Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.Aus allem vorhergehenden schließe ich, daß er mir den Schreck zugedacht hat, ihn sich todtschießen zu sehen; denn er wußte, daß ich um 7 Uhr kommen wollte, daß zu der Thür kein andrer als ich den Schlüssel hatte: und wollte vermuthlich so lange warten, bis ich die Stube öfnen würde. II. Verrückung aus Liebe. ![]() Jn H.....t lebte noch im Jahr .... ein Fräulein von N....tz, die eine jüngere Schwester bei sich hatte, welche sinnloß war. Diese Person aber ist seit ihrem funfzehnten Jahre in diesen traurigen Zustand gekommen; die ältere Schwester erzählte, daß eine Liebschaft die Veranlassung dazu gegeben. Sie hatte sich nehmlich wider Wissen ihrer Eltern mit einem jungen Edelmann versprochen, verschiedentlich heimliche Zusammenkünfte mit selbigem gehabt, welches aber den Eltern entdecket worden, die denn diesen Umgang ihr untersaget, und sie an einen andern hatten verheyrathen wollen, gegen den sie vielen Widerwillen bezeugte, und nicht zu bewegen war, seine Bewerbung anzunehmen. Aus allem vorhergehenden schließe ich, daß er mir den Schreck zugedacht hat, ihn sich todtschießen zu sehen; denn er wußte, daß ich um 7 Uhr kommen wollte, daß zu der Thuͤr kein andrer als ich den Schluͤssel hatte: und wollte vermuthlich so lange warten, bis ich die Stube oͤfnen wuͤrde. II. Verruͤckung aus Liebe. ![]() Jn H.....t lebte noch im Jahr .... ein Fraͤulein von N....tz, die eine juͤngere Schwester bei sich hatte, welche sinnloß war. Diese Person aber ist seit ihrem funfzehnten Jahre in diesen traurigen Zustand gekommen; die aͤltere Schwester erzaͤhlte, daß eine Liebschaft die Veranlassung dazu gegeben. Sie hatte sich nehmlich wider Wissen ihrer Eltern mit einem jungen Edelmann versprochen, verschiedentlich heimliche Zusammenkuͤnfte mit selbigem gehabt, welches aber den Eltern entdecket worden, die denn diesen Umgang ihr untersaget, und sie an einen andern hatten verheyrathen wollen, gegen den sie vielen Widerwillen bezeugte, und nicht zu bewegen war, seine Bewerbung anzunehmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0120" n="120"/><lb/> <p>Aus allem vorhergehenden schließe ich, daß er mir den Schreck zugedacht hat, ihn sich todtschießen zu sehen; denn er wußte, daß ich um 7 Uhr kommen wollte, daß zu der Thuͤr kein andrer als ich den Schluͤssel hatte: und wollte vermuthlich so lange warten, bis ich die Stube oͤfnen wuͤrde. </p><lb/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">II</hi>. Verruͤckung aus Liebe.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref136"><note type="editorial"/>Anonym</persName> </bibl> </note> <p>Jn H.....t lebte noch im Jahr .... ein Fraͤulein von N....tz, die eine juͤngere Schwester bei sich hatte, welche sinnloß war. Diese Person aber ist seit ihrem funfzehnten Jahre in diesen traurigen Zustand gekommen; die aͤltere Schwester erzaͤhlte, daß eine Liebschaft die Veranlassung dazu gegeben. </p> <p>Sie hatte sich nehmlich wider Wissen ihrer Eltern mit einem jungen Edelmann versprochen, verschiedentlich heimliche Zusammenkuͤnfte mit selbigem gehabt, welches aber den Eltern entdecket worden, die denn diesen Umgang ihr untersaget, und sie an einen andern hatten verheyrathen wollen, gegen den sie vielen Widerwillen bezeugte, und nicht zu bewegen war, seine Bewerbung anzunehmen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0120]
Aus allem vorhergehenden schließe ich, daß er mir den Schreck zugedacht hat, ihn sich todtschießen zu sehen; denn er wußte, daß ich um 7 Uhr kommen wollte, daß zu der Thuͤr kein andrer als ich den Schluͤssel hatte: und wollte vermuthlich so lange warten, bis ich die Stube oͤfnen wuͤrde.
II. Verruͤckung aus Liebe.
Jn H.....t lebte noch im Jahr .... ein Fraͤulein von N....tz, die eine juͤngere Schwester bei sich hatte, welche sinnloß war. Diese Person aber ist seit ihrem funfzehnten Jahre in diesen traurigen Zustand gekommen; die aͤltere Schwester erzaͤhlte, daß eine Liebschaft die Veranlassung dazu gegeben.
Sie hatte sich nehmlich wider Wissen ihrer Eltern mit einem jungen Edelmann versprochen, verschiedentlich heimliche Zusammenkuͤnfte mit selbigem gehabt, welches aber den Eltern entdecket worden, die denn diesen Umgang ihr untersaget, und sie an einen andern hatten verheyrathen wollen, gegen den sie vielen Widerwillen bezeugte, und nicht zu bewegen war, seine Bewerbung anzunehmen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/120 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/120>, abgerufen am 15.08.2024. |