Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0023" n="23"/><lb/> Nachmittags ging ich mit ihm spatzieren, er bezeigte Vergnuͤgen uͤber sein Hierseyn, und kaum athmeten wir freie Luft, so fing er an mir zu erzaͤhlen, wie er durch Lesung der Voltairischen und Lessingischen Schriften auch verschiedentlicher lateinischer Disputationes kein aͤchter Christ geworden sei, von der Religion eine geraume Zeit nichts gehalten habe, keinen zukuͤnftigen Zustand mehr geglaubt, und in seinem erlittenen Tiefsinn habe er zweimal selbst Hand an sich legen wollen, einmal mit einem Strick, den er sich des Nachts schon im Bette umgebunden gehabt, sich zu erdrosseln, ein andermal waͤre er im Begriff gewesen, sich in den Fluß zu stuͤrzen, wozu aber just ein bekannter Offizier gekommen, der ihn gefragt, was er da machen wolle, und diese Begegnung habe ihn wieder ermannet. Kurz vor seiner Abreise haͤtte er einem seiner Schullehrer, der ein Herzensfreund sei, wegen der gehegten Religionszweifel Eroͤfnung gethan, der ihn wieder auf einen richtigeren Weg geleitet habe, so daß er hoffe, er werde durch mehrere Unterhaltung mit selbigem wieder seinen ehemaligen festgegruͤndeten Glauben ganz zweifelsloß erhalten, auch koͤnne er wieder mit Andacht beten, so wie er mit Ueberzeugung das letzteremal wieder der Communion beigewohnet, welches einige Zeit vorher nur der eingefuͤhrten Regel wegen von ihm geschehen sey. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0023]
Nachmittags ging ich mit ihm spatzieren, er bezeigte Vergnuͤgen uͤber sein Hierseyn, und kaum athmeten wir freie Luft, so fing er an mir zu erzaͤhlen, wie er durch Lesung der Voltairischen und Lessingischen Schriften auch verschiedentlicher lateinischer Disputationes kein aͤchter Christ geworden sei, von der Religion eine geraume Zeit nichts gehalten habe, keinen zukuͤnftigen Zustand mehr geglaubt, und in seinem erlittenen Tiefsinn habe er zweimal selbst Hand an sich legen wollen, einmal mit einem Strick, den er sich des Nachts schon im Bette umgebunden gehabt, sich zu erdrosseln, ein andermal waͤre er im Begriff gewesen, sich in den Fluß zu stuͤrzen, wozu aber just ein bekannter Offizier gekommen, der ihn gefragt, was er da machen wolle, und diese Begegnung habe ihn wieder ermannet. Kurz vor seiner Abreise haͤtte er einem seiner Schullehrer, der ein Herzensfreund sei, wegen der gehegten Religionszweifel Eroͤfnung gethan, der ihn wieder auf einen richtigeren Weg geleitet habe, so daß er hoffe, er werde durch mehrere Unterhaltung mit selbigem wieder seinen ehemaligen festgegruͤndeten Glauben ganz zweifelsloß erhalten, auch koͤnne er wieder mit Andacht beten, so wie er mit Ueberzeugung das letzteremal wieder der Communion beigewohnet, welches einige Zeit vorher nur der eingefuͤhrten Regel wegen von ihm geschehen sey.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |