Vater auf den Sohn, und er kennt es wie seinen ältesten Jugendgefährten.
Der Religion nach sind die meisten Kurden dieser Ge- gend Muhamedaner, nach der persischen Grenze zu aber wohnen viele Jacobitische Christen.
Es ist der Pforte nie gelungen, in diesen Bergen alle erbliche Familiengewalt so zu Boden zu werfen, wie in den mehrsten übrigen Theilen ihres Reichs. Die Kurden-Für- sten üben eine große Macht über ihre Unterthanen; sie be- fehden sich unter einander, trotzen der Autorität der Pforte, verweigern die Steuern, gestatten keine Truppenaushebung, und suchen ihre letzte Zuflucht in den Schlössern, welche sie sich im hohen Gebirge erbaut.
Zu den bedeutendsten Häuptern gehörte Revenduß- Bey, den Reschid-Pascha besiegt; Vede-han-Bey, der heute an unserer Seite ficht; Sayd-Bey, dessen Schloß eben in Flammen auflodert, und Jsmael-Bey von Acre, den die Pforte zum Pascha erhoben, der aber in seiner Treue verdächtig ist. Die Expeditionen gegen diese Fürsten waren stets von bedeutenden Opfern und Verlusten begleitet; der Krieg ist theuer in diesen Gegenden, weil das Material schwer zu beschaffen: eine Bombe, auf Mauleseln von Samsum hierher getragen, kostet nahe an einen Louis- d'or. Die festen Schlösser, obwohl nicht gegen Geschütz erbaut, sind vom Terrain so sehr begünstigt, daß sie sämmt- lich 31, 40 bis 42 Tage Widerstand geleistet haben, Krank- heit und Desertion rafften dabei viel Menschen hinweg, und alle Verluste waren doppelt empfindlich, weil sie so schwer zu ersetzen sind.
Die Expedition Kurd-Mehmet-Pascha's ist glück- lich gewesen; fünf Tage nach Eintreffen des Geschützes war der Platz zur Uebergabe gezwungen, der Gesundheitszustand der Truppen ist vortrefflich, der Verwundeten sind nur we- nige, fast nur unter den verbündeten Kurden, und diese werden nicht gezählt. An der Eroberung einer kleinen Ge- birgs-Festung, die ohnehin jetzt ein Schutthaufen ist, kann
Vater auf den Sohn, und er kennt es wie ſeinen aͤlteſten Jugendgefaͤhrten.
Der Religion nach ſind die meiſten Kurden dieſer Ge- gend Muhamedaner, nach der perſiſchen Grenze zu aber wohnen viele Jacobitiſche Chriſten.
Es iſt der Pforte nie gelungen, in dieſen Bergen alle erbliche Familiengewalt ſo zu Boden zu werfen, wie in den mehrſten uͤbrigen Theilen ihres Reichs. Die Kurden-Fuͤr- ſten uͤben eine große Macht uͤber ihre Unterthanen; ſie be- fehden ſich unter einander, trotzen der Autoritaͤt der Pforte, verweigern die Steuern, geſtatten keine Truppenaushebung, und ſuchen ihre letzte Zuflucht in den Schloͤſſern, welche ſie ſich im hohen Gebirge erbaut.
Zu den bedeutendſten Haͤuptern gehoͤrte Revenduß- Bey, den Reſchid-Paſcha beſiegt; Vede-han-Bey, der heute an unſerer Seite ficht; Sayd-Bey, deſſen Schloß eben in Flammen auflodert, und Jsmael-Bey von Acre, den die Pforte zum Paſcha erhoben, der aber in ſeiner Treue verdaͤchtig iſt. Die Expeditionen gegen dieſe Fuͤrſten waren ſtets von bedeutenden Opfern und Verluſten begleitet; der Krieg iſt theuer in dieſen Gegenden, weil das Material ſchwer zu beſchaffen: eine Bombe, auf Mauleſeln von Samſum hierher getragen, koſtet nahe an einen Louis- d'or. Die feſten Schloͤſſer, obwohl nicht gegen Geſchuͤtz erbaut, ſind vom Terrain ſo ſehr beguͤnſtigt, daß ſie ſaͤmmt- lich 31, 40 bis 42 Tage Widerſtand geleiſtet haben, Krank- heit und Deſertion rafften dabei viel Menſchen hinweg, und alle Verluſte waren doppelt empfindlich, weil ſie ſo ſchwer zu erſetzen ſind.
