mortimer.
Es iſt bekannt, daß ſie euch allen Maͤnnern
Vorzog —
Leiceſter.
So ſchien es, edler Sir — Und nun, nach zehn
Verlornen Jahren unverdroßnen Werbens,
Verhaßten Zwangs — O Sir, mein Herz geht auf!
Ich muß des langen Unmuths mich entladen —
Man preißt mich gluͤcklich — wuͤßte man, was es
Fuͤr Ketten ſind, um die man mich beneidet —
Nachdem ich zehen bittre Jahre lang
Dem Goͤtzen ihrer Eitelkeit geopfert,
Mich jedem Wechſel ihrer Sultanslaunen
Mit Sklavendemuth unterwarf, das Spielzeug
Des kleinen grillenhaften Eigenſinns,
Geliebkoſt jetzt von ihrer Zaͤrtlichkeit,
Und jetzt mit ſproͤdem Stolz zuruͤckgeſtoßen,
Von ihrer Gunſt und Strenge gleich gepeinigt,
Wie ein Gefangener vom Argusblick
Der Eiferſucht gehuͤtet, ins Verhoͤr
Genommen wie ein Knabe, wie ein Diener
Geſcholten — O die Sprache hat kein Wort
Fuͤr dieſe Hoͤlle!
Mortimer.
Ich beklag' euch, Graf.
Leiceſter.
Taͤuſcht mich am Ziel der Preiß! Ein andrer kommt,
Die Frucht des theuren Werbens mir zu rauben.
An einen jungen bluͤhenden Gemahl
Verlier ich meine lang beſeßnen Rechte,
Herunterſteigen ſoll ich von der Buͤhne,
Wo ich ſo lange als der Erſte glaͤnzte.
Nicht ihre Hand allein, auch ihre Gunſt
Droht mir der neue Ankoͤmmling zu rauben.
Sie iſt ein Weib, und er iſt liebenswerth.
Mortimer.
Er iſt Kathrinens Sohn. In guter Schule
Hat er des Schmeichelns Kuͤnſte ausgelernt.
Leiceſter.
So ſtuͤrzen meine Hoffnungen — ich ſuche
In dieſem Schiffbruch meines Gluͤcks ein Bret
Zu faſſen — und mein Auge wendet ſich
Der erſten ſchoͤnen Hoffnung wieder zu.
Mariens Bild, in ihrer Reize Glanz,
Stand neu vor mir, Schoͤnheit und Jugend traten
In ihre vollen Rechte wieder ein,
Nicht kalter Ehrgeiz mehr, das Herz verglich,
Und ich empfand, welch Kleinod ich verloren.
Mit Schrecken ſeh' ich ſie in tiefes Elend
Herabgeſtuͤrzt, geſtuͤrzt durch mein Verſchulden.
Da wird in mir die Hoffnung wach, ob ich
Sie jetzt noch retten koͤnnte und beſitzen.
Durch eine treue Hand gelingt es mir,
Ihr mein veraͤndert Herz zu offenbaren,
Und dieſer Brief, den ihr mir uͤberbracht,
Verſichert mir, daß ſie verzeiht, ſich mir
Zum Preiße ſchenken will, wenn ich ſie rette.
Mortimer.
Ihr thatet aber nichts zu ihrer Rettung!
Ihr ließt geſchehn, daß ſie verurtheilt wurde,
Gabt eure Stimme ſelbſt zu ihrem Tod!
Ein Wunder muß geſchehn — Der Wahrheit Licht
Muß mich, den Neffen ihres Huͤters, ruͤhren,
Im Vatikan zu Rom muß ihr der Himmel
Den unverhofften Retter zubereiten,
Sonſt fand ſie nicht einmal den Weg zu euch!
Leiceſter.
Ach, Sir, es hat mir Qualen gnug gekoſtet!
Um ſelbe Zeit ward ſie von Talbots Schloß
Nach Fotheringhay weg gefuͤhrt, der ſtrengen
Gewahrſam eures Oheims anvertraut.
Gehemmt ward jeder Weg zu ihr, ich mußte
Fortfahren vor der Welt, ſie zu verfolgen.
