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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas war ein vnverschambier Lugner/
die sich äusserlich erzaigen wie ein Lämbl/ innerlich wie ein
Wolff/ äusserlich ein Tauber/ innerlich ein Raab. We-
he allen Gleißneren! Vae vobis Hypocritae!

Gleichwie die schöne Rachel ihres Vatters Laban
Götzenbilder vnder dem Stroh verborgen/ also geschicht
auch/ daß vnder einer schlechten Mönchs-Kappen/ ein
Gottloß Gemüth kan verborgen seyn. Der H. Gregorius
schreibt/ daß zu seiner Zeit ein Geistlicher in grossen Ruhm
der Heiligkeit habe gelebet/ vnd seynd die Leuth der vnfehl-
bahren Mainung gewest/ es werde die Welt erhalten
durch das eyfrige Gebett dises Manns/ der jenige schätzte
sich glückseelig/ der ihme hat dörffen die Händ/ oder den
Habit kussen/ jedermann hat sich befohlen in sein eyfriges
Gebett; ja in dem Closter selbst wurde er von seinen Mit-
Religiosen vor einen heiligen Mann gehalten. Wie di-
ser nun zu seinem Sterb-Stündlein kommen/ hat er lassen
alle Geistliche zu sich rueffen/ welche dann hurtig vnnd
schleunig erschinen/ der gäntzlichen Hoffnung/ sie werden
von disem H. Vatter gar ein schöne Lehr/ vnd forderift
den heiligen Seegen zu guter letzt empfangen/ aber die
Sach hat sich weit anderft befunden/ in dem diser mit mit
heiligen Gebärden/ wie sie vermainten/ sondern mit
entsetzlichem Angesicht/ vnnd verzweiffelter Gestalt fol-
gender massen sie angeredet. Wist ihr was/ nicht see-
lig/ sondern ewig vnglückseelig bin ich/ weilen mein
bißhero geführter Wandel nur ein Gleißnerische Hei-
ligkeit in sich hatte/ wessenthalben der Höllische Drach
S. Greg. l.
4. Dialog.
c.
31.
seinen vergifften Schwaiff vmb mich gewunden/ sei-
nen Kopff aber in meinen Rachen stecket/ worauß er
gleich mein verdambte Seel ziehen wird. So ist dann
nicht alles Gold/ was glantzet/ nicht alles vnschuldig/
was weiß ist/ nicht alles seelig/ was heilig scheint.

Die Kinder der Propheten waren der Mainung/

als

Judas war ein vnverſchambier Lugner/
die ſich aͤuſſerlich erzaigen wie ein Laͤmbl/ innerlich wie ein
Wolff/ aͤuſſerlich ein Tauber/ innerlich ein Raab. We-
he allen Gleißneren! Væ vobis Hypocritæ!