Die Expedition Kurd-Mehmet-Paſcha's iſt gluͤck- lich geweſen; fuͤnf Tage nach Eintreffen des Geſchuͤtzes war der Platz zur Uebergabe gezwungen, der Geſundheitszuſtand der Truppen iſt vortrefflich, der Verwundeten ſind nur we- nige, faſt nur unter den verbuͤndeten Kurden, und dieſe werden nicht gezaͤhlt. An der Eroberung einer kleinen Ge- birgs-Feſtung, die ohnehin jetzt ein Schutthaufen iſt, kann
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Vater auf den Sohn, und er kennt es wie ſeinen aͤlteſten
Jugendgefaͤhrten.
Der Religion nach ſind die meiſten Kurden dieſer Ge-
gend Muhamedaner, nach der perſiſchen Grenze zu aber
wohnen viele Jacobitiſche Chriſten.
Es iſt der Pforte nie gelungen, in dieſen Bergen alle
erbliche Familiengewalt ſo zu Boden zu werfen, wie in den
mehrſten uͤbrigen Theilen ihres Reichs. Die Kurden-Fuͤr-
ſten uͤben eine große Macht uͤber ihre Unterthanen; ſie be-
fehden ſich unter einander, trotzen der Autoritaͤt der Pforte,
verweigern die Steuern, geſtatten keine Truppenaushebung,
und ſuchen ihre letzte Zuflucht in den Schloͤſſern, welche
ſie ſich im hohen Gebirge erbaut.
Zu den bedeutendſten Haͤuptern gehoͤrte Revenduß-
Bey, den Reſchid-Paſcha beſiegt; Vede-han-Bey,
der heute an unſerer Seite ficht; Sayd-Bey, deſſen
Schloß eben in Flammen auflodert, und Jsmael-Bey
von Acre, den die Pforte zum Paſcha erhoben, der aber in
ſeiner Treue verdaͤchtig iſt. Die Expeditionen gegen dieſe
Fuͤrſten waren ſtets von bedeutenden Opfern und Verluſten
begleitet; der Krieg iſt theuer in dieſen Gegenden, weil das
Material ſchwer zu beſchaffen: eine Bombe, auf Mauleſeln
von Samſum hierher getragen, koſtet nahe an einen Louis-
d'or. Die feſten Schloͤſſer, obwohl nicht gegen Geſchuͤtz
erbaut, ſind vom Terrain ſo ſehr beguͤnſtigt, daß ſie ſaͤmmt-
lich 31, 40 bis 42 Tage Widerſtand geleiſtet haben, Krank-
heit und Deſertion rafften dabei viel Menſchen hinweg, und
alle Verluſte waren doppelt empfindlich, weil ſie ſo ſchwer
zu erſetzen ſind.
Die Expedition Kurd-Mehmet-Paſcha's iſt gluͤck-
lich geweſen; fuͤnf Tage nach Eintreffen des Geſchuͤtzes war
der Platz zur Uebergabe gezwungen, der Geſundheitszuſtand
der Truppen iſt vortrefflich, der Verwundeten ſind nur we-
nige, faſt nur unter den verbuͤndeten Kurden, und dieſe
werden nicht gezaͤhlt. An der Eroberung einer kleinen Ge-
birgs-Feſtung, die ohnehin jetzt ein Schutthaufen iſt, kann
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/280>, abgerufen am 24.11.2024.
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