Doch denket nicht, daß ich ſie leidend haͤtte
Zum Tode gehen laſſen! Nein, ich hoffte,
Und hoffe noch, das Aeußerſte zu hindern,
Bis ſich ein Mittel zeigt, ſie zu befreyn.
Mortimer.
Das iſt gefunden — Leſter, euer edles
Vertraun verdient Erwiederung. Ich will ſie
Befreien, darum bin ich hier, die Anſtalt
Iſt ſchon getroffen, euer maͤcht’ger Beiſtand
Verſichert uns den gluͤcklichen Erfolg.
Leiceſter.
Was ſagt ihr? Ihr erſchreckt mich. Wie? Ihr wolltet —
Mortimer.
Gewaltſam aufthun will ich ihren Kerker,
Ich hab' Gefaͤhrten, alles iſt bereit —
Leiceſter.
Ihr habt Mitwiſſer und Vertraute! Weh mir!
In welches Wagniß reißt ihr mich hinein!
Und dieſe wiſſen auch um mein Geheimniß?
Mortimer.
Sorgt nicht. Der Plan ward ohne euch entworfen,
Ohn' euch waͤr' er vollſtreckt, beſtuͤnde ſie
Nicht drauf, euch ihre Rettung zu verdanken.
Leiceſter.
So koͤnnt ihr mich fuͤr ganz gewiß verſichern,
Daß in dem Bund mein Name nicht genannt iſt?
Mortimer.
Verlaßt euch drauf! Wie? So bedenklich, Graf,
Bei einer Botſchaft, die euch Huͤlfe bringt!
Ihr wollt die Stuart retten und beſitzen,
Ihr findet Freunde, ploͤtzlich, unerwartet,
Vom Himmel fallen euch die naͤchſten Mittel —
Doch zeigt ihr mehr Verlegenheit als Freude?
Leiceſter.
Es iſt nichts mit Gewalt. Das Wageſtuͤck
Iſt zu gefaͤhrlich.
Mortimer.
Auch das Saͤumen iſt's!
Leiceſter.
Ich ſag' euch, Ritter, es iſt nicht zu wagen.
Mortimer. (bitter).
Nein, nicht fuͤr euch, der ſie beſitzen will!
Wir wollen ſie bloß retten, und ſind nicht ſo
Bedenklich —
Leiceſter.
Junger Mann, ihr ſeid zu raſch
In ſo gefaͤhrlich dornenvoller Sache.
Mortimer.
Ihr — ſehr bedacht in ſolchem Fall der Ehre.
Leiceſter.
Ich ſeh' die Netze, die uns rings umgeben.
Mortimer.
Ich fuͤhle Muth, ſie alle zu durchreißen.
Leiceſter.
Tollkuͤhnheit, Raſerey iſt dieſer Muth.
Mortimer.
Nicht Tapferkeit iſt dieſe Klugheit, Lord.
Leiceſter.
Euch luͤſtet's wohl, wie Babington zu enden?
Mortimer.
Euch nicht, des Norfolks Großmuth nachzuahmen.
Leiceſter.
Norfolk hat ſeine Braut nicht heimgefuͤhrt.
Mortimer.
Er hat bewieſen, daß er's wuͤrdig war.
Leiceſter.
Wenn wir verderben, reißen wir ſie nach.
Mortimer.
Wenn wir uns ſchonen, wird ſie nicht gerettet.
Leiceſter.
Ihr uͤberlegt nicht, hoͤrt nicht, werdet alles
Mit heftig blindem Ungeſtuͤm zerſtoͤren,
Was auf ſo guten Weg geleitet war.
Mortimer.
Wohl auf den guten Weg, den ihr gebahnt?
Was habt ihr denn gethan, um ſie zu retten?
— Und wie? Wenn ich nun Bube gnug geweſen,
Sie zu ermorden, wie die Koͤnigin
Mir anbefahl, wie ſie zu dieſer Stunde
Von mir erwartet — Nennt mir doch die Anſtalt,
Die Ihr gemacht, ihr Leben zu erhalten.
Leiceſter (erſtaunt).
Gab euch die Koͤnigin dieſen Blutbefehl?
Mortimer.
Sie irrte ſich in mir, wie ſich Maria
In euch.
Leiceſter.
Und ihr habt zugeſagt? Habt ihr?
Mortimer.
