Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Leider ist der Commandirende unpäßlich, die kleinen
Pascha's wollen hier nicht fort, und Alles bleibt bei "Ba-
kalum" (wir wollen sehen).

Ein freilich gewichtiger Grund für die bisherige Un-
thätigkeit ist der entsetzliche Gesundheitszustand: ein Batail-
lon der Landwehr hat 350 Kranke; in Malatia sind über
tausend Kranke im Hospital. Jch weiß nicht, ist diese
Race ganz enervirt, oder welche Ursache kann das haben?
Die Leute exerzieren zwei Stunden früh, eine oder zwei des
Abends; das Essen ist gut und reichlich, die Zelte sind
reinlich, der Lagerplatz trocken, das Wasser gut und in ge-
nügender Menge vorhanden, und bei alle dem dreißig pC.
Kranke! Bei den Linien ist der Gesundheitszustand besser,
aber auch nicht befriedigend; ein Bataillon hat sechzig
Kranke. -- Was soll daraus werden! Man schiebt alle
Schuld auf "Hawah", die Luft.


Wir liegen hier auf der Bärenhaut, und zwar Alle
krank auf derselben; auch ich habe mich legen müssen, doch
nur drei Tage. Der Pascha ist gestern zum erstenmal wie-
der ausgegangen.

Hafiß-Pascha war unpäßlich, als der durchreisende
englische Consul ihm seinen Arzt anbot; dieser stellte ihn
bald her, es blieb aber die nach Krankheiten gewöhnliche
Mattigkeit und Unbehaglichkeit. Der Pascha glaubte, nun
erst recht unwohl zu sein, behauptete, aus Gefälligkeit ge-
gen den Consul sich in diese Lage begeben zu haben, der
englische Doktor habe ihn krank gemacht. Nun kamen die
türkischen Rathgeber mit allerlei Scherbetten, und nach eini-
gen Tagen hatte der Pascha eine heftige Hämorrhoidal-
Kolik; darauf wurde ein Mollah geholt, welcher aussagte,
es sei sehr heilsam und dabei gottgefällig, ein Brot so und
so auf dem Feuer zu zerschneiden etc.; ein Freund hatte ge-
schrieben, daß er sich mit Kaffeebohnen kurirt. Trotz die-

Leider iſt der Commandirende unpaͤßlich, die kleinen
Paſcha's wollen hier nicht fort, und Alles bleibt bei „Ba-
kalum“ (wir wollen ſehen).

Ein freilich gewichtiger Grund fuͤr die bisherige Un-
thaͤtigkeit iſt der entſetzliche Geſundheitszuſtand: ein Batail-
lon der Landwehr hat 350 Kranke; in Malatia ſind uͤber
tauſend Kranke im Hoſpital. Jch weiß nicht, iſt dieſe
Raçe ganz enervirt, oder welche Urſache kann das haben?
Die Leute exerzieren zwei Stunden fruͤh, eine oder zwei des
Abends; das Eſſen iſt gut und reichlich, die Zelte ſind
reinlich, der Lagerplatz trocken, das Waſſer gut und in ge-
nuͤgender Menge vorhanden, und bei alle dem dreißig pC.
Kranke! Bei den Linien iſt der Geſundheitszuſtand beſſer,
aber auch nicht befriedigend; ein Bataillon hat ſechzig
Kranke. — Was ſoll daraus werden! Man ſchiebt alle
Schuld auf „Hawah“, die Luft.


Wir liegen hier auf der Baͤrenhaut, und zwar Alle
krank auf derſelben; auch ich habe mich legen muͤſſen, doch
nur drei Tage. Der Paſcha iſt geſtern zum erſtenmal wie-
der ausgegangen.

