Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="86"/><lb/> stande ein Mensch wird, hebt es sich auch gar bald uͤber die <hi rendition="#b">mechanische Einfoͤrmigkeit der Handlungen</hi> hinweg, die wir bei aller Verschiedenheit der Jnstinkte und der Himmelsstriche, durch das ganze Thierreich, von der Muschel bis zum Orangutang herrschen sehen. Durch die Sprache wird es ein Wesen hoͤherer Art, eine Gottheit der Erde, ein Herr der Schoͤpfung, indem es alle andern vernunftlosen Geschoͤpfe durch den Besitz jenes vorzuͤglichen goͤttlichen Geschenks <hi rendition="#b">weit</hi> hinter sich zuruͤk laͤßt, und die große Laufbahn des menschlichen Denkens fruͤhzeitig beginnt, gleichsam noch in der Wiege beginnt, wenn jene maschinenaͤhnliche Thiere oft schon halbe Jahrhunderte hindurch auf einer und eben derselben Stufe <hi rendition="#b">ihrer einfoͤrmigen Entwickelung</hi> stehen geblieben sind. Man erstaunt mit Recht, welch einen wichtigen Zuwachs von Kenntnissen wir schon in den ersten sechs bis acht Jahren unseres Lebens erhalten. Jn keiner folgenden Epoche desselben sammeln wir eigentlich wieder so viel <hi rendition="#b">neue Jdeen,</hi> als in jener, denn in ihr lernen wir eine Sprache mit etliche tausend verschiedenen <hi rendition="#b">Woͤrtern,</hi> und deren <hi rendition="#b">Verbindungen, Versetzungen</hi> und <hi rendition="#b">Wendungen,</hi> und zwar eine Sprache, welche zugleich die weitlaͤuftige Grundlage unsrer gesamten Kenntnisse ist, und an die sich gleichsam eine ganze Welt von neuen Gegenstaͤnden anschloß; anstatt daß wir durch Erlernung jeder andern Sprache nachher nicht neue Begriffe son-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0088]
stande ein Mensch wird, hebt es sich auch gar bald uͤber die mechanische Einfoͤrmigkeit der Handlungen hinweg, die wir bei aller Verschiedenheit der Jnstinkte und der Himmelsstriche, durch das ganze Thierreich, von der Muschel bis zum Orangutang herrschen sehen. Durch die Sprache wird es ein Wesen hoͤherer Art, eine Gottheit der Erde, ein Herr der Schoͤpfung, indem es alle andern vernunftlosen Geschoͤpfe durch den Besitz jenes vorzuͤglichen goͤttlichen Geschenks weit hinter sich zuruͤk laͤßt, und die große Laufbahn des menschlichen Denkens fruͤhzeitig beginnt, gleichsam noch in der Wiege beginnt, wenn jene maschinenaͤhnliche Thiere oft schon halbe Jahrhunderte hindurch auf einer und eben derselben Stufe ihrer einfoͤrmigen Entwickelung stehen geblieben sind. Man erstaunt mit Recht, welch einen wichtigen Zuwachs von Kenntnissen wir schon in den ersten sechs bis acht Jahren unseres Lebens erhalten. Jn keiner folgenden Epoche desselben sammeln wir eigentlich wieder so viel neue Jdeen, als in jener, denn in ihr lernen wir eine Sprache mit etliche tausend verschiedenen Woͤrtern, und deren Verbindungen, Versetzungen und Wendungen, und zwar eine Sprache, welche zugleich die weitlaͤuftige Grundlage unsrer gesamten Kenntnisse ist, und an die sich gleichsam eine ganze Welt von neuen Gegenstaͤnden anschloß; anstatt daß wir durch Erlernung jeder andern Sprache nachher nicht neue Begriffe son-
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