Gleichwie die ſchoͤne Rachel ihres Vatters Laban
Goͤtzenbilder vnder dem Stroh verborgen/ alſo geſchicht
auch/ daß vnder einer ſchlechten Moͤnchs-Kappen/ ein
Gottloß Gemuͤth kan verborgen ſeyn. Der H. Gregorius
ſchreibt/ daß zu ſeiner Zeit ein Geiſtlicher in groſſen Ruhm
der Heiligkeit habe gelebet/ vnd ſeynd die Leuth der vnfehl-
bahren Mainung geweſt/ es werde die Welt erhalten
durch das eyfrige Gebett diſes Manns/ der jenige ſchaͤtzte
ſich gluͤckſeelig/ der ihme hat doͤrffen die Haͤnd/ oder den
Habit kuſſen/ jedermann hat ſich befohlen in ſein eyfriges
Gebett; ja in dem Cloſter ſelbſt wurde er von ſeinen Mit-
Religioſen vor einen heiligen Mann gehalten. Wie di-
ſer nun zu ſeinem Sterb-Stuͤndlein kommen/ hat er laſſen
alle Geiſtliche zu ſich rueffen/ welche dann hurtig vnnd
ſchleunig erſchinen/ der gaͤntzlichen Hoffnung/ ſie werden
von diſem H. Vatter gar ein ſchoͤne Lehr/ vnd forderift
den heiligen Seegen zu guter letzt empfangen/ aber die
Sach hat ſich weit anderft befunden/ in dem diſer mit mit
heiligen Gebaͤrden/ wie ſie vermainten/ ſondern mit
entſetzlichem Angeſicht/ vnnd verzweiffelter Geſtalt fol-
gender maſſen ſie angeredet. Wiſt ihr was/ nicht ſee-
lig/ ſondern ewig vngluͤckſeelig bin ich/ weilen mein
bißhero gefuͤhrter Wandel nur ein Gleißneriſche Hei-
ligkeit in ſich hatte/ weſſenthalben der Hoͤlliſche Drach
S. Greg. l.
4. Dialog.
c.
31.
ſeinen vergifften Schwaiff vmb mich gewunden/ ſei-
nen Kopff aber in meinen Rachen ſtecket/ worauß er
gleich mein verdambte Seel ziehen wird. So iſt dann
nicht alles Gold/ was glantzet/ nicht alles vnſchuldig/
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[470/0506] Judas war ein vnverſchambier Lugner/ die ſich aͤuſſerlich erzaigen wie ein Laͤmbl/ innerlich wie ein Wolff/ aͤuſſerlich ein Tauber/ innerlich ein Raab. We- he allen Gleißneren! Væ vobis Hypocritæ! Gleichwie die ſchoͤne Rachel ihres Vatters Laban Goͤtzenbilder vnder dem Stroh verborgen/ alſo geſchicht auch/ daß vnder einer ſchlechten Moͤnchs-Kappen/ ein Gottloß Gemuͤth kan verborgen ſeyn. Der H. Gregorius ſchreibt/ daß zu ſeiner Zeit ein Geiſtlicher in groſſen Ruhm der Heiligkeit habe gelebet/ vnd ſeynd die Leuth der vnfehl- bahren Mainung geweſt/ es werde die Welt erhalten durch das eyfrige Gebett diſes Manns/ der jenige ſchaͤtzte ſich gluͤckſeelig/ der ihme hat doͤrffen die Haͤnd/ oder den Habit kuſſen/ jedermann hat ſich befohlen in ſein eyfriges Gebett; ja in dem Cloſter ſelbſt wurde er von ſeinen Mit- Religioſen vor einen heiligen Mann gehalten. Wie di- ſer nun zu ſeinem Sterb-Stuͤndlein kommen/ hat er laſſen alle Geiſtliche zu ſich rueffen/ welche dann hurtig vnnd ſchleunig erſchinen/ der gaͤntzlichen Hoffnung/ ſie werden von diſem H. Vatter gar ein ſchoͤne Lehr/ vnd forderift den heiligen Seegen zu guter letzt empfangen/ aber die Sach hat ſich weit anderft befunden/ in dem diſer mit mit heiligen Gebaͤrden/ wie ſie vermainten/ ſondern mit entſetzlichem Angeſicht/ vnnd verzweiffelter Geſtalt fol- gender maſſen ſie angeredet. Wiſt ihr was/ nicht ſee- lig/ ſondern ewig vngluͤckſeelig bin ich/ weilen mein bißhero gefuͤhrter Wandel nur ein Gleißneriſche Hei- ligkeit in ſich hatte/ weſſenthalben der Hoͤlliſche Drach ſeinen vergifften Schwaiff vmb mich gewunden/ ſei- nen Kopff aber in meinen Rachen ſtecket/ worauß er gleich mein verdambte Seel ziehen wird. So iſt dann nicht alles Gold/ was glantzet/ nicht alles vnſchuldig/ was weiß iſt/ nicht alles ſeelig/ was heilig ſcheint. S. Greg. l. 4. Dialog. c. 31. Die Kinder der Propheten waren der Mainung/ als

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/506>, abgerufen am 22.11.2024.