Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
und ließ selbige dem Prediger Deutsch bei der Heiligengeistkirche mit dem Ersuchen, solche von der Kanzel abzulesen, einhändigen, welcher es aber wohlbedächtlich unterließ. Nun rückte die scheußliche Stunde heran, in welcher Schwärmerei und Wahnsinn einen Mann, der stets ein Freund der Religion, von frommen und stillen Wandel, der nie ein Thier, geschweige denn Menschen zu beleidigen fähig gewesen, zu einer mehr als barbarischen That muthig und vermögend machten. Am bemerkten Sonnabend, den 22sten Januar, frühe um sieben Uhr ging Jakob Varmeier zu dem Obristen von Hazfeld in der Absicht, um vorberührte Pässe, oder Schuzbriefe abermal zu sollizitiren. Des Beils sich erinnernd steckte er solches, nebst einem Stücke von einer Gardine, wiewohl erschrocken und mit dem Gedanken, wenn Gott es nicht haben wollte, daß er das Beil wohl wider weg- oder ins Wasser werfen könnte, unter dem linken Arm hinter den Gürtel. Bei seiner Ankunft verweigerte der Page, ihn anzumelden, er bediente sich also der vom Obristen erhaltenen Freiheit, auch unangemeldet in sein Zimmer kommen zu dürfen, und zeigte demselben im Eintritte an, daß er wegen Pässe für Wittwen und Studenten käme, auch sonsten etwas geheimes vorzutra-
und ließ selbige dem Prediger Deutsch bei der Heiligengeistkirche mit dem Ersuchen, solche von der Kanzel abzulesen, einhaͤndigen, welcher es aber wohlbedaͤchtlich unterließ. Nun ruͤckte die scheußliche Stunde heran, in welcher Schwaͤrmerei und Wahnsinn einen Mann, der stets ein Freund der Religion, von frommen und stillen Wandel, der nie ein Thier, geschweige denn Menschen zu beleidigen faͤhig gewesen, zu einer mehr als barbarischen That muthig und vermoͤgend machten. Am bemerkten Sonnabend, den 22sten Januar, fruͤhe um sieben Uhr ging Jakob Varmeier zu dem Obristen von Hazfeld in der Absicht, um vorberuͤhrte Paͤsse, oder Schuzbriefe abermal zu sollizitiren. Des Beils sich erinnernd steckte er solches, nebst einem Stuͤcke von einer Gardine, wiewohl erschrocken und mit dem Gedanken, wenn Gott es nicht haben wollte, daß er das Beil wohl wider weg- oder ins Wasser werfen koͤnnte, unter dem linken Arm hinter den Guͤrtel. Bei seiner Ankunft verweigerte der Page, ihn anzumelden, er bediente sich also der vom Obristen erhaltenen Freiheit, auch unangemeldet in sein Zimmer kommen zu duͤrfen, und zeigte demselben im Eintritte an, daß er wegen Paͤsse fuͤr Wittwen und Studenten kaͤme, auch sonsten etwas geheimes vorzutra- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p rend="indention2"><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/> tiglich dirigiren und ausschlagen lassen, um des himmlischen Friede-Fuͤrsten Jesu Christi willen. Amen.«</p> <p>und ließ selbige dem Prediger Deutsch bei der Heiligengeistkirche mit dem Ersuchen, solche von der Kanzel abzulesen, einhaͤndigen, welcher es aber wohlbedaͤchtlich unterließ. </p> <p>Nun ruͤckte die scheußliche Stunde heran, in welcher Schwaͤrmerei und Wahnsinn einen Mann, der stets ein Freund der Religion, von frommen und stillen Wandel, der nie ein Thier, geschweige denn Menschen zu beleidigen faͤhig gewesen, zu einer mehr als barbarischen That muthig und vermoͤgend machten. Am bemerkten Sonnabend, den 22sten Januar, fruͤhe um sieben Uhr ging Jakob Varmeier zu dem Obristen von Hazfeld in der Absicht, um vorberuͤhrte Paͤsse, oder Schuzbriefe abermal zu sollizitiren. Des Beils sich erinnernd steckte er solches, nebst einem Stuͤcke von einer Gardine, wiewohl erschrocken und mit dem Gedanken, wenn Gott es nicht haben wollte, daß er das Beil wohl wider weg- oder ins Wasser werfen koͤnnte, unter dem linken Arm hinter den Guͤrtel. </p> <p>Bei seiner Ankunft verweigerte der Page, ihn anzumelden, er bediente sich also der vom Obristen erhaltenen Freiheit, auch unangemeldet in sein Zimmer kommen zu duͤrfen, und zeigte demselben im Eintritte an, daß er wegen Paͤsse fuͤr Wittwen und Studenten kaͤme, auch sonsten etwas geheimes vorzutra-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0007]
tiglich dirigiren und ausschlagen lassen, um des himmlischen Friede-Fuͤrsten Jesu Christi willen. Amen.«
und ließ selbige dem Prediger Deutsch bei der Heiligengeistkirche mit dem Ersuchen, solche von der Kanzel abzulesen, einhaͤndigen, welcher es aber wohlbedaͤchtlich unterließ.
Nun ruͤckte die scheußliche Stunde heran, in welcher Schwaͤrmerei und Wahnsinn einen Mann, der stets ein Freund der Religion, von frommen und stillen Wandel, der nie ein Thier, geschweige denn Menschen zu beleidigen faͤhig gewesen, zu einer mehr als barbarischen That muthig und vermoͤgend machten. Am bemerkten Sonnabend, den 22sten Januar, fruͤhe um sieben Uhr ging Jakob Varmeier zu dem Obristen von Hazfeld in der Absicht, um vorberuͤhrte Paͤsse, oder Schuzbriefe abermal zu sollizitiren. Des Beils sich erinnernd steckte er solches, nebst einem Stuͤcke von einer Gardine, wiewohl erschrocken und mit dem Gedanken, wenn Gott es nicht haben wollte, daß er das Beil wohl wider weg- oder ins Wasser werfen koͤnnte, unter dem linken Arm hinter den Guͤrtel.
Bei seiner Ankunft verweigerte der Page, ihn anzumelden, er bediente sich also der vom Obristen erhaltenen Freiheit, auch unangemeldet in sein Zimmer kommen zu duͤrfen, und zeigte demselben im Eintritte an, daß er wegen Paͤsse fuͤr Wittwen und Studenten kaͤme, auch sonsten etwas geheimes vorzutra-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/7>, abgerufen am 16.07.2024. |