Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


die beiden Conducteurs und sagt, ich kann nun aufschließen, allein aber gehe ich nicht hinein.

Sie kommen also, um mit dabey zu seyn. Mein Bedienter schließet auf, und da er die Thüre, so nach inwendig aufgehet, kaum einen Fuß breit aufgemacht, so siehet er den L..... vollkommen angezogen, mit fliegendem Haar ganz weiß als Kreide stehen, und saget schon die Worte: Herr L..... -- um weiter zu sprechen: was fehlet Jhnen? aber ehe er letzteres sagen kann, hebt er schon die Pistole in die Höhe, setzt solche ins rechte Auge, und Knall und Fall ist eins.

Alles aufs äußerste erschrocken, läuft bestürzt die Treppe herunter -- nachdem sie sich vom Schreck erhohlet, gehen sie zusammen wieder herauf und finden ihn todt, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben, auf dem Gesichte zur Erden liegend, und im Blute schwimmend. Auf seinem Tisch lieget der Werther aufgeschlagen S. 218, wo es heißt: es ist zwölf -- sie sind geladen, u.s.w.

Eine ganze Schachtel voll Kugeln und über ein halb Pfund Pulver liegt auf dem Tische. Aus den Betten, die auf der Stube stehen, hatte er sich zwei Unterbetten herausgenommen, auf ein Canapee gelegt, und vermuthlich die Nacht darauf geschlafen.



die beiden Conducteurs und sagt, ich kann nun aufschließen, allein aber gehe ich nicht hinein.

Sie kommen also, um mit dabey zu seyn. Mein Bedienter schließet auf, und da er die Thuͤre, so nach inwendig aufgehet, kaum einen Fuß breit aufgemacht, so siehet er den L..... vollkommen angezogen, mit fliegendem Haar ganz weiß als Kreide stehen, und saget schon die Worte: Herr L..... — um weiter zu sprechen: was fehlet Jhnen? aber ehe er letzteres sagen kann, hebt er schon die Pistole in die Hoͤhe, setzt solche ins rechte Auge, und Knall und Fall ist eins.

Alles aufs aͤußerste erschrocken, laͤuft bestuͤrzt die Treppe herunter — nachdem sie sich vom Schreck erhohlet, gehen sie zusammen wieder herauf und finden ihn todt, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben, auf dem Gesichte zur Erden liegend, und im Blute schwimmend. Auf seinem Tisch lieget der Werther aufgeschlagen S. 218, wo es heißt: es ist zwoͤlf — sie sind geladen, u.s.w.

Eine ganze Schachtel voll Kugeln und uͤber ein halb Pfund Pulver liegt auf dem Tische. Aus den Betten, die auf der Stube stehen, hatte er sich zwei Unterbetten herausgenommen, auf ein Canapee gelegt, und vermuthlich die Nacht darauf geschlafen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="119"/><lb/>
die beiden Conducteurs und sagt, ich kann nun aufschließen, allein aber gehe ich                   nicht hinein. </p>
            <p>Sie kommen also, um mit dabey zu seyn. Mein Bedienter schließet auf, und da er die                   Thu&#x0364;re, so nach inwendig aufgehet, kaum einen Fuß breit aufgemacht, so siehet er                   den L..... vollkommen angezogen, mit fliegendem Haar ganz weiß als Kreide stehen,                   und saget schon die Worte: Herr L..... &#x2014; um weiter zu sprechen: was fehlet Jhnen?                   aber ehe er letzteres sagen kann, hebt er schon die Pistole in die Ho&#x0364;he, setzt                   solche ins rechte Auge, und Knall und Fall ist eins. </p>
            <p>Alles aufs a&#x0364;ußerste erschrocken, la&#x0364;uft bestu&#x0364;rzt die Treppe herunter &#x2014; nachdem sie                   sich vom Schreck erhohlet, gehen sie zusammen wieder herauf und finden ihn todt,                   ohne ein Zeichen des Lebens zu geben, auf dem Gesichte zur Erden liegend, und im                   Blute schwimmend. Auf seinem Tisch lieget der Werther aufgeschlagen S. 218, wo es                   heißt: es ist zwo&#x0364;lf &#x2014; sie sind geladen, u.s.w. </p>
            <p>Eine ganze Schachtel voll Kugeln und u&#x0364;ber ein halb Pfund Pulver liegt auf dem                   Tische. Aus den Betten, die auf der Stube stehen, hatte er sich zwei Unterbetten                   herausgenommen, auf ein Canapee gelegt, und vermuthlich die Nacht darauf                   geschlafen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0119] die beiden Conducteurs und sagt, ich kann nun aufschließen, allein aber gehe ich nicht hinein. Sie kommen also, um mit dabey zu seyn. Mein Bedienter schließet auf, und da er die Thuͤre, so nach inwendig aufgehet, kaum einen Fuß breit aufgemacht, so siehet er den L..... vollkommen angezogen, mit fliegendem Haar ganz weiß als Kreide stehen, und saget schon die Worte: Herr L..... — um weiter zu sprechen: was fehlet Jhnen? aber ehe er letzteres sagen kann, hebt er schon die Pistole in die Hoͤhe, setzt solche ins rechte Auge, und Knall und Fall ist eins. Alles aufs aͤußerste erschrocken, laͤuft bestuͤrzt die Treppe herunter — nachdem sie sich vom Schreck erhohlet, gehen sie zusammen wieder herauf und finden ihn todt, ohne ein Zeichen des Lebens zu geben, auf dem Gesichte zur Erden liegend, und im Blute schwimmend. Auf seinem Tisch lieget der Werther aufgeschlagen S. 218, wo es heißt: es ist zwoͤlf — sie sind geladen, u.s.w. Eine ganze Schachtel voll Kugeln und uͤber ein halb Pfund Pulver liegt auf dem Tische. Aus den Betten, die auf der Stube stehen, hatte er sich zwei Unterbetten herausgenommen, auf ein Canapee gelegt, und vermuthlich die Nacht darauf geschlafen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/119
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/119>, abgerufen am 02.05.2024.