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Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

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Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben.
Vielleicht, daß ich durch List sie überrede,
Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,
Und dieser Schritt muß ihr die Hände binden.
Burleigh hat Recht. Das Urtheil kann nicht mehr
Vollzogen werden, wenn sie sie gesehn.
-- Ja ich versuch' es, alles biet' ich auf --

Mortimer.
Und was erreicht ihr dadurch? Wenn sie sich
In mir getäuscht sieht, wen[n] Maria fortfährt,
Zu leben -- Ist nicht alles wie zuvor?
Frei wird sie niemals! Auch das mildeste,
Was kommen kann, ist ewiges Gefängniß.
Mit einer kühnen That müßt ihr doch enden,
Warum wollt ihr nicht gleich damit beginnen?
In euren Händen ist die Macht, ihr bringt
Ein Heer zusammen, wenn ihr nur den Adel
Auf euren vielen Schlössern waffnen wollt!
Maria hat noch viel verborgne Freunde,
Der Howard und der Percy edle Häuser,
Ob ihre Häupter gleich gestürzt, sind noch
An Helden reich, sie harren nur darauf,
Daß ein gewalt'ger Lord das Beispiel gebe!
Weg mit Verstellung! Handelt öffentlich!
Vertheidigt als ein Ritter die Geliebte,
Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben.
Vielleicht, daß ich durch Liſt ſie uͤberrede,
Das Angeſicht der Gegnerin zu ſehn,
Und dieſer Schritt muß ihr die Haͤnde binden.
Burleigh hat Recht. Das Urtheil kann nicht mehr
Vollzogen werden, wenn ſie ſie geſehn.
— Ja ich verſuch' es, alles biet' ich auf —

Mortimer.
Und was erreicht ihr dadurch? Wenn ſie ſich
In mir getaͤuſcht ſieht, wen[n] Maria fortfaͤhrt,
Zu leben — Iſt nicht alles wie zuvor?
Frei wird ſie niemals! Auch das mildeſte,
Was kommen kann, iſt ewiges Gefaͤngniß.
Mit einer kuͤhnen That muͤßt ihr doch enden,
Warum wollt ihr nicht gleich damit beginnen?
In euren Haͤnden iſt die Macht, ihr bringt
Ein Heer zuſammen, wenn ihr nur den Adel
Auf euren vielen Schloͤſſern waffnen wollt!
Maria hat noch viel verborgne Freunde,
Der Howard und der Percy edle Haͤuſer,
Ob ihre Haͤupter gleich geſtuͤrzt, ſind noch
An Helden reich, ſie harren nur darauf,
Daß ein gewalt'ger Lord das Beiſpiel gebe!
Weg mit Verſtellung! Handelt oͤffentlich!
Vertheidigt als ein Ritter die Geliebte,
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[107/0113] Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben. Vielleicht, daß ich durch Liſt ſie uͤberrede, Das Angeſicht der Gegnerin zu ſehn, Und dieſer Schritt muß ihr die Haͤnde binden. Burleigh hat Recht. Das Urtheil kann nicht mehr Vollzogen werden, wenn ſie ſie geſehn. — Ja ich verſuch' es, alles biet' ich auf — Mortimer. Und was erreicht ihr dadurch? Wenn ſie ſich In mir getaͤuſcht ſieht, wenn Maria fortfaͤhrt, Zu leben — Iſt nicht alles wie zuvor? Frei wird ſie niemals! Auch das mildeſte, Was kommen kann, iſt ewiges Gefaͤngniß. Mit einer kuͤhnen That muͤßt ihr doch enden, Warum wollt ihr nicht gleich damit beginnen? In euren Haͤnden iſt die Macht, ihr bringt Ein Heer zuſammen, wenn ihr nur den Adel Auf euren vielen Schloͤſſern waffnen wollt! Maria hat noch viel verborgne Freunde, Der Howard und der Percy edle Haͤuſer, Ob ihre Haͤupter gleich geſtuͤrzt, ſind noch An Helden reich, ſie harren nur darauf, Daß ein gewalt'ger Lord das Beiſpiel gebe! Weg mit Verſtellung! Handelt oͤffentlich! Vertheidigt als ein Ritter die Geliebte,

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Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/113>, abgerufen am 05.05.2024.