tanen bekleiden die Höhen, die Thäler sind von Feigen-, Oel- und Nuß-Bäumen, Granaten, Wein und Oleander erfüllt; das Korn, in die leichten Furchen des braunen Bo- dens ausgestreut, giebt den reichsten Ertrag, und wo der Mensch gar nichts gethan, da ruft die Natur den pracht- vollsten, mit Millionen buntfarbiger Blumen durchwebten Graswuchs hervor, der fast jeden Abend durch die Wolken erfrischt wird, welche sich um die nahen Gipfel ansammeln. Pferde, Schaafe, Kühe, Ziegen gedeihen zu besonderer Güte; in den Bergen liegt das Steinsalz zu Tage, und was sie sonst für Schätze in ihrem Jnnern verschließen mögen, hat, glaub' ich, noch kein Mineraloge erforscht.
Wenn nun ein so reich begabtes Land doch zu mehr als drei Viertel unangebaut liegt, so muß der Grund in dem traurigen gesellschaftlichen Zustande der Bewohner ge- sucht werden.
Der Kurde ist fast in allen Stücken das Gegentheil von seinem Nachbar, dem Araber, nur für die Raubsucht theilen beide gleichen Geschmack; doch hat dabei der Ara- ber mehr vom Diebe, der Kurde mehr vom Krieger an sich. Die Araber üben nur die Gewalt, wo sie eben die Stärke- ren sind; sie fürchten das Schießgewehr und suchen auf ihren trefflichen Pferden das Weite; sie verschmähen den Ackerbau und die Städte, das Kameel ersetzt ihnen Alles, und befähigt sie, ein Land zu bewohnen, in welchem Nie- mand sonst leben kann. Vor einem ernstlichen Angriffe weichen sie in unerreichbare Entfernungen zurück, und da sie nirgend eine zerstörbare feste Niederlassung besitzen, so sind sie auch in dieser Beziehung völlig unverwundbar.
Der Kurde hingegen ist Ackerbauer aus Bedürfniß, und Krieger aus Neigung; daher die Dörfer und Felder in der Ebene, und die Burgen und Schlösser im Gebirge; er ficht zu Fuß, Mauern und Berge sind sein Schutz und das Gewehr seine Waffe. Der Kurde ist ein vortrefflicher Schütze, das reich ausgelegte damascirte Gewehr erbt vom
tanen bekleiden die Hoͤhen, die Thaͤler ſind von Feigen-, Oel- und Nuß-Baͤumen, Granaten, Wein und Oleander erfuͤllt; das Korn, in die leichten Furchen des braunen Bo- dens ausgeſtreut, giebt den reichſten Ertrag, und wo der Menſch gar nichts gethan, da ruft die Natur den pracht- vollſten, mit Millionen buntfarbiger Blumen durchwebten Graswuchs hervor, der faſt jeden Abend durch die Wolken erfriſcht wird, welche ſich um die nahen Gipfel anſammeln. Pferde, Schaafe, Kuͤhe, Ziegen gedeihen zu beſonderer Guͤte; in den Bergen liegt das Steinſalz zu Tage, und was ſie ſonſt fuͤr Schaͤtze in ihrem Jnnern verſchließen moͤgen, hat, glaub' ich, noch kein Mineraloge erforſcht.
Wenn nun ein ſo reich begabtes Land doch zu mehr als drei Viertel unangebaut liegt, ſo muß der Grund in dem traurigen geſellſchaftlichen Zuſtande der Bewohner ge- ſucht werden.