Hafiß-Paſcha war unpaͤßlich, als der durchreiſende
engliſche Conſul ihm ſeinen Arzt anbot; dieſer ſtellte ihn
bald her, es blieb aber die nach Krankheiten gewoͤhnliche
Mattigkeit und Unbehaglichkeit. Der Paſcha glaubte, nun
erſt recht unwohl zu ſein, behauptete, aus Gefaͤlligkeit ge-
gen den Conſul ſich in dieſe Lage begeben zu haben, der
engliſche Doktor habe ihn krank gemacht. Nun kamen die
tuͤrkiſchen Rathgeber mit allerlei Scherbetten, und nach eini-
gen Tagen hatte der Paſcha eine heftige Haͤmorrhoidal-
Kolik; darauf wurde ein Mollah geholt, welcher ausſagte,
es ſei ſehr heilſam und dabei gottgefaͤllig, ein Brot ſo und
ſo auf dem Feuer zu zerſchneiden ꝛc.; ein Freund hatte ge-
ſchrieben, daß er ſich mit Kaffeebohnen kurirt. Trotz die-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0311" n="301"/>
          <p>Leider i&#x017F;t der Commandirende unpa&#x0364;ßlich, die kleinen<lb/>
Pa&#x017F;cha's wollen hier nicht fort, und Alles bleibt bei &#x201E;Ba-<lb/>
kalum&#x201C; (wir wollen &#x017F;ehen).</p><lb/>
          <p>Ein freilich gewichtiger Grund fu&#x0364;r die bisherige Un-<lb/>
tha&#x0364;tigkeit i&#x017F;t der ent&#x017F;etzliche Ge&#x017F;undheitszu&#x017F;tand: ein Batail-<lb/>
lon der Landwehr hat 350 Kranke; in Malatia &#x017F;ind u&#x0364;ber<lb/>
tau&#x017F;end Kranke im Ho&#x017F;pital. Jch weiß nicht, i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Raçe ganz enervirt, oder welche Ur&#x017F;ache kann das haben?<lb/>
Die Leute exerzieren zwei Stunden fru&#x0364;h, eine oder zwei des<lb/>
Abends; das E&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t gut und reichlich, die Zelte &#x017F;ind<lb/>
reinlich, der Lagerplatz trocken, das Wa&#x017F;&#x017F;er gut und in ge-<lb/>
nu&#x0364;gender Menge vorhanden, und bei alle dem dreißig pC.<lb/>
Kranke! Bei den Linien i&#x017F;t der Ge&#x017F;undheitszu&#x017F;tand be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
aber auch nicht befriedigend; ein Bataillon hat &#x017F;echzig<lb/>
Kranke. &#x2014; Was &#x017F;oll daraus werden! Man &#x017F;chiebt alle<lb/>
Schuld auf &#x201E;Hawah&#x201C;, die Luft.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Karput, den 3. Augu&#x017F;t 1838.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Wir liegen hier auf der Ba&#x0364;renhaut, und zwar Alle<lb/>
krank auf der&#x017F;elben; auch ich habe mich legen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, doch<lb/>
nur drei Tage. Der Pa&#x017F;cha i&#x017F;t ge&#x017F;tern zum er&#x017F;tenmal wie-<lb/>
der ausgegangen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Hafiß-Pa&#x017F;cha</hi> war unpa&#x0364;ßlich, als der durchrei&#x017F;ende<lb/>
engli&#x017F;che Con&#x017F;ul ihm &#x017F;einen Arzt anbot; die&#x017F;er &#x017F;tellte ihn<lb/>
bald her, es blieb aber die nach Krankheiten gewo&#x0364;hnliche<lb/>
Mattigkeit und Unbehaglichkeit. Der Pa&#x017F;cha glaubte, nun<lb/>
er&#x017F;t recht unwohl zu &#x017F;ein, behauptete, aus Gefa&#x0364;lligkeit ge-<lb/>
gen den Con&#x017F;ul &#x017F;ich in die&#x017F;e Lage begeben zu haben, der<lb/>
engli&#x017F;che Doktor habe ihn krank gemacht. Nun kamen die<lb/>
tu&#x0364;rki&#x017F;chen Rathgeber mit allerlei Scherbetten, und nach eini-<lb/>
gen Tagen hatte der Pa&#x017F;cha eine heftige Ha&#x0364;morrhoidal-<lb/>
Kolik; darauf wurde ein Mollah geholt, welcher aus&#x017F;agte,<lb/>
es &#x017F;ei &#x017F;ehr heil&#x017F;am und dabei gottgefa&#x0364;llig, ein Brot &#x017F;o und<lb/>
&#x017F;o auf dem Feuer zu zer&#x017F;chneiden &#xA75B;c.; ein Freund hatte ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, daß er &#x017F;ich mit Kaffeebohnen kurirt. Trotz die-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0311] Leider iſt der Commandirende unpaͤßlich, die kleinen Paſcha's wollen hier nicht fort, und Alles bleibt bei „Ba- kalum“ (wir wollen ſehen). Ein freilich gewichtiger Grund fuͤr die bisherige Un- thaͤtigkeit iſt der entſetzliche Geſundheitszuſtand: ein Batail- lon der Landwehr hat 350 Kranke; in Malatia ſind uͤber tauſend Kranke im Hoſpital. Jch weiß nicht, iſt dieſe Raçe ganz enervirt, oder welche Urſache kann das haben? Die Leute exerzieren zwei Stunden fruͤh, eine oder zwei des Abends; das Eſſen iſt gut und reichlich, die Zelte ſind reinlich, der Lagerplatz trocken, das Waſſer gut und in ge- nuͤgender Menge vorhanden, und bei alle dem dreißig pC. Kranke! Bei den Linien iſt der Geſundheitszuſtand beſſer, aber auch nicht befriedigend; ein Bataillon hat ſechzig Kranke. — Was ſoll daraus werden! Man ſchiebt alle Schuld auf „Hawah“, die Luft. Karput, den 3. Auguſt 1838. Wir liegen hier auf der Baͤrenhaut, und zwar Alle krank auf derſelben; auch ich habe mich legen muͤſſen, doch nur drei Tage. Der Paſcha iſt geſtern zum erſtenmal wie- der ausgegangen. Hafiß-Paſcha war unpaͤßlich, als der durchreiſende engliſche Conſul ihm ſeinen Arzt anbot; dieſer ſtellte ihn bald her, es blieb aber die nach Krankheiten gewoͤhnliche Mattigkeit und Unbehaglichkeit. Der Paſcha glaubte, nun erſt recht unwohl zu ſein, behauptete, aus Gefaͤlligkeit ge- gen den Conſul ſich in dieſe Lage begeben zu haben, der engliſche Doktor habe ihn krank gemacht. Nun kamen die tuͤrkiſchen Rathgeber mit allerlei Scherbetten, und nach eini- gen Tagen hatte der Paſcha eine heftige Haͤmorrhoidal- Kolik; darauf wurde ein Mollah geholt, welcher ausſagte, es ſei ſehr heilſam und dabei gottgefaͤllig, ein Brot ſo und ſo auf dem Feuer zu zerſchneiden ꝛc.; ein Freund hatte ge- ſchrieben, daß er ſich mit Kaffeebohnen kurirt. Trotz die-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/311
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/311>, abgerufen am 22.11.2024.