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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas Anfangs ein kleiner/
herr/ etc. Erstlich ist einer ein Picanierer/ mit der Weil
ein Gefreyter/ mit der Zeit ein Fendrich/ mit der Zeit ein
Hauptmann/ mit der Zeit ein Obrister. Deßgleichen
steigt auch der Mensch in den Vntugenden; Anfangs ist
er ein kleiner Dieb/ steht nit lang an/ so wird er ein grösse-
rer: wart ein Weil/ so wird der gröste Dieb darauß.
Solcher Gestalten ist der Mensch/ wie einer/ der durch ei-
nen tieffen Fluß watten will. Erstlich geht er in das Was-
ser biß auff die Knye/ nachgehends biß auff den Nabel/
alsdann biß under die Armb/ mit der Weil gar/ biß ihm
das Wasser in das Maul rinnet. Auff gleiche Weiß
wird sich keiner gleich in die gröste Laster stürtzen/ sondern
nach vnd nach. Erstlich stihlt er ein Nadel/ nach sechs Ta-
gen stihlt er ein Nähküß/ nach sechs Wochen stihlt er mehr/
nach sechs Monath wird er ein rechter Dieb/ nach sechs
Jahren wird er gehenckt. Qui spernit modica, paulatim
decidet.

Wie der HErr JEsus von dem Berg Thabor her-
ab gestigen/ allwo er sein Himmlische Glory in etwas ent-
worffen/ hat er vnder dem häuffigen Volck daselbst einen
jungen Menschen angetroffen/ welcher von Kindheit auff
vom bösen Feind besessen war. Dises armen Tropffen
leiblicher Vatter ware gegenwärtig/ vnd klagte mit allen
Vmbständen den müheseeligen Zustand seines Sohns;
sagte beynebens/ wie tyrannisch diser höllische Geist den ar-
men Menschen tractire. Frequenter eum in ignem mi-
sit:
Ja der Teuffel habe ihn schon zum öfftern in das
Feur geworffen. Worüber sich JEsus erbarmet/ der
Sathanischen Larven ernstlich befohlen/ daß sie vnverzüg-
lich von dannen weichen solle/ wie es dann geschehen. Nit
nur einmahl einer/ nicht nur zehenmahl zehne/ nicht nur
dreyssigmahl dreyssig/ nicht nur sechtzigmahl sechtzig/ nicht
nur hundertmahl hundert/ nicht nur tausendmahl tau-

send/

Judas Anfangs ein kleiner/
herꝛ/ ꝛc. Erſtlich iſt einer ein Picanierer/ mit der Weil
ein Gefreyter/ mit der Zeit ein Fendrich/ mit der Zeit ein
Hauptmann/ mit der Zeit ein Obriſter. Deßgleichen
ſteigt auch der Menſch in den Vntugenden; Anfangs iſt
er ein kleiner Dieb/ ſteht nit lang an/ ſo wird er ein groͤſſe-
rer: wart ein Weil/ ſo wird der groͤſte Dieb darauß.
Solcher Geſtalten iſt der Menſch/ wie einer/ der durch ei-
nen tieffen Fluß watten will. Erſtlich geht er in das Waſ-
ſer biß auff die Knye/ nachgehends biß auff den Nabel/
alsdann biß under die Armb/ mit der Weil gar/ biß ihm
das Waſſer in das Maul rinnet. Auff gleiche Weiß
wird ſich keiner gleich in die groͤſte Laſter ſtuͤrtzen/ ſondern
nach vnd nach. Erſtlich ſtihlt er ein Nadel/ nach ſechs Ta-
gen ſtihlt er ein Naͤhkuͤß/ nach ſechs Wochen ſtihlt er mehr/
nach ſechs Monath wird er ein rechter Dieb/ nach ſechs
Jahren wird er gehenckt. Qui ſpernit modica, paulatim
decidet.

