Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.
von so viel Schönheit und Geist -- Eigenschaften, die ein Mann schäzen würde -- sich an einen Fürsten sollte wegwerfen können, der nur das Geschlecht an Ihr zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schämte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten. Lady. (schaut ihm groß in's Gesicht) Reden Sie ganz aus. Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Er- lauben Sie mir -- ich kann es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind. Die freigeborene Tochter des freiesten Volks unter dem Himmel -- das auch zu stolz ist, fremder Tugend zu räuchern, -- kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen. Es ist nicht möglich, daß Sie eine Brittin sind, -- oder das Herz dieser Brittin muß um so viel kleiner seyn, als größer und kühner Britanniens Adern schlagen. Lady. Sind Sie zu Ende? Ferdinand. Man könnte antworten, es ist weibliche Eitelkeit -- Leidenschaft -- Temperament -- Hang zum Vergnügen. Schon öfters überlebte Tugend die Ehre. Schon manche, die mit Schan- de in diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit sich ausgesöhnt, und das häßliche Handwerk durch einen schönen Gebrauch ge- adelt ------ Aber woher denn jezt diese ungeheure Pressung des Landes, die vorher nie so gewesen? -- Das war im Namen des Herzogthums. -- Ich bin zu Ende. Lady.
von ſo viel Schoͤnheit und Geiſt — Eigenſchaften, die ein Mann ſchaͤzen wuͤrde — ſich an einen Fuͤrſten ſollte wegwerfen koͤnnen, der nur das Geſchlecht an Ihr zu bewundern gelernt hat, wenn ſich dieſe Dame nicht ſchaͤmte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten. Lady. (ſchaut ihm groß in's Geſicht) Reden Sie ganz aus. Ferdinand. Sie nennen ſich eine Brittin. Er- lauben Sie mir — ich kann es nicht glauben, daß Sie eine Brittin ſind. Die freigeborene Tochter des freieſten Volks unter dem Himmel — das auch zu ſtolz iſt, fremder Tugend zu raͤuchern, — kann ſich nimmermehr an fremdes Laſter verdingen. Es iſt nicht moͤglich, daß Sie eine Brittin ſind, — oder das Herz dieſer Brittin muß um ſo viel kleiner ſeyn, als groͤßer und kuͤhner Britanniens Adern ſchlagen. Lady. Sind Sie zu Ende? Ferdinand. Man koͤnnte antworten, es iſt weibliche Eitelkeit — Leidenſchaft — Temperament — Hang zum Vergnuͤgen. Schon oͤfters uͤberlebte Tugend die Ehre. Schon manche, die mit Schan- de in dieſe Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit ſich ausgeſoͤhnt, und das haͤßliche Handwerk durch einen ſchoͤnen Gebrauch ge- adelt ——— Aber woher denn jezt dieſe ungeheure Preſſung des Landes, die vorher nie ſo geweſen? — Das war im Namen des Herzogthums. — Ich bin zu Ende. Lady.
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an Ihr zu bewundern gelernt hat, wenn ſich dieſe
Dame nicht ſchaͤmte, vor einen Mann mit ihrem
Herzen zu treten.
Lady. (ſchaut ihm groß in's Geſicht) Reden Sie
ganz aus.
Ferdinand. Sie nennen ſich eine Brittin. Er-
lauben Sie mir — ich kann es nicht glauben, daß
Sie eine Brittin ſind. Die freigeborene Tochter des
freieſten Volks unter dem Himmel — das auch zu
ſtolz iſt, fremder Tugend zu raͤuchern, — kann
ſich nimmermehr an fremdes Laſter verdingen. Es
iſt nicht moͤglich, daß Sie eine Brittin ſind, —
oder das Herz dieſer Brittin muß um ſo viel kleiner
ſeyn, als groͤßer und kuͤhner Britanniens Adern
ſchlagen.
Lady. Sind Sie zu Ende?
Ferdinand. Man koͤnnte antworten, es iſt
weibliche Eitelkeit — Leidenſchaft — Temperament
— Hang zum Vergnuͤgen. Schon oͤfters uͤberlebte
Tugend die Ehre. Schon manche, die mit Schan-
de in dieſe Schranke trat, hat nachher die Welt
durch edle Handlungen mit ſich ausgeſoͤhnt, und das
haͤßliche Handwerk durch einen ſchoͤnen Gebrauch ge-
adelt ——— Aber woher denn jezt dieſe ungeheure
Preſſung des Landes, die vorher nie ſo geweſen? —
Das war im Namen des Herzogthums. — Ich bin
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