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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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nach zwei Tagen in der Nacht ein wüthender Paroxismus bei ihm entstand, wobei er, als derselbe nachließ, sehnlich zu seinem Vater und der Stiefmutter, die zwei Tagereisen weit entfernt waren, verlangte, einige Gemüthsfreunde von Lehrern und sonstigem Umgang zu sprechen wünschte, und als man ihm dieß gewährte, wieder ganz beruhiget wurde. Und da das Verlangen nach Hause zu reisen blieb, so wagte man es, unter Begleitung eines sichern Mannes, ihn den Morgen darauf dahin abzuschicken, wo er ganz unvermuthet den andern Abend glücklich eintraf.

Unterwegens hatte er in überspannten Ausdrücken mit der angetroffenen Post an einige zurückgelassene Verwandte und Freunde dankbar geschrieben, auch an dem einen Ort des Mittags, unter einem angenommenen fremden Namen und Charakter, sich bei einem Einwohner zu Gaste gebeten, war sehr gesprächig allda, so wie auch sonst unterwegens, gewesen, und langte dann so wohlbehalten in seine Heimath an. Wie schon erwähnt, seinen Eltern war von diesem Besuch nichts bewußt, -- sie glaubten ihn den vorher verschiedentlich erhaltenen Nachrichten nach wieder hergestellet -- und als er Abends um sieben Uhr im September-Monath in ihr Zimmer trat, mit einem hastigen und lauten Tone "guten Abend, lieber Vater! sagte, ich komme Sie zu besuchen;" versetzte der über diese unvermuthete Ankunft betroffene Vater:


nach zwei Tagen in der Nacht ein wuͤthender Paroxismus bei ihm entstand, wobei er, als derselbe nachließ, sehnlich zu seinem Vater und der Stiefmutter, die zwei Tagereisen weit entfernt waren, verlangte, einige Gemuͤthsfreunde von Lehrern und sonstigem Umgang zu sprechen wuͤnschte, und als man ihm dieß gewaͤhrte, wieder ganz beruhiget wurde. Und da das Verlangen nach Hause zu reisen blieb, so wagte man es, unter Begleitung eines sichern Mannes, ihn den Morgen darauf dahin abzuschicken, wo er ganz unvermuthet den andern Abend gluͤcklich eintraf.

Unterwegens hatte er in uͤberspannten Ausdruͤcken mit der angetroffenen Post an einige zuruͤckgelassene Verwandte und Freunde dankbar geschrieben, auch an dem einen Ort des Mittags, unter einem angenommenen fremden Namen und Charakter, sich bei einem Einwohner zu Gaste gebeten, war sehr gespraͤchig allda, so wie auch sonst unterwegens, gewesen, und langte dann so wohlbehalten in seine Heimath an. Wie schon erwaͤhnt, seinen Eltern war von diesem Besuch nichts bewußt, — sie glaubten ihn den vorher verschiedentlich erhaltenen Nachrichten nach wieder hergestellet — und als er Abends um sieben Uhr im September-Monath in ihr Zimmer trat, mit einem hastigen und lauten Tone »guten Abend, lieber Vater! sagte, ich komme Sie zu besuchen;« versetzte der uͤber diese unvermuthete Ankunft betroffene Vater:

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[18/0018] nach zwei Tagen in der Nacht ein wuͤthender Paroxismus bei ihm entstand, wobei er, als derselbe nachließ, sehnlich zu seinem Vater und der Stiefmutter, die zwei Tagereisen weit entfernt waren, verlangte, einige Gemuͤthsfreunde von Lehrern und sonstigem Umgang zu sprechen wuͤnschte, und als man ihm dieß gewaͤhrte, wieder ganz beruhiget wurde. Und da das Verlangen nach Hause zu reisen blieb, so wagte man es, unter Begleitung eines sichern Mannes, ihn den Morgen darauf dahin abzuschicken, wo er ganz unvermuthet den andern Abend gluͤcklich eintraf. Unterwegens hatte er in uͤberspannten Ausdruͤcken mit der angetroffenen Post an einige zuruͤckgelassene Verwandte und Freunde dankbar geschrieben, auch an dem einen Ort des Mittags, unter einem angenommenen fremden Namen und Charakter, sich bei einem Einwohner zu Gaste gebeten, war sehr gespraͤchig allda, so wie auch sonst unterwegens, gewesen, und langte dann so wohlbehalten in seine Heimath an. Wie schon erwaͤhnt, seinen Eltern war von diesem Besuch nichts bewußt, — sie glaubten ihn den vorher verschiedentlich erhaltenen Nachrichten nach wieder hergestellet — und als er Abends um sieben Uhr im September-Monath in ihr Zimmer trat, mit einem hastigen und lauten Tone »guten Abend, lieber Vater! sagte, ich komme Sie zu besuchen;« versetzte der uͤber diese unvermuthete Ankunft betroffene Vater:

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/18>, abgerufen am 19.04.2024.