Wie der HErꝛ JEſus von dem Berg Thabor her-
ab geſtigen/ allwo er ſein Himmliſche Glory in etwas ent-
worffen/ hat er vnder dem haͤuffigen Volck daſelbſt einen
jungen Menſchen angetroffen/ welcher von Kindheit auff
vom boͤſen Feind beſeſſen war. Diſes armen Tropffen
leiblicher Vatter ware gegenwaͤrtig/ vnd klagte mit allen
Vmbſtaͤnden den muͤheſeeligen Zuſtand ſeines Sohns;
ſagte beynebens/ wie tyranniſch diſer hoͤlliſche Geiſt den ar-
men Menſchen tractire. Frequenter eum in ignem mi-
ſit:
Ja der Teuffel habe ihn ſchon zum oͤfftern in das
Feur geworffen. Woruͤber ſich JEſus erbarmet/ der
Sathaniſchen Larven ernſtlich befohlen/ daß ſie vnverzuͤg-
lich von dannen weichen ſolle/ wie es dann geſchehen. Nit
nur einmahl einer/ nicht nur zehenmahl zehne/ nicht nur
dreyſſigmahl dreyſſig/ nicht nur ſechtzigmahl ſechtzig/ nicht
nur hundertmahl hundert/ nicht nur tauſendmahl tau-

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[367/0403] Judas Anfangs ein kleiner/ herꝛ/ ꝛc. Erſtlich iſt einer ein Picanierer/ mit der Weil ein Gefreyter/ mit der Zeit ein Fendrich/ mit der Zeit ein Hauptmann/ mit der Zeit ein Obriſter. Deßgleichen ſteigt auch der Menſch in den Vntugenden; Anfangs iſt er ein kleiner Dieb/ ſteht nit lang an/ ſo wird er ein groͤſſe- rer: wart ein Weil/ ſo wird der groͤſte Dieb darauß. Solcher Geſtalten iſt der Menſch/ wie einer/ der durch ei- nen tieffen Fluß watten will. Erſtlich geht er in das Waſ- ſer biß auff die Knye/ nachgehends biß auff den Nabel/ alsdann biß under die Armb/ mit der Weil gar/ biß ihm das Waſſer in das Maul rinnet. Auff gleiche Weiß wird ſich keiner gleich in die groͤſte Laſter ſtuͤrtzen/ ſondern nach vnd nach. Erſtlich ſtihlt er ein Nadel/ nach ſechs Ta- gen ſtihlt er ein Naͤhkuͤß/ nach ſechs Wochen ſtihlt er mehr/ nach ſechs Monath wird er ein rechter Dieb/ nach ſechs Jahren wird er gehenckt. Qui ſpernit modica, paulatim decidet. Wie der HErꝛ JEſus von dem Berg Thabor her- ab geſtigen/ allwo er ſein Himmliſche Glory in etwas ent- worffen/ hat er vnder dem haͤuffigen Volck daſelbſt einen jungen Menſchen angetroffen/ welcher von Kindheit auff vom boͤſen Feind beſeſſen war. Diſes armen Tropffen leiblicher Vatter ware gegenwaͤrtig/ vnd klagte mit allen Vmbſtaͤnden den muͤheſeeligen Zuſtand ſeines Sohns; ſagte beynebens/ wie tyranniſch diſer hoͤlliſche Geiſt den ar- men Menſchen tractire. Frequenter eum in ignem mi- ſit: Ja der Teuffel habe ihn ſchon zum oͤfftern in das Feur geworffen. Woruͤber ſich JEſus erbarmet/ der Sathaniſchen Larven ernſtlich befohlen/ daß ſie vnverzuͤg- lich von dannen weichen ſolle/ wie es dann geſchehen. Nit nur einmahl einer/ nicht nur zehenmahl zehne/ nicht nur dreyſſigmahl dreyſſig/ nicht nur ſechtzigmahl ſechtzig/ nicht nur hundertmahl hundert/ nicht nur tauſendmahl tau- ſend/

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/403>, abgerufen am 22.11.2024.