Damit ſie andre Haͤnde nicht erkaufe,
Bot ich die meinen an.
Leiceſter.
Ihr thatet wohl.
Dieß kann uns Raum verſchaffen. Sie verlaͤßt ſich
Auf euren blut'gen Dienſt, das Todesurtheil
Bleibt unvollſtreckt, und wir gewinnen Zeit —
Mortimer (ungeduldig).
Nein, wir verlieren Zeit!
Leiceſter.
Sie zaͤhlt auf euch,
So minder wird ſie Anſtand nehmen, ſich
Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben.
Vielleicht, daß ich durch Liſt ſie uͤberrede,
Das Angeſicht der Gegnerin zu ſehn,
Und dieſer Schritt muß ihr die Haͤnde binden.
Burleigh hat Recht. Das Urtheil kann nicht mehr
Vollzogen werden, wenn ſie ſie geſehn.
— Ja ich verſuch' es, alles biet' ich auf —
Mortimer.
Und was erreicht ihr dadurch? Wenn ſie ſich
In mir getaͤuſcht ſieht, wenn Maria fortfaͤhrt,
Zu leben — Iſt nicht alles wie zuvor?
Frei wird ſie niemals! Auch das mildeſte,
Was kommen kann, iſt ewiges Gefaͤngniß.
Mit einer kuͤhnen That muͤßt ihr doch enden,
Warum wollt ihr nicht gleich damit beginnen?
In euren Haͤnden iſt die Macht, ihr bringt
Ein Heer zuſammen, wenn ihr nur den Adel
Auf euren vielen Schloͤſſern waffnen wollt!
Maria hat noch viel verborgne Freunde,
Der Howard und der Percy edle Haͤuſer,
Ob ihre Haͤupter gleich geſtuͤrzt, ſind noch
An Helden reich, ſie harren nur darauf,
Daß ein gewalt'ger Lord das Beiſpiel gebe!
Weg mit Verſtellung! Handelt oͤffentlich!
Vertheidigt als ein Ritter die Geliebte,
Kaͤmpft einen edeln Kampf um ſie. Ihr ſeid
Herr der Perſon der Koͤnigin von England,
Sobald ihr wollt. Lockt ſie auf eure Schloͤſſer,
Sie iſt euch oft dahin gefolgt. Dort zeigt ihr
Den Mann! Sprecht als Gebieter! Haltet ſie
Verwahrt, bis ſie die Stuart frei gegeben!
Leiceſter.
Ich ſtaune, ich entſetze mich — Wohin
Reißt euch der Schwindel? — Kennt ihr dieſen Boden?
Wißt ihr, wie's ſteht an dieſem Hof, wie eng
Dieß Frauenreich die Geiſter hat gebunden?
Sucht nach dem Heldengeiſt, der ehmals wohl
In dieſem Land ſich regte — Unterworfen
Iſt alles, unterm Schluͤſſel eines Weibes,
Und jedes Muthes Federn abgeſpannt.
Folgt meiner Leitung. Wagt nichts unbedachtſam.
— Ich hoͤre kommen, geht.
Mortimer.
Maria hofft!
Kehr ich mit leerem Troſt zu ihr zuruͤck?
Leiceſter.
Bringt ihr die Schwuͤre meiner ew'gen Liebe!
Mortimer.
Bringt ihr die ſelbſt! Zum Werkzeug ihrer Rettung
Bot ich mich an, nicht euch zum Liebesboten!
(Er geht ab.)Neunter Auftritt.
Eliſabeth. Leiceſter.
Eliſabeth.
Wer gieng da von euch weg? Ich hoͤrte ſprechen.
Leiceſter.
(ſich auf ihre Rede ſchnell und erſchrocken umwendend)
Es war Sir Mortimer.
Eliſabeth.
Was iſt euch, Lord?
So ganz betreten?
Leiceſter (faßt ſich).
— Ueber deinen Anblick!
Ich habe dich ſo reizend nie geſehn,
Geblendet ſteh ich da von deiner Schoͤnheit.
— Ach!
Eliſabeth.
Warum ſeufzt ihr?
Leiceſter.
Hab' ich keinen Grund
Zu ſeufzen? Da ich deinen Reiz betrachte,
Erneut ſich mir der namenloſe Schmerz
Des drohenden Verluſtes.
Eliſabeth.
Was verliert ihr?
Leiceſter.
Dein Herz, dein liebenswuͤrdig Selbſt verlier ich.
Bald wirſt du in den jugendlichen Armen
Des feurigen Gemahls dich gluͤcklich fuͤhlen,
Und ungetheilt wird er dein Herz beſitzen.
Er iſt von koͤniglichem Blut, das bin
Ich nicht, doch trotz ſey aller Welt geboten,
Ob einer lebt auf dieſem Erdenrund,
Der mehr Anbetung fuͤr dich fuͤhlt, als ich.
Der Duͤc von Anjou hat dich nie geſehn,
Nur deinen Ruhm und Schimmer kann er lieben.
Ich liebe Dich. Waͤrſt du die aͤrmſte Hirtin,
Ich als der groͤßte Fuͤrſt der Welt geboren,
Zu deinem Stand wuͤrd' ich herunter ſteigen,
Mein Diadem zu deinen Fuͤßen legen.
Eliſabeth.
Beklag' mich, Dudley, ſchilt mich nicht — Ich darf ja
Mein Herz nicht fragen. Ach! das haͤtte anders
Gewaͤhlt. Und wie beneid' ich andre Weiber,
Die das erhoͤhen duͤrfen, was ſie lieben.
So gluͤcklich bin ich nicht, daß ich dem Manne,
Der mir vor allen theuer iſt, die Krone
Aufſetzen kann! — Der Stuart wards vergoͤnnt,
Die Hand nach ihrer Neigung zu verſchenken,
Die hat ſich jegliches erlaubt, ſie hat
Den vollen Kelch der Freuden ausgetrunken.
Leiceſter.
Jetzt trinkt ſie auch den bittern Kelch des Leidens.
Eliſabeth.
Sie hat der Menſchen Urtheil nichts geachtet.
Leicht wurd' es ihr zu leben, nimmer lud ſie
Das Joch ſich auf, dem ich mich unterwarf.
Haͤtt' ich doch auch Anſpruͤche machen koͤnnen,
Des Lebens mich, der Erde Luſt zu freun,
Doch zog ich ſtrenge Koͤnigspflichten vor.
Und doch gewann ſie aller Maͤnner Gunſt,
Weil ſie ſich nur befliß, ein Weib zu ſeyn,
Und um ſie buhlt die Jugend und das Alter.
So ſind die Maͤnner. Luͤſtlinge ſind alle!
Dem Leichtſinn eilen ſie, der Freude zu,
Und ſchaͤtzen nichts, was ſie verehren muͤſſen.
Verjuͤngte ſich nicht dieſer Talbot ſelbſt,
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!
Leiceſter.
Vergieb es ihm. Er war ihr Waͤchter einſt,
Die Liſt'ge hat mit Schmeicheln ihn bethoͤrt.
Eliſabeth.
Und iſt's denn wirklich wahr, daß ſie ſo ſchoͤn iſt?
So oft mußt' ich die Larve ruͤhmen hoͤren,
Wohl moͤcht' ich wiſſen, was zu glauben iſt.
Gemaͤhlde ſchmeicheln, Schilderungen luͤgen,
Nur meinen eignen Augen wuͤrd' ich traun.
— Was ſchaut ihr mich ſo ſeltſam an?
Leiceſter.
Ich ſtellte
Dich in Gedanken neben die Maria.
— Die Freude wuͤnſcht ich mir, ich berg' es nicht,
Wenn es ganz in geheim geſchehen koͤnnte,
Der Stuart gegenuͤber dich zu ſehn!
Dann ſollteſt du erſt deines ganzen Siegs
Genießen! Die Beſchaͤmung goͤnnt' ich ihr,
Daß ſie mit eignen Augen — denn der Neid
Hat ſcharfe Augen — uͤberzeugt ſich ſaͤhe,
Wie ſehr ſie auch an Adel der Geſtalt
Von dir beſiegt wird, der ſie ſo unendlich
In jeder andern wuͤrd'gen Tugend weicht.
Eliſabeth.
Sie iſt die juͤngere an Jahren.
Leiceſter.
Juͤnger!
Man ſiehts ihr nicht an. Freilich ihre Leiden!
Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben.
Ja, und was ihre Kraͤnkung bittrer machte,
Das waͤre, dich als Braut zu ſehn! Sie hat
Des Lebens ſchoͤne Hoffnung hinter ſich,
Dich ſaͤhe ſie dem Gluͤck entgegen ſchreiten!
Und als die Braut des Koͤnigsſohns von Frankreich,
Da ſie ſich ſtets ſo viel gewußt, ſo ſtolz
Gethan mit der franzoͤſiſchen Vermaͤhlung,
Noch jetzt auf Frankreichs maͤcht'ge Hilfe pocht!
Eliſabeth (nachlaͤſſig hinwerfend).
Man peinigt mich ja ſie zu ſehn.
Leiceſter (lebhaft).
Sie foderts
Als eine Gunſt, gewaͤhrt es ihr als Strafe!
Du kannſt ſie auf das Blutgeruͤſte fuͤhren,
Es wird ſie minder peinigen, als ſich
Von deinen Reizen ausgeloͤſcht zu ſehn.
Dadurch ermordeſt du ſie, wie ſie dich
Ermorden wollte — Wenn ſie deine Schoͤnheit
Erblickt, durch Ehrbarkeit bewacht, in Glorie
Geſtellt durch einen unbefleckten Tugendruf,
Den ſie, leichtſinnig bulend, von ſich warf,
Erhoben durch der Krone Glanz, und jetzt
Durch zarte Braͤutlichkeit geſchmuͤckt — dann hat
Die Stunde der Vernichtung ihr geſchlagen.
Ja — wenn ich jetzt die Augen auf dich werfe —
Nie warſt du, nie zu einem Sieg der Schoͤnheit
Geruͤſteter als eben jetzt — Mich ſelbſt
Haſt du umſtrahlt wie eine Lichterſcheinung,
Als du vorhin ins Zimmer trateſt — Wie?
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Wenn du gleich jetzt, jetzt wie du biſt, hintraͤteſt
Vor ſie, du findeſt keine ſchoͤn're Stunde —
Eliſabeth.
Jetzt — Nein — Nein — Jetzt nicht, Leſter — Nein, das muß ich
Erſt wohl bedenken — mich mit Burleigh —
Leiceſter (lebhaft einfallend).
Burleigh!
Der denkt allein auf deinen Staatſvortheil,
Auch deine Weiblichkeit hat ihre Rechte,
Der zarte Punkt gehoͤrt vor Dein Gericht,
Nicht vor des Staatsmanns — ja auch Staatskunſt will es
Daß du ſie ſiehſt, die oͤffentliche Meinung
Durch eine That der Großmuth dir gewinneſt!
Magſt du nachher dich der verhaßten Feindin,
Auf welche Weiſe dirs gefaͤllt, entladen.
Eliſabeth.
Nicht wohlanſtaͤndig waͤr mir's, die verwandte
Im Mangel und in Schmach zu ſehn. Man ſagt,
Daß ſie nicht koͤniglich umgeben ſey,
Vorwerfend waͤr mir ihres Mangels Anblick.
Leiceſter.
Nicht ihrer Schwelle brauchſt du dich zu nahn.
Hoͤr meinen Rath. Der Zufall hat es eben
Nach Wunſch gefuͤgt. Heut iſt das große Jagen,
An Fotheringhay fuͤhrt der Weg vorbei,
Dort kann die Stuart ſich im Park ergehn,
Du kommſt ganz wie ohngefaͤhr dahin,
Es darf nichts als vorher bedacht erſcheinen,
Und wenn es dir zuwider, redeſt du
Sie gar nicht an —
Eliſabeth.
Begeh' ich eine Thorheit,
So iſt es eure, Leſter, nicht die meine.
Ich will euch heute keinen Wunſch verſagen,
Weil ich von meinen Unterthanen allen
Euch heut am weheſten gethan.
(Ihn zaͤrtlich anſehend.)
Sey's eine Grille nur von euch. Dadurch
Giebt Neigung ſich ja kund, daß ſie bewilligt
Aus freier Gunſt, was ſie auch nicht gebilligt.
(Leiceſter ſtuͤrzt zu ihren Fuͤßen, der Vorhang faͤllt.)