Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Jn dieser Zwischenzeit nahm er weiter die gewöhnliche Erlernung der Wissenschaften vor, jedoch anfänglich mit Unterschied der Anstrengung, und mehr als blosser Zuhörer; kurz darauf aber mit so erneuertem und munterem Fleiß, daß er über seine eigene Arbeiten noch anderer ihre aus Freundschaft vertrat, mit einer Leichtigkeit, die ihm sonst nicht von Natur eigen war. Hiebei fand er vielen Geschmack an Zerstreuung und gesellschaftlichem Vergnügen, so daß er an Geist und Körper zusehends genaß. Dieser Zustand dauerte an vier bis fünf Wochen, wobei insbesondere seine Seelenkräfte über den gewöhnlichsten Grad stark ausgedehnt und thätig blieben. Plötzlich fanden sich kleine, wiewohl nicht auffallend zu bemerkende Verirrungen des Geistes ein; aber nicht lange hierauf wurden dieselben so heftig, daß Zorn, ja sogar Wuth und die größten verwirrten Uebereilungen erfolgten; doch in Tagesraum ließ dieser unnatürliche Zustand wieder bis zum Schein der zurückgekehrten Vernunft nach, zwar abwechselnd mit Zwischenzeiten, bis
Jn dieser Zwischenzeit nahm er weiter die gewoͤhnliche Erlernung der Wissenschaften vor, jedoch anfaͤnglich mit Unterschied der Anstrengung, und mehr als blosser Zuhoͤrer; kurz darauf aber mit so erneuertem und munterem Fleiß, daß er uͤber seine eigene Arbeiten noch anderer ihre aus Freundschaft vertrat, mit einer Leichtigkeit, die ihm sonst nicht von Natur eigen war. Hiebei fand er vielen Geschmack an Zerstreuung und gesellschaftlichem Vergnuͤgen, so daß er an Geist und Koͤrper zusehends genaß. Dieser Zustand dauerte an vier bis fuͤnf Wochen, wobei insbesondere seine Seelenkraͤfte uͤber den gewoͤhnlichsten Grad stark ausgedehnt und thaͤtig blieben. Ploͤtzlich fanden sich kleine, wiewohl nicht auffallend zu bemerkende Verirrungen des Geistes ein; aber nicht lange hierauf wurden dieselben so heftig, daß Zorn, ja sogar Wuth und die groͤßten verwirrten Uebereilungen erfolgten; doch in Tagesraum ließ dieser unnatuͤrliche Zustand wieder bis zum Schein der zuruͤckgekehrten Vernunft nach, zwar abwechselnd mit Zwischenzeiten, bis <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0017" n="17"/><lb/> seyn wuͤrde, wurden die zeither gebrauchten schwaͤchenden Mittel bei Seite gesetzt, so daß sein weiteres Befinden ganz der Natur uͤberlassen wurde, und man wollte erst nach einiger Zeit staͤrkende Arzeneyen brauchen lassen, wodurch eine bessere Mischung der fluͤßigen und mehrere Kraft der festen Theile des Koͤrpers zuwege gebracht werden sollten. </p> <p>Jn dieser Zwischenzeit nahm er weiter die gewoͤhnliche Erlernung der Wissenschaften vor, jedoch anfaͤnglich mit Unterschied der Anstrengung, und mehr als blosser Zuhoͤrer; kurz darauf aber mit so erneuertem und munterem Fleiß, daß er uͤber seine eigene Arbeiten noch anderer ihre aus Freundschaft vertrat, mit einer Leichtigkeit, die ihm sonst nicht von Natur eigen war. </p> <p>Hiebei fand er vielen Geschmack an Zerstreuung und gesellschaftlichem Vergnuͤgen, so daß er an Geist und Koͤrper zusehends genaß. </p> <p>Dieser Zustand dauerte an vier bis fuͤnf Wochen, wobei insbesondere seine Seelenkraͤfte uͤber den gewoͤhnlichsten Grad stark ausgedehnt und thaͤtig blieben. Ploͤtzlich fanden sich kleine, wiewohl nicht auffallend zu bemerkende Verirrungen des Geistes ein; aber nicht lange hierauf wurden dieselben so heftig, daß Zorn, ja sogar Wuth und die groͤßten verwirrten Uebereilungen erfolgten; doch in Tagesraum ließ dieser unnatuͤrliche Zustand wieder bis zum Schein der zuruͤckgekehrten Vernunft nach, zwar abwechselnd mit Zwischenzeiten, bis<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0017]
seyn wuͤrde, wurden die zeither gebrauchten schwaͤchenden Mittel bei Seite gesetzt, so daß sein weiteres Befinden ganz der Natur uͤberlassen wurde, und man wollte erst nach einiger Zeit staͤrkende Arzeneyen brauchen lassen, wodurch eine bessere Mischung der fluͤßigen und mehrere Kraft der festen Theile des Koͤrpers zuwege gebracht werden sollten.
Jn dieser Zwischenzeit nahm er weiter die gewoͤhnliche Erlernung der Wissenschaften vor, jedoch anfaͤnglich mit Unterschied der Anstrengung, und mehr als blosser Zuhoͤrer; kurz darauf aber mit so erneuertem und munterem Fleiß, daß er uͤber seine eigene Arbeiten noch anderer ihre aus Freundschaft vertrat, mit einer Leichtigkeit, die ihm sonst nicht von Natur eigen war.
Hiebei fand er vielen Geschmack an Zerstreuung und gesellschaftlichem Vergnuͤgen, so daß er an Geist und Koͤrper zusehends genaß.
Dieser Zustand dauerte an vier bis fuͤnf Wochen, wobei insbesondere seine Seelenkraͤfte uͤber den gewoͤhnlichsten Grad stark ausgedehnt und thaͤtig blieben. Ploͤtzlich fanden sich kleine, wiewohl nicht auffallend zu bemerkende Verirrungen des Geistes ein; aber nicht lange hierauf wurden dieselben so heftig, daß Zorn, ja sogar Wuth und die groͤßten verwirrten Uebereilungen erfolgten; doch in Tagesraum ließ dieser unnatuͤrliche Zustand wieder bis zum Schein der zuruͤckgekehrten Vernunft nach, zwar abwechselnd mit Zwischenzeiten, bis
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/17>, abgerufen am 16.02.2025. |