Herrn zu begleiten, ihm die Kleider nachzutragen, wenn er ins Bad geht, oder die Pfeife, wenn er ausreitet. Tau- sende von Sclaven, die Khavedschi und Tütundschi, haben kein anderes Geschäft, als Kaffee zu kochen und die Pfeife in Stand zu halten. Fast immer endet die Sclaverei nicht bloß mit einer Freilassung, sondern auch mit einer Ausstat- tung fürs Leben. Gewöhnlich heirathet der Sclave die Tochter des Hauses, und wenn keine Söhne vorhanden, setzt ihn der Herr zu seinem Erben ein. Sind doch die Schwiegersöhne des Großherrn gekaufte Sclaven, und läßt sich doch von den mehrsten Würdenträgern des Reichs der Marktpreis nachweisen.
Noch muß ich auf eine andere eigenthümliche Verschie- denheit hinweisen. Jn Amerika suchten christliche Pflanzer durch die strengsten Verbote und die grausamsten Mittel die Verbreitung des Christenthums unter ihre Sclaven zu verhindern, während im Orient die Erziehung des gekauf- ten Dieners in der Religion seines Herrn durchaus vor- geschrieben ist. Die Kinder, welche als Sclaven aufgenom- men werden, erhalten sogleich einen türkischen Namen, der gewöhnlich auch ein biblischer ist; so ist Jbrahim gleich- bedeutend mit Abraham, Süleiman (oder wie die Europäer sagen: Soliman) mit Salomon, Daud mit David, Mussa mit Moses, Sekerieh mit Zacharias, Ejub mit Hiob, Jus- suf mit Joseph u. s. w. Ein Kriegsgefangener muhame- danischer Religion hingegen kann getödtet, aber nicht ver- kauft werden.
Der wohlbegründete Vorwurf hingegen, welchen man auch der orientalischen Sklaverei machen kann, ist, daß sie die direkte Veranlassung giebt zu der Härte, mit welcher gegen eine Summe Geld ein tscherkessischer Vater sich auf ewig von seinem Kinde trennt, zu den Menschenjagden, welche der große Handelsmann am Nil alljährlich in Sen- naar anstellen läßt, und dergleichen Abscheulichkeiten mehr.
Viel härter, als das Loos der Sclaven im Orient, scheint mir das Verhältniß der Frauen bei der Ausdeh-
Herrn zu begleiten, ihm die Kleider nachzutragen, wenn er ins Bad geht, oder die Pfeife, wenn er ausreitet. Tau- ſende von Sclaven, die Khavedſchi und Tuͤtundſchi, haben kein anderes Geſchaͤft, als Kaffee zu kochen und die Pfeife in Stand zu halten. Faſt immer endet die Sclaverei nicht bloß mit einer Freilaſſung, ſondern auch mit einer Ausſtat- tung fuͤrs Leben. Gewoͤhnlich heirathet der Sclave die Tochter des Hauſes, und wenn keine Soͤhne vorhanden, ſetzt ihn der Herr zu ſeinem Erben ein. Sind doch die Schwiegerſoͤhne des Großherrn gekaufte Sclaven, und laͤßt ſich doch von den mehrſten Wuͤrdentraͤgern des Reichs der Marktpreis nachweiſen.
Noch muß ich auf eine andere eigenthuͤmliche Verſchie- denheit hinweiſen. Jn Amerika ſuchten chriſtliche Pflanzer durch die ſtrengſten Verbote und die grauſamſten Mittel die Verbreitung des Chriſtenthums unter ihre Sclaven zu verhindern, waͤhrend im Orient die Erziehung des gekauf- ten Dieners in der Religion ſeines Herrn durchaus vor- geſchrieben iſt. Die Kinder, welche als Sclaven aufgenom- men werden, erhalten ſogleich einen tuͤrkiſchen Namen, der gewoͤhnlich auch ein bibliſcher iſt; ſo iſt Jbrahim gleich- bedeutend mit Abraham, Suͤleïman (oder wie die Europaͤer ſagen: Soliman) mit Salomon, Daud mit David, Muſſa mit Moſes, Sekerieh mit Zacharias, Ejub mit Hiob, Juſ- ſuf mit Joſeph u. ſ. w. Ein Kriegsgefangener muhame- daniſcher Religion hingegen kann getoͤdtet, aber nicht ver- kauft werden.
Der wohlbegruͤndete Vorwurf hingegen, welchen man auch der orientaliſchen Sklaverei machen kann, iſt, daß ſie die direkte Veranlaſſung giebt zu der Haͤrte, mit welcher gegen eine Summe Geld ein tſcherkeſſiſcher Vater ſich auf ewig von ſeinem Kinde trennt, zu den Menſchenjagden, welche der große Handelsmann am Nil alljaͤhrlich in Sen- naar anſtellen laͤßt, und dergleichen Abſcheulichkeiten mehr.
Viel haͤrter, als das Loos der Sclaven im Orient, ſcheint mir das Verhaͤltniß der Frauen bei der Ausdeh-
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Herrn zu begleiten, ihm die Kleider nachzutragen, wenn er
ins Bad geht, oder die Pfeife, wenn er ausreitet. Tau-
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kein anderes Geſchaͤft, als Kaffee zu kochen und die Pfeife
in Stand zu halten. Faſt immer endet die Sclaverei nicht
bloß mit einer Freilaſſung, ſondern auch mit einer Ausſtat-
tung fuͤrs Leben. Gewoͤhnlich heirathet der Sclave die
Tochter des Hauſes, und wenn keine Soͤhne vorhanden,
ſetzt ihn der Herr zu ſeinem Erben ein. Sind doch die
Schwiegerſoͤhne des Großherrn gekaufte Sclaven, und laͤßt
ſich doch von den mehrſten Wuͤrdentraͤgern des Reichs der
Marktpreis nachweiſen.
Noch muß ich auf eine andere eigenthuͤmliche Verſchie-
denheit hinweiſen. Jn Amerika ſuchten chriſtliche Pflanzer
durch die ſtrengſten Verbote und die grauſamſten Mittel
die Verbreitung des Chriſtenthums unter ihre Sclaven zu
verhindern, waͤhrend im Orient die Erziehung des gekauf-
ten Dieners in der Religion ſeines Herrn durchaus vor-
geſchrieben iſt. Die Kinder, welche als Sclaven aufgenom-
men werden, erhalten ſogleich einen tuͤrkiſchen Namen, der
gewoͤhnlich auch ein bibliſcher iſt; ſo iſt Jbrahim gleich-
bedeutend mit Abraham, Suͤleïman (oder wie die Europaͤer
ſagen: Soliman) mit Salomon, Daud mit David, Muſſa
mit Moſes, Sekerieh mit Zacharias, Ejub mit Hiob, Juſ-
ſuf mit Joſeph u. ſ. w. Ein Kriegsgefangener muhame-
daniſcher Religion hingegen kann getoͤdtet, aber nicht ver-
kauft werden.
Der wohlbegruͤndete Vorwurf hingegen, welchen man
auch der orientaliſchen Sklaverei machen kann, iſt, daß ſie
die direkte Veranlaſſung giebt zu der Haͤrte, mit welcher
gegen eine Summe Geld ein tſcherkeſſiſcher Vater ſich auf
ewig von ſeinem Kinde trennt, zu den Menſchenjagden,
welche der große Handelsmann am Nil alljaͤhrlich in Sen-
naar anſtellen laͤßt, und dergleichen Abſcheulichkeiten mehr.
Viel haͤrter, als das Loos der Sclaven im Orient,
ſcheint mir das Verhaͤltniß der Frauen bei der Ausdeh-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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