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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Aufsteigen bildete er sich aber ein, der eine Fuß sey durch die spanische Fliege kürzer geworden, und wollte nicht auftreten. Viel Ueberredung kostete es, um ihm vom Gegentheil zu überführen; endlich gelang es, und er ging selbst ohne Stock eine Stunde lang auf und ab, bezeigte sich gegen den Arzt sehr gesittet, der Zusammenhang im Reden wuchs an, die Ueberlegung äußerte sich merklich, und so wurden fünf Tage mit Gehen, Sprechen, guter Wirkung der öfnenden Mittel, geschmackvollen Appetit und sanftem Schlaf trostvoll zugebracht.

Den 54sten Tag wollte er sich selbst gern mit etwas beschäftigen, hatte schon vorher eine Stunde im Kinderfreund gelesen, und die Mutter gab Farben, um einen Kupferstich zu illuminiren, wobei gut angefangen, hernach aber nur gesudelt wurde; gegen Abend ward wieder mehr gefaselt, um zehn spielte er mit den Wächtern Karte, allein konfus, ich ließ sie weglegen, und er schlief sieben Stunden. Nach dem Frühstück und Einnehmen ward wieder einige Stunden geschlafen, dann mochten die geschärften Pflaster ihn verdrießlich machen, indessen griff er Nachmittags wieder zum Malen; man wollte ihm bessere Anleitung dazu geben, er widersprach und glaubte es gut zu machen, sprach auch viel und unzufrieden untereinander bis gegen Abend, wo ich mich mit ihm unterhielt und Ordnung im Reden war; doch war die Nacht sehr unruhig und mit Schimpfen auf die Wächter bis drei


Aufsteigen bildete er sich aber ein, der eine Fuß sey durch die spanische Fliege kuͤrzer geworden, und wollte nicht auftreten. Viel Ueberredung kostete es, um ihm vom Gegentheil zu uͤberfuͤhren; endlich gelang es, und er ging selbst ohne Stock eine Stunde lang auf und ab, bezeigte sich gegen den Arzt sehr gesittet, der Zusammenhang im Reden wuchs an, die Ueberlegung aͤußerte sich merklich, und so wurden fuͤnf Tage mit Gehen, Sprechen, guter Wirkung der oͤfnenden Mittel, geschmackvollen Appetit und sanftem Schlaf trostvoll zugebracht.

Den 54sten Tag wollte er sich selbst gern mit etwas beschaͤftigen, hatte schon vorher eine Stunde im Kinderfreund gelesen, und die Mutter gab Farben, um einen Kupferstich zu illuminiren, wobei gut angefangen, hernach aber nur gesudelt wurde; gegen Abend ward wieder mehr gefaselt, um zehn spielte er mit den Waͤchtern Karte, allein konfus, ich ließ sie weglegen, und er schlief sieben Stunden. Nach dem Fruͤhstuͤck und Einnehmen ward wieder einige Stunden geschlafen, dann mochten die geschaͤrften Pflaster ihn verdrießlich machen, indessen griff er Nachmittags wieder zum Malen; man wollte ihm bessere Anleitung dazu geben, er widersprach und glaubte es gut zu machen, sprach auch viel und unzufrieden untereinander bis gegen Abend, wo ich mich mit ihm unterhielt und Ordnung im Reden war; doch war die Nacht sehr unruhig und mit Schimpfen auf die Waͤchter bis drei

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[44/0044] Aufsteigen bildete er sich aber ein, der eine Fuß sey durch die spanische Fliege kuͤrzer geworden, und wollte nicht auftreten. Viel Ueberredung kostete es, um ihm vom Gegentheil zu uͤberfuͤhren; endlich gelang es, und er ging selbst ohne Stock eine Stunde lang auf und ab, bezeigte sich gegen den Arzt sehr gesittet, der Zusammenhang im Reden wuchs an, die Ueberlegung aͤußerte sich merklich, und so wurden fuͤnf Tage mit Gehen, Sprechen, guter Wirkung der oͤfnenden Mittel, geschmackvollen Appetit und sanftem Schlaf trostvoll zugebracht. Den 54sten Tag wollte er sich selbst gern mit etwas beschaͤftigen, hatte schon vorher eine Stunde im Kinderfreund gelesen, und die Mutter gab Farben, um einen Kupferstich zu illuminiren, wobei gut angefangen, hernach aber nur gesudelt wurde; gegen Abend ward wieder mehr gefaselt, um zehn spielte er mit den Waͤchtern Karte, allein konfus, ich ließ sie weglegen, und er schlief sieben Stunden. Nach dem Fruͤhstuͤck und Einnehmen ward wieder einige Stunden geschlafen, dann mochten die geschaͤrften Pflaster ihn verdrießlich machen, indessen griff er Nachmittags wieder zum Malen; man wollte ihm bessere Anleitung dazu geben, er widersprach und glaubte es gut zu machen, sprach auch viel und unzufrieden untereinander bis gegen Abend, wo ich mich mit ihm unterhielt und Ordnung im Reden war; doch war die Nacht sehr unruhig und mit Schimpfen auf die Waͤchter bis drei

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/44>, abgerufen am 26.04.2024.