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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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wäre, hätte er auch gleich solche Gewißheit für sie erlangt, daß sie sich bis jetzt seiner noch nicht entledigen könnte. Jch, weit entfernt, dieß für eine wirkliche Ahndung zu halten, suchte alle Gründe auf, die mir Erfahrung und Räsonnement an die Hand geben konnten, ihr die Nichtigkeit ihres Phantoms, wofür ich es hielt, zu beweisen, aber ich richtete nicht viel mehr damit aus, als daß sie sagte: sie wollte wünschen, daß sie sich getäuscht hätte. --

Ungefähr nach einem Vierteljahr, da ich einmal des Nachmittags sie zu besuchen kam, fand ich sie sehr traurig, und da ich nach der Ursach fragte, gab sie mir einen Brief, den sie heute aus L... von ihrem Vetter erhalten hatte, mit den Worten: da lesen Sie die Widerlegung einer ihrer Meinungen.

Jch las und erstaunte, als es eine Nachricht von einem sehr unglücklichen Vorfall war, der sich mit dem jungen Menschen zugetragen hatte, und der zugleich seiner ganzen Familie einen Schlag versetzte*). Jch war also dem Anschein nach durch den Erfolg überwiesen worden, daß meine Freundin eine wirkliche Ahndung gehabt hatte. Jch gesteh' es: dieser Vorfall machte mich anfangs stutzig, ich untersuchte noch einmal aufs genaueste, ob sie nicht etwa auf irgend eine Weise wenigstens entfernt etwas von der unglücklichen Begebenheit nach

*) Man wird mir verzeihn, daß ich nicht die nähern Umstände davon angeben kann, weil ich sonst den dabei interessirten Personen zu nahe treten müßte.


waͤre, haͤtte er auch gleich solche Gewißheit fuͤr sie erlangt, daß sie sich bis jetzt seiner noch nicht entledigen koͤnnte. Jch, weit entfernt, dieß fuͤr eine wirkliche Ahndung zu halten, suchte alle Gruͤnde auf, die mir Erfahrung und Raͤsonnement an die Hand geben konnten, ihr die Nichtigkeit ihres Phantoms, wofuͤr ich es hielt, zu beweisen, aber ich richtete nicht viel mehr damit aus, als daß sie sagte: sie wollte wuͤnschen, daß sie sich getaͤuscht haͤtte. —

Ungefaͤhr nach einem Vierteljahr, da ich einmal des Nachmittags sie zu besuchen kam, fand ich sie sehr traurig, und da ich nach der Ursach fragte, gab sie mir einen Brief, den sie heute aus L... von ihrem Vetter erhalten hatte, mit den Worten: da lesen Sie die Widerlegung einer ihrer Meinungen.

Jch las und erstaunte, als es eine Nachricht von einem sehr ungluͤcklichen Vorfall war, der sich mit dem jungen Menschen zugetragen hatte, und der zugleich seiner ganzen Familie einen Schlag versetzte*). Jch war also dem Anschein nach durch den Erfolg uͤberwiesen worden, daß meine Freundin eine wirkliche Ahndung gehabt hatte. Jch gesteh' es: dieser Vorfall machte mich anfangs stutzig, ich untersuchte noch einmal aufs genaueste, ob sie nicht etwa auf irgend eine Weise wenigstens entfernt etwas von der ungluͤcklichen Begebenheit nach

*) Man wird mir verzeihn, daß ich nicht die naͤhern Umstaͤnde davon angeben kann, weil ich sonst den dabei interessirten Personen zu nahe treten muͤßte.
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[59/0061] waͤre, haͤtte er auch gleich solche Gewißheit fuͤr sie erlangt, daß sie sich bis jetzt seiner noch nicht entledigen koͤnnte. Jch, weit entfernt, dieß fuͤr eine wirkliche Ahndung zu halten, suchte alle Gruͤnde auf, die mir Erfahrung und Raͤsonnement an die Hand geben konnten, ihr die Nichtigkeit ihres Phantoms, wofuͤr ich es hielt, zu beweisen, aber ich richtete nicht viel mehr damit aus, als daß sie sagte: sie wollte wuͤnschen, daß sie sich getaͤuscht haͤtte. — Ungefaͤhr nach einem Vierteljahr, da ich einmal des Nachmittags sie zu besuchen kam, fand ich sie sehr traurig, und da ich nach der Ursach fragte, gab sie mir einen Brief, den sie heute aus L... von ihrem Vetter erhalten hatte, mit den Worten: da lesen Sie die Widerlegung einer ihrer Meinungen. Jch las und erstaunte, als es eine Nachricht von einem sehr ungluͤcklichen Vorfall war, der sich mit dem jungen Menschen zugetragen hatte, und der zugleich seiner ganzen Familie einen Schlag versetzte*) . Jch war also dem Anschein nach durch den Erfolg uͤberwiesen worden, daß meine Freundin eine wirkliche Ahndung gehabt hatte. Jch gesteh' es: dieser Vorfall machte mich anfangs stutzig, ich untersuchte noch einmal aufs genaueste, ob sie nicht etwa auf irgend eine Weise wenigstens entfernt etwas von der ungluͤcklichen Begebenheit nach *) Man wird mir verzeihn, daß ich nicht die naͤhern Umstaͤnde davon angeben kann, weil ich sonst den dabei interessirten Personen zu nahe treten muͤßte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/61>, abgerufen am 24.11.2024.