Der Kurde iſt faſt in allen Stuͤcken das Gegentheil von ſeinem Nachbar, dem Araber, nur fuͤr die Raubſucht theilen beide gleichen Geſchmack; doch hat dabei der Ara- ber mehr vom Diebe, der Kurde mehr vom Krieger an ſich. Die Araber uͤben nur die Gewalt, wo ſie eben die Staͤrke- ren ſind; ſie fuͤrchten das Schießgewehr und ſuchen auf ihren trefflichen Pferden das Weite; ſie verſchmaͤhen den Ackerbau und die Staͤdte, das Kameel erſetzt ihnen Alles, und befaͤhigt ſie, ein Land zu bewohnen, in welchem Nie- mand ſonſt leben kann. Vor einem ernſtlichen Angriffe weichen ſie in unerreichbare Entfernungen zuruͤck, und da ſie nirgend eine zerſtoͤrbare feſte Niederlaſſung beſitzen, ſo ſind ſie auch in dieſer Beziehung voͤllig unverwundbar.
Der Kurde hingegen iſt Ackerbauer aus Beduͤrfniß, und Krieger aus Neigung; daher die Doͤrfer und Felder in der Ebene, und die Burgen und Schloͤſſer im Gebirge; er ficht zu Fuß, Mauern und Berge ſind ſein Schutz und das Gewehr ſeine Waffe. Der Kurde iſt ein vortrefflicher Schuͤtze, das reich ausgelegte damascirte Gewehr erbt vom
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tanen bekleiden die Hoͤhen, die Thaͤler ſind von Feigen-,
Oel- und Nuß-Baͤumen, Granaten, Wein und Oleander
erfuͤllt; das Korn, in die leichten Furchen des braunen Bo-
dens ausgeſtreut, giebt den reichſten Ertrag, und wo der
Menſch gar nichts gethan, da ruft die Natur den pracht-
vollſten, mit Millionen buntfarbiger Blumen durchwebten
Graswuchs hervor, der faſt jeden Abend durch die Wolken
erfriſcht wird, welche ſich um die nahen Gipfel anſammeln.
Pferde, Schaafe, Kuͤhe, Ziegen gedeihen zu beſonderer Guͤte;
in den Bergen liegt das Steinſalz zu Tage, und was ſie
ſonſt fuͤr Schaͤtze in ihrem Jnnern verſchließen moͤgen, hat,
glaub' ich, noch kein Mineraloge erforſcht.
Wenn nun ein ſo reich begabtes Land doch zu mehr
als drei Viertel unangebaut liegt, ſo muß der Grund in
dem traurigen geſellſchaftlichen Zuſtande der Bewohner ge-
ſucht werden.
Der Kurde iſt faſt in allen Stuͤcken das Gegentheil
von ſeinem Nachbar, dem Araber, nur fuͤr die Raubſucht
theilen beide gleichen Geſchmack; doch hat dabei der Ara-
ber mehr vom Diebe, der Kurde mehr vom Krieger an ſich.
Die Araber uͤben nur die Gewalt, wo ſie eben die Staͤrke-
ren ſind; ſie fuͤrchten das Schießgewehr und ſuchen auf
ihren trefflichen Pferden das Weite; ſie verſchmaͤhen den
Ackerbau und die Staͤdte, das Kameel erſetzt ihnen Alles,
und befaͤhigt ſie, ein Land zu bewohnen, in welchem Nie-
mand ſonſt leben kann. Vor einem ernſtlichen Angriffe
weichen ſie in unerreichbare Entfernungen zuruͤck, und da
ſie nirgend eine zerſtoͤrbare feſte Niederlaſſung beſitzen, ſo
ſind ſie auch in dieſer Beziehung voͤllig unverwundbar.
Der Kurde hingegen iſt Ackerbauer aus Beduͤrfniß,
und Krieger aus Neigung; daher die Doͤrfer und Felder
in der Ebene, und die Burgen und Schloͤſſer im Gebirge;
er ficht zu Fuß, Mauern und Berge ſind ſein Schutz und
das Gewehr ſeine Waffe. Der Kurde iſt ein vortrefflicher
Schuͤtze, das reich ausgelegte damascirte Gewehr erbt vom
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/279>, abgerufen am 28.11.2024.
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